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Adolf Winkelmann: 'Nach einer übergeordneten Logik zu suchen, ist einfach falsch'

Quotenmeter.de im Gespräch mit dem «Junges Licht»-Regisseur Adolf Winkelmann: Wie denkt die Filmförderung über das Ruhrgebiet? Welche stilistischen Innovationen erlaubt der Digitalfilm?

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Wenn ich heute den Fernseher an mache und ein Historienfilm läuft, dann sehe ich immer diese hässliche Farben, diese matschig-braunen Sepiatöne. Anscheinend ist das der Weg, um es historisch aussehen zu lassen. Meine Erinnerung an die frühen 60er-Jahre ist dagegen in Schwarz-Weiß.
Adolf Winkelmann
Wann haben Sie die jeweiligen Formatwechsel festgelegt? Wurden die Szenen entsprechend gedreht, entstand alles in der Post-Produktion?
Darüber haben mein Kameramann, David Slama, und ich, von Anfang an nachgedacht. Wir haben uns mit dieser Frage sehr gequält. Wenn ich heute den Fernseher an mache und ein Historienfilm läuft, dann sehe ich immer diese hässliche Farben, diese matschig-braunen Sepiatöne. Anscheinend ist das der Weg, um es historisch aussehen zu lassen. Meine Erinnerung an die frühen 60er-Jahre ist dagegen in Schwarz-Weiß. Die Zeit war einfach Schwarz-Weiß für mich. Erst Mitte der 60er, als das Farbfernsehen aufkam, änderte sich das. Daher stellte sich mir überhaupt die Frage, ob der Film auf Farbe verzichten sollte. Andererseits ist Farbe ein wichtiges Gestaltungsmittel. Daher haben wir beschlossen, ihn durchweg wie einen Schwarz-Weiß-Film zu beleuchten, uns aber immer offen zu lassen, Stellen des Films in Farbe zu zeigen.

Weshalb haben Sie beschlossen, die Entscheidung komplett auf die Post-Produktion zu vertagen, statt bereits vorab festzulegen, was in Farbe, Schwarz-Weiß, in Breitbild oder 4:3 gezeigt wird und beim Dreh entsprechend vorzuplanen?
Wir arbeiten heute mit einem völlig anderen Medium als zu Analogzeiten. Der digitale Film hat nicht mehr viel mit dem analogen Film gemeinsam, genauso wie die digitale Fotografie eine ganz andere ist als die analoge. Ein dokumentarisches, analoges Foto von früher, das war so, wie es nun einmal war. Es hatte einen Bezug zur Realität. Bei einem digitalen Foto gibt es, für mich, diesen Bezug nicht mehr, weil ich weiß, dass jedes einzelne Bestandteil des Bildes bearbeitet werden kann. Für die Arbeit im Film bedeutet der Wechsel von analog zu digital: Früher habe ich bei Kodak angerufen, und eine bestimmte Nummer an Schwarz-Weiß-Filmrollen bestellt, wenn ich einen Schwarz-Weiß-Film drehen wollte. Und wenn ich einen Farbfilm drehen wollte, musste ich nun einmal die benötigte Menge an Material dafür bestellen. Diese Entscheidung stand ganz am Anfang der Produktion. Das gibt es nicht mehr. Wir haben nun alle denkbaren Möglichkeiten, Farbe oder Schwarz-Weiß
Wir haben nun alle denkbaren Möglichkeiten, Farbe oder Schwarz-Weiß einzusetzen und uns auch erst im Nachhinein darüber Gedanken zu machen. Für mich ist dieser Umgang mit Farbe oder Schwarz-Weiß zu einer ganz alltäglichen Frage geworden, so wie auch die Frage, ob ich eine Nahaufnahme oder eine Totale mache oder wo ich im Bild die Schärfe lege.
Adolf Winkelmann
einzusetzen und uns auch erst im Nachhinein darüber Gedanken zu machen. Für mich ist dieser Umgang mit Farbe oder Schwarz-Weiß zu einer ganz alltäglichen Frage geworden, so wie auch die Frage, ob ich eine Nahaufnahme oder eine Totale mache oder wo ich im Bild die Schärfe lege.

Und auch über das Bildformat kann ich nun frei entscheiden. Früher war das Format eines Films auf der Leinwand durch schwarze Samtvorhänge begrenzt. Sie wurden festgezogen, damit das Bild eine scharfe Kante erhält, denn ein analog projiziertes Bild hatte ja keine scharfe Begrenzung, sondern war am Rand ausgefranst. Ein Formatwechsel mitten im Film hätte also bedeutet, dass die Vorhänge dauernd neu gezogen werden müssten, was für die Vorführung ein reiner Albtraum wäre. Das digitale Bild hingegen hat eine scharfe Kante, auch ohne die schwarzen Samtvorhänge.

Mit den Formatwechseln sind Sie, angesichts der gewonnenen Möglichkeiten des Digitalfilms, also genauso frei umgegangen wie mit dem Farbgebrauch …
Ich habe beim Zurückdenken an diese Zeit festgestellt, dass meine Erinnerungen durch dieses klassische Academy-Format und das 4:3 der alten Fernsehapparate begrenzt sind. Es war für mich also klar definiert: Wenn ein Bild alt aussieht, hat es mit dem Format zu tun. Diese Möglichkeit, das Bild durch formale Aspekte alt aussehen zu lassen, wollte ich vollkommen frei nutzen. Es war mir klar, dass am Anfang des Films, wenn solch ein Wechsel zum ersten Mal passiert, Cineasten und all jene, die sich nicht allein für die Geschichte, sondern für solche gestalterischen Dinge interessieren, sofort nach Bedeutung fragen werden … (lacht) Der normale Zuschauer, der bemerkt das am Anfang auch und fragt sich vielleicht kurz, weshalb das passiert, doch dann vergisst er das vollständig.

