Am 18. Mai feiert RTL in Spielfilmlänge die 6000. Episode, ein Jubiläum und einen Meilenstein in der deutschen Fernseh- und Seriengeschichte. Produzenten und Schauspieler haben uns verraten, was ihnen die Serie und diese spezielle Episode bedeutet.
«Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» war Vorreiter von RTL-Serien wie «Unter Uns» und «Alles was zählt» und hat Serien der Öffentlich-Rechtlichen Konkurrenz wie «Verbotene Liebe» und «Marienhof» überlebt. Es is einfach, über das Schauspiel, die überdramatischen Blicke und Gesten und die melodramatischen Storylines die Nase zu rümpfen. Andererseits kann man die Welt der Daily Soap oder der Vorabendserie auch als ganz eigene Kunst verstehen, die uralte Tropen wie Liebe (gelegentlich auch Inzest), Eifersucht, Verrat, Tod und Freundschaft in sich vereint, mit einem eigenem erzählerischen Vokabular verhandelt und mit einem unglaublichen Produktionstempo täglich in die deutschen Wohnzimmer bringt. Ein Vokabular, welches das deutsche Publikum vielleicht damals schon vereinzelt durch amerikanischen Soap Operas kennengelernt hat. Allerdings musste erst eine im Jahr 1992 noch junge, private Sendeanstalt namens RTL das Potential dieses Formats erkennen und die erste, tägliche, deutsche Vorabendserie auch für eine breitere Bevölkerungsschicht salonfähig machen.
Viele Vorurteile, aber auch großer Stolz
«GZSZ»-Producer Damian Lott zeigt sich stolz auf diese Leistung: „«GZSZ» hat es geschafft, das Genre der täglichen Serie in Deutschland erst zu erfinden und dann zu etablieren. Fast 25 Jahre sind unerreicht und es gibt keinerlei Ermüdungserscheinungen, denn «GZSZ» entwickelt sich seit seiner ersten Folge kontinuierlich weiter und geht mit der Zeit und der Entwicklung der Zuschauer.“ Und ja, es ist erstaunlich, fast unglaublich, dass dieses Format uns (oder zumindest diejenigen, die alt genug sind, um die Anfänge miterlebt zu haben) 25 Jahre begleitet und dabei auch gesellschaftliche Umwälzungen innerhalb Deutschlands wahrgenommen hat. Die deutsche Produktion adaptierte die ersten 230 Drehbücher noch von der australischen Serie «The Restless Years», bevor die Seifenoper letztendlich auf den eigenen zwei Beinen stehen konnte.
Aktuelles Tagesgeschehen mit universellen Themen zu verbinden, war der Serie und seinen Produzenten während der gesamten 25jährigen Laufzeit wichtig: therapeutische Aufarbeitungen von sexuellen Hemmungen; das Erwachsenwerden mit seinen Höhen und Tiefen, Mobbing, Trennungen; Homosexualität und dementsprechend auch Coming Outs. Aber auch ungemütliche Themen machte sich die Vorabendserie zu eigen: Misshandlungen von Soldaten bei der Bundeswehr, Pressefreiheit, Korruption, Sterbehilfe und Designerdrogen. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Serie diese Probleme anpackte, mag zweifelhaft sein (was wiederum für alle fiktionale Formate gilt), dennoch, übersetzt in die Hyperrealität des Seifenoper-Universums sind diese Geschehen und Geschichten unterhaltsam und verdaulich.
Die Nähe zum Zeitgeist ist allerdings nicht nur bloße Spielerei, sondern auch wichtig, um relevant zu bleiben, wie Produzent Lott erklärt: „Wichtig ist uns dabei immer, dass die Themen die Geschichtsfolien sind und unsere Charaktere innerhalb dieser Ihre emotionale Entwicklung erleben. Wir wollen nie zu politisch, faktisch und mit diesen Themengebieten umgehen, denn der Zuschauer erwartet bei «GZSZ» Unterhaltung und Emotion. Durch das Mitfiebern mit den einzelnen, betroffenen Charakteren, erlebt und nimmt der Zuschauer diese Punkte womöglich noch einmal ganz anders wahr und fängt - obwohl er nie daran gedacht hat - doch an, sich mit den Thema zu beschäftigen.“
Im Namen des Gesetzes: Rechtsverdreher Dr. Jo Gerner
Schauspieler: Wolfgang Bahro
Der am 18. September 1960 in Berlin geborene Schauspieler fand schon 1978 seine Anfänge im Film- und Fernsehgeschäft. Neben «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» zählen die ZDF-Comedy «Die Didi-Show», Auftritte bei «SOKO 5113» und «Schloss Einstein» sowie «Popp dich schlank!» zu seinen prominentesten Auftritten. Außerdem ist seine Stimme durch diverse Hörspiele und seine Synchronisation von internationalen Stars wie Steve Buscemi, David Morse und Tim Roth bekannt. Zu ernst möchte die Serie dennoch nicht genommen werden. Es ist ein durch und durch fiktionales Universum, das zwar reale Probleme anschneidet, aber sonst seinen eigenen physikalischen und vor allem juristischen Gesetzen gehorcht. Symptomatisch und symbolisch dafür ist die am längsten währende Figur mit den Namen Jo Gerner. Rechtsanwalt, Geschäftsmann und unter anderem auch Magazinbesitzer. Gerner ist der Powerplayer der Serie, der es mit den moralischen Grenzen nicht ganz so genau nimmt. Selbstverständlich ist die Figur übertrieben angelegt: eine Art Mr. Burns von «GZSZ», der hauptsächlich seine eigenen Interessen im Auge hat, aber trotzdem mit einem Sinn für Familie ausgestattet ist, der wiederum fehlgeleitete Ausmaße annimmt, insbesondere wenn es um seinen eigenen Nachwuchs geht.
