«Marhaba» hat ihn bekannt gemacht – jetzt bekommt er eine eigentliche Talkshow beim Nachrichtensender. Im Exklusiv-Interview verrät der Journalist, weshalb er sich nicht als absoluten Flüchtlingsbefürworter sieht und warum er Integrations-Fernsehen skeptisch gegenübersteht.
Seine neue Sendung
Constantin Schreiber präsentiert bei n-tv künftig «Schreiber vor Ort». Die erste Folge soll am Donnerstag, den 9. Juni, zu sehen sein und wird an diesem Tag sowohl um 17:10 Uhr als auch um 23:10 Uhr über den Äther gehen. In der ersten Folge kurz vor der Fußball-Europameisterschaft geht er Fragen auf den Grund, die alle beschäftigen: Wie kann man Sicherheit während der Public Viewings garantieren? Und müsste man große Menschenansammlungen eigentlich meiden?Herr Schreiber, vergangenen Herbst haben wir schon einmal gesprochen – damals flüchteten täglich mehrere 10000 Menschen nach Deutschland. Heute hat sich die Lage entspannt. Wie sehen Sie die Lage von damals heute?
Naja, man hat damals zu Beginn in Deutschland eigentlich eine große Euphorie und eine unglaubliche Willkommens-Kultur wahrgenommen. Im Internet, im Fernsehen und im Radio gab es kaum mehr ein anderes Thema. Das kannten wir so ja auch von der Euro-Rettung oder der Ukraine-Krise, die Flüchtlingskrise hat uns aber deutlich länger in Atem gehalten. Die Nachfrage und das Informations- und Kommunikationsbedürfnis der Menschen war riesig. Die gigantische Zahl der Flüchtlinge hat da sicher dazu beigetragen. Inzwischen sind glaube ich alle ziemlich froh, dass wir mal durchatmen können, weil es in diesem Thema gerade auch nichts mehr zu besprechen gibt. Irgendwie wurde alles schon gesagt. Sicherlich war eine Zeit lang auch eine ziemliche mediale Schnappatmung eingetreten. Was ich aber auch sagen will: Nur weil weniger berichtet wird, sind nicht alle Probleme gelöst. Viele gehen sogar jetzt erst los, denn es müssen um die eine Million Menschen integriert werden.
Sie waren damals auch in vielen Talkshows eingeladen – weil sie eine Sendung für Flüchtlinge auf n-tv.de gemacht haben übrigens oft ein bisschen in der Befürworter-Rolle. Hat Sie das selbst gestört?
War das so? Ich habe mich eigentlich immer auch kritisch geäußert. Bei meinem «Anne Will»-Auftritt habe ich klar gesagt, dass das nicht nur friedliebende Menschen sind, die da zu uns gekommen sind. Das ist ein Durchschnitt der Bevölkerung von Syrien. Und natürlich sind da Kriminelle dabei. Da sind ehemalige Kämpfer der syrischen Armee dabei. Die sehr positive „Refugees Welcome“-Welle fand ich damals schon übertrieben. Ich denke auch, dass sich einige Gäste bei «Hart aber fair» gewundert haben, wie kritisch ich manche Dinge gesehen habe. Ich bin einigen da schon ziemlich in die Parade gefahren. Möglich aber, dass ich auf dem Tableau immer eher den Befürwortern zugeordnet wurde…
Sie haben vor Kurzem berichtet, dass Ihre Sendung «Marhaba» eine nicht unbeachtliche Zahl an Klicks auf der Balkan-Route holt…
Man muss da ein bisschen vorsichtig sein. Wir wissen, dass die Sendung etwa 50 Prozent ihrer Zuschauer außerhalb von Deutschland holt. Das ist für ein Format eines deutschen Nachrichtensenders ungewöhnlich. Und dann wissen wir, dass viele dieser Abrufe aus Ländern kommen, die auf der Balkan-Route liegen. Mehr können wir aber genau nicht angeben. Wir freuen uns aber darüber.
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Wir haben eine Sendung angeboten, die zweifelsohne von Flüchtlingen und in der arabischen Welt auch konsumiert wurde. Es ist aber sehr schwer konkretes Integrations-Fernsehen zu machen – so wie es von einigen gefordert wurde. Das hat für mich immer den Anstrich von Schul-Fernsehen.
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n-tv Moderator Constantin Schreiber über «Merhaba»
Würden Sie denn sagen, dass Sie Ihre Ziele mit dem Format erreicht haben?
