Auch die dritte Verfilmung eines Jussi-Adler-Olsen-Romans kommt als nordisch-herber Crime-Thriller daher.
Filmfacts: «Erlösung»
Kinostart: 09. Juni 2016
Genre: Thriller
FSK: 16
Laufzeit: 112 Min.
Kamera: John Andreas Andersen
Musik: Nicklas Schmidt
Buch: Nikolaj Arcel
Regie: Hans Petter Moland
Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pål Sverre Hagen, Jakob Ulrik Lohmann, Amanda Collin, Johanne Louise Schmidt
OT: Flaskepost fra P (DK/DE 2016)
Das Filmplakat verkündet vollmundig: «Erlösung», der dritte Teil von Jussi Adler-Olsens Romanreihe rund um das Sonderdezernat Q, sei nach «Erbarmen» und «Schändung» jener mit der „größten Spannung“ und damit ja irgendwie auch automatisch „der beste Film“. Das ist ganz schön gewagt und setzt die ersten beiden Filme auch ein Stück weit herab. Dabei muss diese Abstufung gar nicht sein. Schon die erste Fortsetzung fühlte sich so an, als hätten die Dreharbeiten dazu direkt im Anschluss an den Auftakt stattgefunden. Exakt so ist es nun auch bei «Erlösung». Trotz erstmaligem Regiewechsel von Mikkel Nørgaard zu Hans Petter Moland («Ein Mann von Welt») hat sich an der bedrückenden Stimmung sowie der durch und durch pessimistischen Weltsicht innerhalb der dänischen Filmreihe nichts geändert. Die Faszination für die finstersten Ecken innerhalb der menschlichen Seele wird auch in «Erlösung» einmal mehr zur Triebfeder eines im besten Sinne skandinavisch-herben Crime-Thrillers, der mehr noch als seine beiden Vorgänger mit verqueren Moralitäten spielt, die aus ganz normalen Menschen brutale Bestien machen. Dabei würde der Untertitel des Romans – „Flaschenpost von P“ – das auf den ersten Blick gar nicht vermuten lassen.
In Blut geschrieben
Eine Flaschenpost, die auf ihrem Schreibtisch landet, stellt Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und Assad (Fares Fares) vor ein Rätsel. Nur mühsam gelingt es ihnen, ihre Botschaft zu entziffern: Ein mit menschlichem Blut geschriebener Hilfeschrei – das letzte Lebenszeichen zweier Jungen, die vor Jahren spurlos verschwunden sind, die aber niemals als vermisst gemeldet wurden. Wer sind die beiden? Und warum haben ihre Eltern ihr Verschwinden nie angezeigt? Als kurze Zeit später die Entführung eines Geschwisterpaars erschreckende Parallelen zum Flaschenpost-Fall erkennen lässt, wird klar, dass derselbe Täter sein teuflisches Spiel schon seit Jahren unerkannt treibt. Für Mørck und Assad beginnt ein Wettlauf mit der Zeit – um das Leben der entführten Kinder, bald aber auch um ihr eigenes.
Ging es in «Erlösung – Die Frau im Bunker» noch um das Thema Rache, befasste sich «Schändung – Die Fasanentöter» mit den Themen Klassendenken und falschem Ehrgeiz an einem Eliteinternat. „Erlösung“ behandelt Religion und Fanatismus und ist damit in seiner inhaltlichen Adressierung wesentlich umfangreicher als die ersten beiden Filme. Erst recht, da sich der Roman von Jussi Adler-Olsen nicht ausschließlich damit begnügt, sondern den Finger noch tiefer in die Wunde drückt, als er sich in seiner Gewalttätigkeit vornehmlich gegen Kinder richtet. Carl Mørck und sein Kollege Assad müssen es in «Erlösung» mit einem Verbrecher aufnehmen, der sich selbst als Antichrist bezeichnet und seine gefährlichen Fantasien vorzugsweise an Minderjährigen auslebt. Voyeuristisch wird es dabei nie – die Atmosphäre ist in ihrer Düsternis durchgehend bis zum Zerreißen gespannt, sodass Kameramann John Andreas Andersen («Headhunters») gar nicht draufhalten muss, damit sich das Grauen im Kopf des Zuschauers entspinnt. Böse Zungen könnten behaupten, mit dieser zurückhaltenden Inszenierung würde «Erlösung» eher ins Fernsehen passen, sich dem Zuschauer anbiedern und es ihm bequemer machen, die furchtbaren Leinwandereignisse zu ertragen. Gleichzeitig kommt Hans Petter Moland damit aber in jener Tradition daher, mit welcher sich das skandinavische Krimikino (und -Fernsehen – man denke nur an «Wallander») in den vergangenen Jahren so gut bewährt hat: Die nordische Landschaft ist so spröde, die Interaktion unter den Menschen so klar und die Fälle all dieser Erzählungen so jenseits von Anstand und Moral, dass all diese Zutaten einen hervorragend-beklemmenden Thrillercocktail ergeben, der so etwas wie einen Extraschuss Brutalität gar nicht benötigt, um zu schockieren.
