Cast & Crew
Vor der Kamera:
Stefanie Stappenbeck («Ein starkes Team») als Marie Baumgartner, Matthias Koeberlin («Der klügere zieht aus») als Markus Baumgartner, Christina Hecke («Hopfensommer») als Heike Steiner, Götz Otto («James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie») als Hans Steiner und viele mehr
Hinter den Kulissen:
Regie: Tobi Baumann, Buch: Martin Dolejš und Johann A. Bunners, Musik: René Dohmen und Jumpel Dürbeck, Kamera: Michael Boxrucker, Schnitt: Eva Lopez Echegoyen, Produzenten: Susanne Flor und Wolfgang Cimera, Produktion: Network Movie
Fast zehn Million Klicks hat Julia Engelmann mittlerweile für ihren Poetry Slam bekommen, in dem sie 2013 dazu aufrief zu Leben und seine Träume auszuleben. Sie tat das so wenig subtil,
dass sogar Jörg Pilawa die Tränen kamen. Nein, so schlicht und zugleich aufmerksamkeitswirksam ist der ZDF-Spielfilm
«Neid ist auch keine Lösung» keineswegs, doch er schlägt in eine ähnliche Kerbe. Markus und Marie Baumgartner sind eigentlich ein Vorzeigepaar. Doch nach Jahren der Ehe ist zwischen Kindererziehung und Arbeitsalltag vieles auf der Strecke geblieben. So richtig scheint das beiden aber gar nicht bewusst zu sein. Marie fällt es erst dann auf, als die Partner zu Besuch sind bei Maries alter Freundin Heike in ihrer alten Heimat auf dem bayerischen Land, um deren Geburtstag zu feiern. Und Heike hat sich ihre Träume mal so richtig erfüllt: Mit ihrem großen, dunkelhaarigen Mann hat die mittlerweile 40-Jährige nicht nur privaten Erfolg, auch beruflich hat sie alles erreicht. Als Fotografin jettet sie um die Welt und tut genau das, was sie sich als Teenie schon gewünscht hat.
Marie hingegen erkennt, dass sie ziemlich weit von dem Weg ist, was sie sich ursprünglich mal vorgestellt hat. Obwohl sie ja eigentlich nicht unzufrieden ist, fühlt sie sich nun im Mittelmaß gefangen. Und so keimt in ihr ein gewisser Neid auf. Markus kann das alles nicht verstehen, vor allem nicht, weil er zum Punchingball seiner Frau wird, die plötzlich ihr gesamtes Leben umkrempeln will. Der geneigte Zuschauer weiß: Die Affäre wartet an der nächsten Ecke. Und ehe man sich versieht ist auch schon Flori (Stephan Luca) da, Maries alter Jugendschwarm. Der lebt ganz romantisch auf einer Farm in den Bergen, macht ganz nebenbei die große Kohle und hat anders als ihr Markus auch noch volles Haar. Dass Marie sich in ihrer alten Heimat nicht traut zu erzählen, dass sie „nur“ Arzthelferin ist und daher allen auftischt, dass sie Ärztin geworden sei, wird da schon fast zur Randnotiz.
Im Kreislauf gefangen?
Steckbrief
Frederic Servatius schreibt seit 2013 für
Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für
Rezensionen und
Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an
seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als
@FredericSrvts zu finden.
Markus hingegen, zunächst verzweifelt ob der Anfälle seiner Gattin, versucht alles um seiner Geliebten weiterhin zu gefallen und jagt seinem alten Traum nach: Er will endlich seinen Roman veröffentlichen, den er zwar in Rohfassung auf dem heimischen Computer liegen hat, den er aber doch eigentlich ganz mies findet. Wie passend, dass auf Heikes Geburtstagsfeier eine Verlegerin zugegen ist – und Markus auch noch aus dem Buch lesen soll. Oh Wunder: Die Dame ist nicht nur von dem Schriftwerk beeindruckt, sondern auch von dem Kerl dahinter. Genauso übrigens wie die Schnattertanten des Dorfs, die ihrerseits auf das Pärchen Markus und Marie neidisch sind. Dass Markus sich aufgrund der Gebärden seiner Frau nicht traut zu erzählen, dass er nicht weiß, wie man Golf spielt, wird da schon fast zur Randnotiz. Der Kreislauf allerdings wird umso deutlicher, die Botschaft schon hier so klar wie der Pool von Heike: Der eine oder andere kann es vielleicht besser verstecken, aber Probleme haben letztlich alle. Nur was genau es ist, das Heike und ihren Gatten Hans beschäftigt, ist noch nicht ganz klar. So viel sei verraten: Es ist eines der naheliegenden Dinge.
