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«Fais pas ci, fais pas ça»: Die französischste Serie

Europa blickt der EM wegen nach Frankreich – und Quotenmeter.de auf das französische Fernsehen. Im zweiten Teil: Eine Serie über zwei völlig verschiedene Pariser Familien.

Fabienne und Renaud Lepic sind stolze Eltern von vier Kindern. Renaud ist leitender Angestellter bei einer Armaturenfirma, Fabienne lange Jahre Hausfrau, bis sie die rechte Hand des Bürgermeisters von Sèvres, einem gutbürgerlichen Pariser Vorort, wird. Beide sind sie patriotische Franzosen, bedacht auf ihre Reputation, konservativ bis ins Mark und pflegen einen autoritären Erziehungsstil – was freilich zu regelmäßigen Konflikten mit ihren Kindern führt, besonders mit dem phlegmatischen ältesten Sohn Christophe und der älteren, politisch zunehmend linken Tochter Soline.

Das Tolle an einer Figur wie Fabienne Lepic: Sie dreht schon bei geringsten Schwierigkeiten völlig durch. Und gerade bei einer komödiantisch so talentierten Darstellerin wie Valérie Bonneton ist es eine Lust, ihr dabei zuzuschauen.

Nebenan wohnt die Patchwork-Familie Bouley (rechtes Bild). Valérie arbeitet als Kommunikationsmanagerin (eine Branche, die die konservativen Lepic-Eltern freilich gerne belächeln), ihr Mann Denis befindet sich seit etlicher Zeit in einer réstructuration professionnelle, vulgo: er ist arbeitslos und versucht, ein passendes Metier zu finden. Einer der größeren Erzählbögen der Serie bildet seine berufliche Selbstfindung ab; doch Denis ist zwar unkonventionell, aber bei Leibe kein Loser, für den ihn Armaturen-Manager Renaud Lepic hält. Manches gelingt ihm, manches nicht. Und vom Chanson-Sänger im Altenheim über den Motivationstrainer (mit der griffigen „Méthode Denis Bouley“) bis zum Autor selbstgefälliger Sachbücher mäandriert er sich flatterhaft, aber liebenswert von Staffel zu Staffel. Ihr gemeinsamer Sohn Elliott verfolgt dagegen schon in jungen Jahren sein Lebensziel, einmal französischer Innenminister zu werden, zum Entsetzen seiner Eltern aber als Konservativer und nicht als Sozialist, während Tiphaine, Valéries Tochter aus einer früheren Beziehung, weit weniger hohe Ziele anzustreben scheint.

Angefangen hat «Fais pas ci, Fais pas ca» in seiner ersten Staffel 2007 noch als Mockumentary, die ihren Witz daraus beziehen wollte, zwei konträre Erziehungsstile und Lebensmodelle (autoritär versus laissez-faire, konservativ versus sozialistisch-liberal, und traditionell versus modern) zu kontrastieren. Nach vergleichsweise enttäuschtem Feedback wurde dieses Konzept ab der zweiten Staffel verworfen; mit ihr hörte die Serie damit auf, dramaturgisch unpassend die vierte Wand einreisen zu wollen.

Seitdem funktioniert das Format als gut geschriebene und fabulös gespielte Komödie, die nah an ihren Figuren und nah am französischen Alltag erzählt. Nicht so sehr allerdings, um diffuse Identifikationsräume zu schaffen, sondern vielmehr im Sinne einer konsequenten komödiantischen Überspitzung, die besonders bei den exzentrischeren Charakteren (Fabienne Lepic, Valérie und Denis Bouley) wunderbar zündet.

Gleichzeitig strahlt die Serie viel archetypisch Französisches aus. Dass die Lepics und die Bouleys hemmungslos ihre Kinder anschreien, mag für ausländische Zuschauer befremdlich wirken, ist in Frankreich dagegen eine vielgenutzte Erziehungsmethode und gesellschaftlich allgemein akzeptiert. Dass sich Valérie Bouley hin und wieder mit ihrer minderjährigen Tochter Tiphaine eine Zigarette teilt, wäre wiederum in Deutschland kaum darstellbar. Im amerikanischen Network-Fernsehen natürlich erst recht nicht, auch wenn einem zumindest an den frühen Folgen von «Fais pas ci, Fais pas ca» zahlreiche Parallelen zur ABC-Serie «Modern Family» auffallen mögen.

Seit mittlerweile acht Jahren sind die Lepics und die Bouleys ein fester Bestandteil des Herbstprogramms von France 2, Frankreichs größtem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, und fahren mit ihren für das französische Fernsehen üblich kurzen Staffeln von sechs bis acht Episoden Einschaltquoten nahe der beeindruckenden Fünf-Millionen-Grenze ein. Derzeit laufen die Dreharbeiten für die letzte Staffel, deren Ausstrahlung für Ende des Jahres zu erwarten ist. „Die Kinder sind aus dem gröbsten raus und verlassen einer nach dem anderen das Nest, und obwohl man auf ewig Eltern bleiben wird, ist der größte Teil der Arbeit für die Lepics und die Bouleys geschafft“, verkündete France 2 in einer launigen Pressemitteilung.

Frankreich ist – ähnlich wie Deutschland und anders als die USA – Fernsehfilmland. Will sagen: Mit dem Aufzählen wirklich gelungener Serienproduktionen tut man sich schwer, wenn man auch nur ein halbes Dutzend kontemporärer Formate nennen will. Neben dem Mystery-Stoff «Les Revenants», dem Period-Drama «Versailles» und der einnehmenden Weltkriegsgeschichte «Un Village Francais» lassen sich wenige erstklassige und ambitionierte französische Serien nennen. Und neben «Fais pas ci, Fais pas ca» leider auch wenige populäre Serien mit vielleicht weniger narrativer Ambition, aber gleichsam hohem Unterhaltungswert.

Der französischen Serienlandschaft ging es lange nicht viel anders als der deutschen: Der Großteil des Outputs sah aus wie die Marseiller Schmonzetten-Soap «Plus Belle la Vie», Innovation und Ambition fand man nur selten. Insofern ist auch aus den vergangenen Jahrzehnten wenig in geschätzter Erinnerung geblieben, was mit den internationalen Serienerfolgen von heute mithalten könnte. Doch mittlerweile versucht auch Frankreich, auf den Zug hochklassig erzählter Serien aufzuspringen und auf entsprechende lokale Eigenproduktionen zu vertrauen – für die internationale Vermarktung trommeln sogar die französischen Botschaften.

Wenn der Anspruch „Think Global, Act Local“ gelten soll, könnte gerade «Fais Pas Ci, Fais Pas Ca» Maßstäbe setzen. Zwar sind mehrere amerikanische Development Deals geplatzt; in anderen Ländern liefen hingegen erfolgreiche Adaptionen des Stoffs. Gleichzeitig ist die Serie inhaltlich sehr lokal angelegt, nah an der französischen Lebensrealität erzählt, und spielt gerne mit landestypischen Stereotypen, die jedoch außerhalb des Hexagons nicht überall verstanden werden dürften. Für ein internationales Publikum macht sie das nicht minder lohnenswert.
24.06.2016 15:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/86425
Julian Miller

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