«Erlösung» ist tatsächlich von Anfang an relativ durchschaubar. Wenn «Kon-Tiki»-Star Pål Sverre Hagen in einer der ersten Szenen als Haus-Prediger auftritt, inszeniert Hans Petter Moland das Aufeinandertreffen zwischen ihm und den Kindern so unangenehm und bedrückend, dass unterschwellig überhaupt kein Zweifel aufkommt, dass das klassische Whodunit-Prinzip eines Krimis hier nicht zum Tragen kommt. Was folgt, ist keine klassische Verbrecherjagd, bei welcher der Täter erst innerhalb des Finalaktes enttarnt wird. Stattdessen ist «Erlösung» ein klassisches Katz-und-Maus-Spiel, das anders als die ersten beiden Filme auf größere Kulissen baut, temporeich(er) ist und bei welchem die Beweggründe des Täters zu jeder Zeit ersichtlich sind.
Doch der Suspense entwickelt sich nicht allein aus den wahnhaften Fantasien des selbst ernannten Antichristen, dessen psychopatische Züge mit der Zeit immer skurrilere Auswüchse annehmen. Drehbuchautor Nikolaj Arcel, der zum dritten Mal einen Jussi-Adler-Olsen-Roman für die Leinwand adaptiert, seziert förmlich das vom Glauben geformte Verhalten der besorgten Eltern, die selbst im Angesichts einer nahenden Katastrophe jegliche Zusammenarbeit mit der Polizei verweigern. So ganz ausspielen kann Arcel diesen inhaltlichen Trumpf nicht; zu schnell wendet sich das Blatt inhaltlich, dem das Verhalten der Eltern untergeordnet ist. Welche Motivation in diesem Handlungsstrang liegt, ist dennoch zu jedem Zeitpunkt ersichtlich, bleibt allerdings hinter den emotionalen Möglichkeiten zurück.
Düsterer denn je
Was hingegen besonders gefällt, ist einmal mehr die Interaktion innerhalb des Ermittlerduos Carl und Assad. Waren «Erbarmen» und «Schändung» noch über weite Strecken völlig humorbefreit, ist es ausgerechnet das Religionsthema, das in «Erlösung» für eine Handvoll komische Momente sorgt. Der gläubige Assad, einmal mehr hervorragend von Fares Fares («Die Kommune») gespielt, konfrontiert seinen atheistischen Kollegen immer wieder mit seiner fehlenden Religionszugehörigkeit. Dass derartige Rangeleien niemals in eine Art der Überredung münden, kommt dem Film zugute. Das Skript enthält sich jedweder Wertung, betrachtet Glauben und Nichtglauben gleichermaßen und beschäftigt sich vorrangig damit, was passiert, wenn aus einer Leidenschaft Besessenheit wird. Pål Sverre Hagen triumphiert in seiner fordernden, stellenweise nahe an der Karikatur befindlichen Rolle des irren Bösewichts, lässt nie Zweifel an seiner Besessenheit aufkommen und beeindruckt insbesondere im Dialog mit seinen Mitmenschen, durch die sich so etwas wie eine Faszination für seine Figur nicht leugnen lässt. Damit stiehlt er zugegebenermaßen allen die Show – auch Nikolaj Lie Kaas («Kind 44»), der in der Hauptrolle des Carl Mørck erneut überzeugt, ihm diesmal aber keine relevanten, neuen Facetten hinzuzufügen weiß.
Fazit
Jussi Adler-Olsens «Erlösung» ist einmal mehr ein sehenswerter, verstörender Thriller, der verstärkt den Fokus auf die Figureninteraktion der beiden Hauptcharaktere legt und mit einem Bösewicht auftrumpft, der es in sich hat.
«Erlösung» ist ab dem 9. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.
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