Der Hindernis-Parcours am Anfang der «100.000 Mark Show» ist längst vergessen: In diesem Jahr stoßen RTL und Netflix in neue Action-Dimensionen vor. Über einen Showtrend, der nur noch Superlative kennt.
Dass Fernsehtrends in Zyklen verlaufen, ist nichts Neues mehr. Dass sie aber wohl auch vor den Streaming-Anbietern nicht Halt machen, ist dagegen eine spannende Beobachtung: In diesem Jahr produziert Netflix eine Action-Spielshow namens «Ultimate Beastmaster» und weckt damit schnell Assoziationen zu «American Ninja Warrior», das in diesem Jahr bei NBC in die siebte Staffel geht. Dort hat sich das Format in den letzten Jahren erfolgreich als Sommerhit etabliert. In beiden Shows geht es darum, einen ultraschweren Hindernis-Parcours zu meistern, und das in der bestmöglichen Zeit. Hunderte Kandidaten treten an, nur wenige schaffen es in die nächsten Runden und bis zum großen Finale. Apropos Trend: Beide Formate werden dieses Jahr in Deutschland zu sehen sein, derzeit produziert RTL «Ninja Warrior Germany» (siehe Infobox). Die Zuschauer können sich auf eine schweißtreibende zweite Jahreshälfte einstellen.
Der große Erfolg von «American Ninja Warrior» kam nicht plötzlich, sondern langsam: Mitte der 2000er begann man in den USA mit der Ausstrahlung des japanischen Originals «Sasuke», das weniger als sportliche Herausforderung inszeniert ist, sondern eher als lustiges
happening, bei dem auch zufällig mal jemand gewinnt. In den fast 20 Jahren seiner Produktion haben nur fünf Kandidaten alle vier Hindernis-Parcours gemeistert – bei mehreren tausend Teilnehmern. Wer den DSF-Klassiker «Takeshi’s Castle» noch kennt, wird sich an den Charakter dieses japanischen Spiels erinnern. In den USA wurde «Sasuke» bei einem Nischenpublikum trotzdem sehr erfolgreich, weshalb der Gameshow-Sender G4 beschloss, auch amerikanische Kandidaten dort antreten zu lassen. Ab 2009 baute man dann seinen eigenen Parcours und filmte in den USA – «American Ninja Warrior» war geboren. Und ab Staffel 3 wagte sich der große Sender NBC an vereinzelte Ausstrahlungen, die so erfolgreich waren, dass man das Programm immer mehr ausbaute. 2015 hatte man Rekordquoten.
Der Reiz des Wettkampfs
In den 90ern waren solche Action-Spielshows schon einmal so angesagt in den USA: «American Gladiators» mag die bekannteste Variante sein, es gab aber auch solche Auswüchse wie «Beach Clash» oder «Blade Warriors». Diese Art Sport-Entertainment kam auch ins deutsche Fernsehen, unter anderem mit dem berühmten Hindernis-Parcours in der «100.000 Mark Show» oder dem «Champions Day» in Sat.1. Vor ein paar Jahren gab es «Wipeout», wiederum der Ableger eines amerikanischen Franchises, das an den internationalen Erfolg von «Ninja Warrior» allerdings nie herankam.
Warum diese Formate immer wieder so erfolgreich sind, lässt sich schwer beziffern. Dass es im Fernsehen immer kompetitiver zugeht, ist eine Beobachtung – siehe Castingshows oder Reality-Formate wie «The Biggest Loser», in denen Menschen auch gegeneinander antreten, nur auf andere Art. «Ninja Warrior» ist da nur die konsequenteste, puristische Form des Wettkampfs. Die „New York Times“ mutmaßte, dass der Erfolg auch gesellschaftspolitische Gründe haben kann: Wenn die Nation schon in so vielerlei Hinsicht Tendenzen des Abstiegs zeigt, so gibt es wenigstens diese eine Bastion, in der man immer besser wird – und sei es nur ein japanischer Hindernis-Parcours. Richtig ist zumindest, dass die Show ein wenig den
american dream heraufbeschwört, der in der Realität immer mehr zum unerreichbaren Mythos verkommt. Kandidaten werden beispielsweise in separaten Einspielern vorgestellt, ihr manchmal trauriges Schicksal beleuchtet. Das gibt Identifikationspotenzial, und der Zuschauer fiebert mit: Für den Gewinner der Staffel gibt es eine Million US-Dollar.
Ein solches Identifikationspotenzial inmitten eines globalen Wettkampfs will auch Netflix erzeugen. Für das Unternehmen ist seine kommende Show «Ultimate Beastmaster» ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem vollumfänglichen Programmangebot. Eigenproduzierte Serien bleiben das Flaggschiff des Mediengiganten, aber allein damit kann man nicht jede Zielgruppe ködern. Schon im vergangenen Jahr rüstete man auf, zeigt mittlerweile Filme und immer mehr Dokumentationen. Das Reality-Genre wird das
next big thing bei Netflix, und «Ultimate Beastmaster» ist davon nur der Anfang. Warum man bisher so zögerlich in diesen Gefilden fischte, ist ohnehin fraglich. Schließlich sind Reality-Formate günstiger herzustellen als Fiction, und ihr Siegeszug im amerikanischen Fernsehen der letzten 20 Jahre ist ungebrochen. Genau dies aber ist vielleicht auch der Stolperstein: Ein Überangebot an Reality ist nicht wegzudiskutieren, insofern muss Netflix laut in den Markt einsteigen, mit Formaten, die von sich reden machen.
Genau darauf ist auch «Ultimate Beastmaster» getrimmt, das noch härter und konsequenter daherkommen soll als das offensichtliche Vorbild «Ninja Warrior». Allein der globale Anspruch macht die Produktion einzigartig. Teilnehmer aus sechs Ländern – darunter den USA, Japan und Deutschland – treten zunächst national gegeneinander an, bevor sich in der letzten Episode die jeweils Landesbesten international messen. Ein Land wird schließlich als Sieger hervorgehen. Weiterhin will Netflix nicht einfach nur Sportler gegeneinander antreten lassen – sondern vor allem gegen das „Beast“, wie der Parcours auch genannt wird. Es soll eine Geschichte erzählt werden, sagt der Produzent der Show: „Die Mythologie hinter dem ganzen Spektakel will Fans auf der ganzen Welt begeistern.“ Das erste Teaser-Plakat zeigt einen stählernen Teufelskopf, mit spitzen Zähnen und roten Augen. Wüsste man es nicht besser, man würde an die Werbung für ein neues Fantasy-Rollenspiel auf der PlayStation glauben. Na dann: Lasset die Spiele beginnen.
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