Eine Hypnose-Sendung mit Oliver Geissen und C-Promis von der Dschungelcamp-Resterampe - das klingt ebenso wenig seriös wie die Umsetzung dann letztlich auch war. Stattdessen setzte RTL auf Amüsement über sich seltsam und peinlich verhaltende Promis und einen hochtrabend vor sich hin redenden Jan Becker. Für über drei Stunden Sendezeit etwas arg wenig.
Ursprünglich hätte das alles ganz anders laufen sollen: Als RTL mit Tower Productions Gespräche über die Umsetzung einer Hypnose-Sendung führte, dachte der Produktionsarm der BBC eher an eine mehrwöchige Reihe mit normalen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Das allerdings lief den Interessen des Privatsenders zuwider, was insofern nachvollziehbar scheint, dass dieses Thema gerade in der jüngeren Fernsehvergangenheit keineswegs mehr ein TV-Selbstläufer war. Dennoch: Denkt man an Formate, die sich mit dem Thema der Suggestion beschäftigen, dominieren bislang eher Erinnerungen an größere Primetime-Shows, gerne garniert durch eine Kohorte von Prominenten, die das Geschehen auflockern und bloß nicht Gefahr laufen sollen, sich allzu kritisch und differenziert zu äußern. Und damit wäre dann schon ziemlich gut das getroffen, was RTL letztlich ohne Tower Productions am Samstagabend bei
«Schau mir in die Augen - Promis unter Hypnose» angeboten hat.
Unter der Moderation von Oliver Geissen, der aktuell etwas überraschend seinen zweiten Frühling in der RTL-Gruppe feiert und künftig auch als Moinmoin-Oli vom Dienst die Neuauflage von «Ruck Zuck» betreuen soll, lassen sich zehn mehr oder minder prominente Menschen auf den totalen Kontrollverlust ein, den der im Fernsehen bereits diverse Male zuvor in Erscheinung getretene Hypnotiseur Jan Becker verantwortet. Kernpunkt des Konzepts: Die Promis müssen unter Hypnose verschiedene Spiele absolvieren, die allesamt von keinerlei sportlicher Relevanz sind, sondern viel mehr dazu dienen, sie in amüsante bis peinliche Situationen zu bringen. Mit der finalen Umsetzung ist Endemol Shine beauftragt worden - die übrigens am Samstagabend auch die Katzenberger-Hochzeit bei RTL II sowie das «ProSieben Länderspiel» in Szene setzten und damit wohl kaum gänzlich ohne Quoten-Enttäuschungen über die Runden kommen dürften.
Wie aber lief die Sendung nun ab? Nunja, zunächst einmal mit einem mäßig ambitionierten Versuch, den kritischen Zuschauer davon zu überzeugen, dass er doch bitte all das, was ihm in der Folge präsentiert werden wird, für bare Münze nehmen soll. Das Problem daran: Gesichter wie Joey Heindle, Walter Freiwald oder Patricia Blanco haben eine derart... nennen wir es einschlägige TV-Geschichte hinter sich, dass man ihnen doch relativ viel zutraut, wenn am Ende des Abends eine saftige Gage und bestenfalls noch eine Folgeverwertung in einer anderen Show winkt. So taugen weder die "Gruppenhypnose" zu Beginn noch die zum Teil abstrusen Handlungen während der Spiele zur Authentisierung. Und dass sich beim "Hypnose-Casting" kein Einziger der 40 Prominenten der Strahlkraft Jan Becker entziehen konnte, erscheint doch reichlich unwahrscheinlich, wenn auf der anderen Seite doch mehrfach darauf verwiesen wird, dass Hypnose nicht in jeder Situation bei jedem Menschen funktioniert.