Ich bin da sehr realistisch und halte mir immer vor Augen, welche Aufgabe Medien überhaupt haben können. Das Verhalten von Menschen lässt sich ja oft nur schwer steuern. Wir haben eine Sendung angeboten, die zweifelsohne von Flüchtlingen und in der arabischen Welt auch konsumiert wurde. Es ist aber sehr schwer konkretes Integrations-Fernsehen zu machen – so wie es von einigen gefordert wurde. Das hat für mich immer den Anstrich von Schul-Fernsehen. Auch in der Kürze unserer Clips konnten wir immer nur begrenzt Informationen vermitteln. Was wir wollten, war ein Signal zu senden, dass wir sehr offen sind, gleichzeitig aber auch von den Flüchtlingen diese Offenheit erwarten. Das hat meines Erachtens nach funktioniert.
Nach den Ereignissen in der Silvester-Nacht ist die Stimmung dann spürbar gekippt…
Ich glaube, dass das ein Prozess war, der schon vor Silvester begonnen hatte – aber klar, die Vorfälle haben dazu beigetragen. Die sehr positive Einstellung zu Beginn der Krise war sicherlich getriggert durch die Bilder von toten Kindern an Stränden oder Meldungen von toten Kindern in Lastwagen in Österreich. Auch wenn ich jetzt wieder Bilder von Kindern aus der Türkei sehe – das geht absolut durch Mark und Bein. Es gab also damals diese großen Emotionen – und die haben irgendwann nachgelassen, sodass man dann mehr auf die entstehenden Probleme schauen konnte. Man hat sich dann ein bisschen der Wirklichkeit angenähert.
Sie haben da ja schon sehr viel Unterstützung von Ihrem Sender erhalten…
Es war vor allem eine sehr mutige Entscheidung meines Senders, eine solche Sendung und dann auch eine Talkshow großteils auf Arabisch zu machen. Ich kenne keinen oder kaum einen anderen Sender, der sich das getraut hätte. Ich bin mir recht sicher, dass sich öffentlich-rechtliche Sender damit schwer getan hätten, nicht zuletzt, weil die Öffentlichkeit da ja auch recht skeptisch war. Deshalb ist die Sendung, die wir bei n-tv gemacht haben, wirklich etwas ganz Besonderes. Ich bin wirklich nicht der PR-Beauftragte des Senders, aber das fällt mir auch an anderen Stellen im Programm auf, etwa wenn ich an den Talk mit Serdar Somuncu denke. Da entdecke ich einen großen kreativen Anspruch und tolle Ideen, die für die Zuschauer gemacht werden und nicht in erster Linie für eine gute Quote.
Gab es eigentlich noch weitere Rückmeldungen konkret zu Ihrem Formaten?
Die gibt es bis heute. Erst kürzlich wurde ich wieder auf der Straße erkannt von einer Gruppe Jugendlicher, alle um die 20. Keine Flüchtlinge, aber arabischstämmig. Die haben mich angesprochen, dass meine Sendung „voll Niveau“ gehabt hätte – was in Neukölln zweifelsohne ein Kompliment ist. Auch wenn ich bei mir im Sportstudio bin, werde ich von einigen Flüchtlingen dort auf das Format angesprochen. Man sieht also, dass es wirklich angenommen wurde.
Es hat Ihnen also ein bisschen zu einem Karrieresprung verholfen.
Ich mag das Wort „Karriere“ in dem Zusammenhang nicht ganz so gerne. Das klingt so geplant, war es aber nicht. Grundsätzlich stimmt das, was Sie sagen, aber schon. Für mich war das letzte Jahr eine sehr anstregende Zeit, auch weil sich viele Dinge so wahnsinnig schnell entwickelt haben. Ich hatte aber nie als Ziel, konkret von dieser Situation zu profitieren. Da war keine Darstellungsabsicht dahinter und ehrlich gesagt war diese Entwicklung für mich auch überhaupt nicht absehbar.
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Auch im Talk ist es nun meiner Meinung nach einfach mal Zeit für neue, frische und junge Gesichter.
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n-tv Moderator Constantin Schreiber
Jetzt bekommen Sie demnächst bei n-tv aber eine eigene Talkshow. «Schreiber vor Ort» läuft erstmals am 9. Juni. Das muss man anschauen, weil…
…man mich dann auch mal mit Themen abseits der Flüchtlingskrise erlebt. Für mich ist das eine ganz wunderbare Gelegenheit, weil ich glaube, dass ich schon noch einiges anderes auf’m Kasten habe. Auch im Talk ist es nun meiner Meinung nach einfach mal Zeit für neue, frische und junge Gesichter.
Danke für das Gespräch, Herr Schreiber.
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