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«Echte Männer» (?) auf der Suche nach ihrer Männlichkeit

Echte Männer braucht das Land. Oder vielleicht doch nicht? VOX ist über jeden Zweifel erhaben und macht sich trotzdem auf die Suche. Eine bunte Mischung Couch-Potatoes soll dafür mental und physisch crossfit gemacht.

Seite 1 „Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragte schon Herbert Grönemeyer in Musikform. Eine Frage, die in unseren heutigen, aufgeklärten Zeiten immer wieder mit mal mehr, öfters aber mal weniger Nüchternheit und Sachlichkeit diskutiert wird. Wenn es darum geht, den Platz des modernen Mannes in der modernen Gesellschaft zu verorten, angemessene Verhaltensweisen, Grenzen und Freiheiten zu definieren, sind die Gemüter schnell erhitzt und die reflexhafte und empörte Frage nach dem: „Was darf man denn eigentlich noch heutzutage sagen, tun, hören, riechen etc.?“ wird schnell aus dem Empörungsholster gezogen und mit Macho-Klischees gerne mal nachgeladen.

VOX stellte sich heute zum ersten Mal die Frage bzw. versucht sie mithilfe einer möglichst kleinen Fokusgruppe von fünf Kandidaten/Protagonisten zu beantworten. Und wenn man nach den Promophotos geht, scheint das männliche Geschlecht vorzugsweise mit verschränkten Armen und hochgezogener Kinnlade im Boxring zu stehen. Adaptiert wurde das Reality-Format von einer dänischen Show namens „Real Man“ und nicht nur bei der Übersetzung des Titels orientiert man sich streng an der Vorlage. Aus gutem Grund: «Real Man» war dort ein Quotenhit und holte für den dort ansässigen öffentlich-rechtlichen Sender DR1 regelmäßig 50 Prozent der Zuschauer ab. Kein Wunder also, dass sich das Format mit Leichtigkeit international verkaufen ließ. In Deutschland sicherte sich die von der ProSiebenSat.1 Media SE gegründete Produktionsfirma Red Arrow Entertainment die Rechte - Produzenten von Formaten wie «Family Business - Wir sind Chef», «Germany’s Next Showstars», «The Biggest Loser» oder «Galileo Big Pictures».

Echte Männer am Rande ihrer Kräfte und der Realität


Liest man die Inhaltsangabe, könnte man meinen, dass es sich um eine Art «The Biggest Loser» handelt, nur… eben… für Männer: Echte Männer, die sich bisher keine Gedanken über das eigene Gewicht oder Gesundheit machen mussten und von Chips über Burgern bis hin zum leckeren Bier alles in sich hineinstopften oder schütteten, zumindest bis das lebensrettende Fernsehen in ihr Leben tritt. Nun dürfen/müssen fünf Kandidaten innerhalb von fünf Monaten mittels Meditation, Schwimmen, Kampfsport und eines Crossfit-Thriatlon wieder in richtige Männerform zu bringen. Ob das so gesund ist, sei einfach mal dahin gestellt, allerdings ist die Zahl fünf (fünf Männer, fünf Monate) einfach zu merken, was ja auch schon ganz nützlich und wertvoll sein kann. Außerdem geht es bei dieser Art von TV und dessen festgesetzten Regeln, in dem sich Kandidaten bewegen müssen, so wenig dies mit der Realität auch gelegentlich zu tun haben mögen, darum eben jene Kandidaten an vermeintlich psychische und physische Grenzen zu bringen.

Das darf kritisch hinterfragt werden, scheint aber das künstlich hergestellte Lebenselixier von Sendungen wie „Echte Männer“ zu sein. Die Frage ist letztendlich allerdings, ob so eine Show über ihre Klischees hinauswachsen kann, oder diese vielleicht sogar unterwandern kann. Jobst Beuthes, Geschäftsführer von Red Seven Entertainment, schien jedenfalls Potential in dem Format zu erkennen: «Real Men» liegt absolut im Trend: Die Zuschauer wollen heute normale, authentische Menschen im TV sehen, mit denen sie sich identifizieren können. Ich freue mich sehr diese spannende Format zu produzieren.“ Und vielleicht schafft es in «Echte Männer» ja sogar tatsächlich zu definieren, was sogenannte „echte“ und „authentische“ Menschen sind. Vielleicht kann man gleichzeitig die Frage beantworten, ob diese ausgerechnet in diesen Sendeformaten zu finden sind, die meistens doch eher einem wenig authentischem Regelwerk gehorchen, eine ganz eigene Agenda verfolgen und bestimmte Emotionen bei den Protagonisten hervor kitzeln sollen. Hier sollen echte Männerfreundschaften entstehen, denn physische und psychische Anstrengungen schweißen eben zusammen, lösen aber wahrscheinlich noch einige Emotionen mehr bei den Testobjekten aus. Aber auch Frauen sollen hier auf ihre Kosten kommen und endlich herausfinden, wie die lieben Männer so ticken, was allerdings wiederum bei so einer kleinen Gruppe schwierig wird, zumal es eine ziemlich langweilige Fernsehveranstaltung wird, wenn sie alle gleich ticken.