Aber das wäre sicherlich verschmerzbar gewesen, hätte der Zuschauer eine ansonsten stimmige, abwechslungsreiche und im besten Falle auch noch lehrreiche Sendung geboten bekommen. Einen gewissen didaktischen Duktus versucht Becker in seinen ausufernden Ausführungen über die Kunst der Suggestion zwar durchaus an den Tag zu legen, doch wirken diese Momente dann mitunter eher wie Realsatire, wenn auf die hochtrabenden Monologe das nächste unsinnige Spiel folgt, in dem Thomas Rupprath wahlweise Palmen oder Oliver Geissen antanzt, wenn dieser nicht die stets empfehlenswerte Armlänge Abstand hält, sich Joey Heindle (nicht nur aufgrund der Wahl seiner Fernsehauftritte) sehr, sehr nackt fühlt oder Michaela Schaffrath einen Fußball-Schiedsrichter mit der Autorität eines schlechten Standup-Comedians mimt.
Seien wir fair: Ja, manche dieser Aktionen haben durchaus ihren Unterhaltungswert. Beispielsweise bei nahezu jeder Joey-Aktion oder dann, wenn sich Walter Freiwald aufdringlich ins Kamerabild rückt, ein Mehrwert ist damit allerdings mitnichten verbunden. Das dürfte RTL weitaus besser verschmerzen können als die Problematik, dass die Show ihre über drei Stunden andauernde, und somit viel zu üppig angesetzte Sendezeit nicht zu tragen imstande ist. Durch Publikumshypnosen, Einspielfilmchen und der generellen Zelebrierung einer jeden Hypnose durch Becker bemüht man sich zwar darum, die Zeit möglichst subtil und wenig offensichtlich zu schinden, aber dieser Plan geht nur sehr bedingt auf.
Neben der generellen Problematik, dass der Privatsender hier wieder einmal zu ängstlich ist, seinem Publikum einmal mehr als sein bekanntes Show-Einerlei mit den üblichen Protagonisten, Kulissen und strukturellen Elementen anzubieten, kommt hier noch hinzu, dass die große Zeit der Uri Gellers und David Copperfields weitgehend vorbei scheint und es keinen mehr hinter dem Ofen hervorlockt, wenn der nächste TV-Zauberer, -Mentalist oder -Illusionist seine Kunst vollführt. Becker darf man gegenüber anderen Gestalten in diesem Genre zwar zugute halten, dass er sich nicht als irgendeine übersinnliche Lichtgestalt stilisiert, die von Rigel 7 zur Erde geschickt wurde, um im werbefinanzierten Fernsehen C-Promis alberne Grimassen schneiden zu lassen. Aber ob das Prinzip "Hypnotiseur manipuliert Stars und Sternchen so, dass sie bescheuerte Dinge tun" wirklich noch der Stoff ist, mit dem sich im Jahr 2016 die Massen faszinieren lassen? Es darf angezweifelt werden.
Wie hat Ihnen der Auftakt von «Schau mir in die Augen» gefallen?
So ist «Schau mir in die Augen» letztlich nur ein weiteres Unterhaltungsprodukt einer Fernsehlandschaft, die sich seit dem Ende von «Wetten, dass..?» und «Schlag den Raab» weitgehend aufgegeben zu haben scheint. Zumindest bei der Entwicklung neuer Formate, die von größerer Relevanz sind. Stattdessen ist es nunmehr bereits ein Erfolgsfall, den einen oder anderen Abend mit zumindest überdurchschnittlichen Quoten hinter sich gebracht zu haben. Mit altbekannten Nasen werden altbekannte Inhalte reproduziert, der schnelle Lacher soll den Wegschalt-Reflex im Zaum halten, sodass die Quotenboxen zwischen 20:15 Uhr und 23:30 Uhr möglichst lange auf RTL geschaltet bleiben mögen. Oft genug ist der Sender mit dieser Mutlosigkeit bei der Kreation neuer Shows in den vergangenen Jahren baden gegangen, während Schwestersender VOX mit positivistischeren Ansätzen zum Publikumsverhalten einige schöne Erfolge kreierte. Gut möglich, dass auch diese inspirationsarme Promi-Blödelshow mit mäßig hypnotisierender Wirkung schon sehr bald auf dem Scheiterhaufen der Fernsehgeschichte landen wird.
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05.06.2016 07:51 Uhr 1
05.06.2016 08:28 Uhr 2