Doch bei den Problemen der Baumgartners hat der Malermeister doch ein wenig tief in den Klischeefarbtopf gegriffen: Die Tochter verlangt (genau in dieser Formulierung) das „neue Smartphone“, schließlich hätten das ja alle und es koste im neuen Angebot sogar nur einen Euro. Während sich Marie mit ihrer arroganten Chefin rumschlägt, muss der Zuschauer mit Popmusik von früher Vorlieb nehmen. Wenn die beiden also versuchen ihren zweiten Frühling zu erleben wird das mit „Forever young“ untermalt, wenn sie an das denken, was hätte sein können gibt es „Dreams of my reality“ zu hören. Botschaft angekommen. Immerhin: Erzählt wird die Geschichte in launiger Manier. Wenn Marie einen Wettkampf mit den im Zimmer über ihnen kopulierenden Gastgebern anfängt, wirft Markus wütend ein: „Was ist das hier? Jugend trainiert für Olympia?“ Zudem ertappt man sich als Zuschauer auch immer wieder, wie man sich in die sommerhafte Leichtigkeit des Lebens hineinwünscht, ehe die Gedanken jäh in die Realität zurückschnellen: Klar, mal geht das mit dem Ausbrechen. Aber wir haben es ja eigentlich schon verstanden: Probleme gibt es überall.
Was ist schlimmer als verlieren?
Trotz alledem tanzt Markus zu „I’m sexy and I know it“, fühlt sich befreit und ärgert sich im nächsten Moment, dass seine Marie, die das Feuer einfordert sein Feuer nicht befeuert. Ja brennt’s denn bei Euch? Nein, nicht wirklich. Denn zum Finale passiert halt genau das was zu erwarten ist, wenn man die Botschaft eben vorher schon verstanden hat. Immerhin gibt es dabei mehrdeutig-launige Dialoge. Nicht nur von der Metamorphose einer traurigen Raupe wird dann gesprochen, es gibt auch den lauen Gag zu Markus und Maries Wahlheimat in Nordrhein-Westfalen: „Was ist schlimmer als verlieren? Siegen!“ Und während man sich so zum Finale kalauert wird das Fazit noch einmal auf dem Silbertablett serviert: Fast hätte sie was verpasst, die Marie. Aber damit meint sie nicht die ganzen verruchten Abenteuer.
Als Zuschauer hingegen verpasst man nicht wirklich etwas. Wenn man so verrückt ist, dass man „Geronimo“ rufen möchte (wie es die Protagonisten in ihrer grenzenlosen Ausgelassenheit tun), dann schaltet man an diesem Abend das ZDF ein. Aber im Ernst: Ein wenig zum Denken regt «Neid ist auch keine Lösung» schon an. Nicht ganz so plump wie Julia Engelmann fordert die Produktion auf, sein Leben zu leben, aber eben nicht um jeden Preis die Träume der Jugend zu verwirklichen. Manchmal ist auch das was man hat in Kombination mit ein bisschen Leidenschaft genug. Und wer weiß: Vielleicht springt ja dann doch der Debütroman dabei raus. Dann sind auch für Markus „Einbaukinder und 2 Küchen“ genug für eine Zukunft. Für einen ganzen Film ist das aber vielleicht doch ein bisschen zu wenig. Es sei denn, man bricht bei Julia Engelmann schon in Tränen aus.
«Neid ist auch keine Lösung» läuft am Donnerstag, 2. Juni um 20.15 Uhr im ZDF.
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