Aber vielleicht sollte man nicht alles, was in Pressemitteilungen mitgeteilt wird, zu ernst und wortwörtlich nehmen, nicht zu sehr über Sinn, Unsinn und die innewohnenden Widersprüche des Genres „Reality TV“ philosophieren, vor allem wenn man dieses genießen und sich von diesem überraschen lassen möchte. Dieser und anderen Herausforderungen dürfen sich der 31jährige Pfleger Marcel aus Duisburg, der 30jährige Trockenbauer Michael aus Hellenthal, der 30jährige Bestatter und Tatortreiniger Valentin aus Wuppertal, der 29jährige Schlosser Andreas aus Plettenberg und der 33jährige Stallbetreiber Dennis aus Lotte stellen.

Haus bauen, Zwiebelmett, schöne Frauen, schon zu Beginn von «Echte Männer» werden dem Zuschauer solche Fachbegriffe um die Ohren gepfeffert. Willkürlich, aber dennoch bekannt. Zumindest Stallbetreiber Dennis will ehrlich sein - ehrlich zu sich selbst, ehrlich zu seiner Familie, ehrlich zur Welt, eine nette Abwechslung im Klischee-Dickicht bestehend aus Tattoos, Fleisch und Bier. Keiner von ihnen weiß, auf was er sich einlässt, aber was ein echter Mann ist, denkt anscheinend nicht so weit. Auch der Sprecher betont noch einmal, was ein echter Mann haben muss (Muskeln, Bierbauch etc.), doch zunächst werden die Protagonisten vorgestellt, die alle diese Ansprüche erfüllen müssen. Und es sollen noch jede Menge dazu kommen.

Dazu fährt einer von ihnen, der Schlosser Andreas, mit einem Twingo durch Deutschland, um seine Weggefährten einzusammeln. Vorher wird er allerdings noch Andreas in seinem natürlichen Umfeld gezeigt, seinem Arbeitsplatz: Als Schleifer scheint es vor allem darum zu gehen, Würstchen mit ungewaschenen, dreckigen Männerhänden aus der Würstchendose zu fischen, weil es sich eben um echte männliche Männer handelt (wurde das schon erwähnt?). Andreas, selbsternannter „einfach geiler Typ“ holt als nächstes Marcel aus Duisburg ab. Man unterhält sich über dies und das, Kneipen, Bier und Zigaretten. Nichts Besonderes oder Profanes, aber das muss es auch nicht sein, denn «Echte Männer» (die Sendung, nicht die Männer… aber auch irgendwie die Männer) hält sich nicht lange damit auf, vielleicht weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel mehr als Smalltalk in diesen Konversationen zu holen ist.

Als nächstes wird Dennis aus irgendeinem Grund am Straßenrand aufgegabelt, wo er in Cowboypose eine Zigarette raucht, eine von vielen Zigaretten, wie sich später noch herausstellen soll. Laut Andreas Aussage, ein Cowboy, den man einfach mitnehmen muss. Dennis wirkt inmitten dieses schon in den ersten fünf Minuten geballten, hypermaskulinen Poser-Verhaltens, fast schon zurückhaltend und bescheiden. Eine Subtilität, die aber nach kurzer Zeit schon wieder aus dem Fenster geworfen wird, als Trockenbauer Michael - ebenfalls am Straßenrand stehend - ins Fenster lehnt und der erste Prostituierten-Witz das Auto verlässt. Man testet sich gegenseitig aus, wieviel Spaß versteht jeder, wer liefert schlagfertige Antworten. Gibt es eine Spaßbremse? Bis jetzt schlagen sich alle jedenfalls wacker, denn eine „große Klappe“ ist ein weiteres wichtiges, männliches Kriterium. Keine Widerworte an dieser Stelle. Valentin ist als Bestatter und Tatortreiniger natürlich ein Faszinosum in der Runde, das sind Menschen, die sich tagtäglich mit dem Tod beschäftigen immer. Hinzu kommt, dass er in seinem Privatleben mit Tattoos und Piercings und in seinem professionellem Umfeld mit Schlips und Krawatte unterwegs ist. Vielleicht hat gerade er das Potential der Dr.Jekyll und Mr. Hyde dieser Runde zu sein.

Auf der nächsten Seite: «Echte Männer» lässt seine Protagonisten auf Vordermann bringen und ignoriert gesunden Menschenverstand und wahrscheinlich auch Gesundheit
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29.06.2016 00:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/86484
Stefan Turiak

super
schade


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