Es gibt im Film 40 Wechsel von Schwarz-Weiß zu Farbe oder umgekehrt und ungefähr genauso viele Wechsel des Formats. Das nimmt über die Dauer niemand mehr wahr. Und das gibt mir die Möglichkeit, jedes einzelne Bild zu fragen: „Wie siehst du am besten aus? Wie kann ich dich am besten präsentieren, damit das, was ich erzählen will, und damit das, was in dir zu sehen ist, am besten rüberkommt?“ Und in der Post-Produktion kann man das heutzutage ja beliebig ausprobieren, so lange, bis ich für jede Szene die richtige Entscheidung getroffen habe. Die digitale Filmtechnik gibt mir diese vielen Optionen und ich denke, die Zuschauer werden lernen, damit umzugehen. Es kommt ja auch immer häufiger in Filmen vor, dass mit dem Bildausschnitt gespielt wird. Bei «Grand Budapest Hotel» etwa gibt es auch diverse Formatwechsel …

Ich hatte zum Beispiel häufig das Gefühl, dass die Farbe eine überflüssige Information ist und ich viel näher an den Kern der Szene gelange, wenn ich sie weglasse. Andere Male hatte ich dagegen das Gefühl, dass ich die Farbe brauche, etwa, wenn sich Julian zu Beginn des Films in die Faust schneidet. Wenn ich die Möglichkeit habe, das Blut rot zu zeigen, dann will ich es auch rot zeigen. Es gibt also immer ganz objektive Gründe, weshalb ich es mal so gemacht habe und mal so
Adolf Winkelmann über den Umgang mit Farbe in «Junges Licht»
Wobei dieser Film den Seitenverhältnissen eine strenge Logik zuordnet – dort sind die Erzählebenen durch das Format getrennt. Sie haben die formalen Wechsel nach rein ästhetischen Punkten getroffen ..?
Richtig. Ich hatte zum Beispiel häufig das Gefühl, dass die Farbe eine überflüssige Information ist und ich viel näher an den Kern der Szene gelange, wenn ich sie weglasse. Andere Male hatte ich dagegen das Gefühl, dass ich die Farbe brauche, etwa, wenn sich Julian zu Beginn des Films in die Faust schneidet. Wenn ich die Möglichkeit habe, das Blut rot zu zeigen, dann will ich es auch rot zeigen. Es gibt also immer ganz objektive Gründe, weshalb ich es mal so gemacht habe und mal so. Da aber nach einer übergeordneten, rationalen Logik zu suchen, ist einfach falsch. Ich kann aber verstehen, dass manche Menschen das tun, wenn ihnen so etwas beim Film zum ersten Mal begegnet. Allerdings ist das bei allen filmischen Gestaltungsmitteln in der Geschichte so gewesen. Als man erstmals anfing, Menschen nicht mehr nur von Kopf bis Fuß zu fotografieren, wurde auch nach Bedeutung gesucht. Auch eine Auf- und Abblende hatte im Film früher eine festgelegte Bedeutung: Es bedeutete, dass zwischen zwei Szenen viel Zeit vergangen ist. Das ist heute aber nicht mehr so, wir können mittlerweile frei mit diesem Stilmittel umgehen.

Und um auf meine anfängliche These zurückzukommen, «Junges Licht» sei eine sehr kritisch reflektierende Auseinandersetzung mit der damaligen Zeit: Auch wenn Sie mit dem engen Bildformat und Schwarz-Weiß stellenweise vermeintlich romantisieren, gibt es eine kritische Distanz zum Gezeigten. Das ist ein Versuch, der natürlich auch schief gehen kann, so dass manche Zuschauer nicht bemerken, dass das Gezeigte nicht als schön zu erachten ist. Wie haben Sie versucht, diese Diskrepanz zwischen Gezeigtem und rückblickendem Einschätzen zu skizzieren?
Ich habe es über die Musik versucht. Gerade an heftigen Stellen, etwa wenn der Vater mit dem gefrorenen Spinat herumhantiert und ihn letztlich entnervt in die Spüle schmeißt, während die Mutter völlig verzweifelt dasitzt und nach der schweren Auseinandersetzung die Zigarettenkippen wieder aufsammelt. Da sollte die Musik ausdrücken: „Das ist gar nicht so schlimm. Keine Sorge! Das Familienidyll geht weiter!“ Das war nämlich die Stimmung, die wir damals in solchen Situationen empfunden haben. Wir dachten, das sei vielleicht eine kleine Aufregung, aber ganz harmlos. Unsere Eltern waren damals damit beschäftigt, das Wirtschaftswunder zu kreieren. Deshalb wurde vieles unter den Teppich gekehrt, über viele Probleme wurde gar nicht geredet. Diese Generation war durch Sprachlosigkeit gekennzeichnet, aber in ihren Augen hatte es etwas Positives: „Wir bauen ein zerstörtes Land wieder auf!“

Herzlichen Dank für das Gespräch!
«Junges Licht» ist in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen. Unsere Kritik zum Film finden Sie hier.
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18.05.2016 15:03 Uhr Kurz-URL: qmde.de/85647
Sidney Schering

super
schade


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Grand Budapest Hotel Junges Licht Victoria

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