Dennoch möchte Gerner-Darsteller Wolfgang Bahro seine Figur am liebsten von bestimmten Grenzen fern halten, und so fand er eine Storyline gar nicht vergnüglich. Diese beinhaltete, dass „Gerner unterstellt wurde, er hätte ein Kinderheim nur gebaut und gesponsert, weil er pädophile Neigungen haben würde.“ Bahr führt weiter aus: „Zwar war auch in der Geschichte dieser Vorwurf nur die Erfindung einer rachsüchtigen Frau, aber ich hatte trotzdem Angst, dass sie die Figur Gerner schädigen könnten.“ Auch einen permanenten Gegenspieler einer Seifenoper kann man nur bestimmte Bösartigkeiten auferlegen, bevor man das Publikum entfremdet und zu verlieren droht. Diesen Rahmen scheint «GZSZ» schon weitestgehend ausgelotet zu haben.
Straffällig ist der Charakter schon 44mal geworden, und die bevorstehende 6000. Episode veranlasste den Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V., dessen düstere Machenschaften einer strafrechtlichen Analyse zu unterziehen. Laut dieser hat sich Gerner mittlerweile unter anderem dem Strafbestand der Erpressung, Bestechung, Einbruch und Anstiftung zur Körperverletzung schuldig gemacht und müsste eigentlich für fast 200 Jahre im Gefängnis sitzen. Rechtsanwalt Mathis Ruff vom Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. erläutert den juristischen Kontext: „Wenn mehrere Straftaten begangen wurden, kommt es gemäß § 54 StGB zur Bildung einer Gesamtstrafe. Diese darf die Summe der Einzeltaten nicht erreichen und ergibt sich aus einer angemessenen Erhöhung der Einzelstrafe.“ Belangt wurde Gerner allerdings für keines seiner Verbrechen. Ein waschechter Bösewicht kann sich eben aus jeder verfahrenen Situation herauswinden. Bahro gewinnt seiner Figur aber auch gern andere Facetten ab, wenn es möglich ist: „Es gibt einige Geschichten, an die ich mich gern zurück erinnere, wie an eine Milleniums-Folge, in der ein Traum dazu führte, dass der Hauptcast sich in einer Adaption des Musicals «Hair» wiederfand und aus dem gerissenen Gerner ein softer Hippie wurde, der Blumen in der Fußgängerzone verteilt.“
Berlin: Schauplatz und Charakter
Gerner ist die einzige Figur der Serie, die schon seit Beginn dabei ist. Es wäre mehr als müßig (und um ganz ehrlich zu sein, auch viel zu anstrengend), wirklich alle Figuren an dieser Stelle aufzuzählen und zu charakterisieren, welche die Soap in den letzten 25 Jahren betreten und wieder verlassen haben. Einen weiteren beständigen Charakter gibt es dennoch, bleibt buchstäblich immer im Hintergrund, zeichnete die Serie aber ebenso prägnant aus: der Schauplatz Berlin. Das Stadtpanorama, Tiergarten und Prenzlauer Berg gehören genauso zur Serie wie der etwas erzwungene, gestylte und künstliche Sinn für Coolness, der die jüngeren Figuren und die Locations, Cafés und Clubs auszeichnet.
© RTL / Rolf Baumgartner
Werden im Jubiläum einen zentralen Part einnehmen: David (Philipp Christopher, l.), Jo Gerner (Wolfgang Bahro), Katrin (Ulrike Frank).
Producer Damian Lott sieht in der Stadt vor allem viel Identifikationspotential für den Zuschauer: „Berlin ist und bleibt für viele Leute ein Sehnsuchtsort. Hier wollen sie unbedingt mal hin auf eine Stippvisite oder am liebsten gleich umziehen und neu durchstarten, ihrem Leben einen neuen Schwung verpassen. Berlin ist eine Metropole, die sich ständig weiterentwickelt und damit für uns der perfekte Schauplatz für viele abwechslungsreiche Geschichten und Figuren.“ Berlin ist eine reichhaltige Schatzkammer, die immer neue Geschichten und Figuren mit Wünschen und Träumen, die sich in der fiktionalen Welt von «GZSZ» ebenso schnell erfüllen wie zerstören lassen. Gleichzeitig bietet Berlin für den Zuschauer Bekanntheit, das Gefühl eines Ortes um die Ecke und Familiarität.
Spaß und harte Arbeit ebnen den Weg zur 6000. Episode
Eine Familiarität und eine gute Stimmung, die sich auch hinter den Kulissen fortsetzt. So wird sie zumindest von den Produzenten beschrieben: „Ich komme morgens in die Produktion, und ruck zuck ist es plötzlich dunkel, und ich hatte den ganzen Tag viel Spaß. Typisch oder routinemäßig ist kein einziger davon, obwohl wir viele Besprechungen (Story, Drehbuch, Regie, Produktion und Bildabnahme) jede Woche wieder am selben Wochentag haben. Es gibt immer viel zu tun, deshalb ist Langeweile keine Gefahr,“ beschreibt Produzentin Petra Kolle ihren Arbeitsalltag und lobt dabei insbesondere die Leidenschaft ihrer Kolleginnen und Kollegen: „Was sich zum Glück nicht geändert hat: Das Engagement der Menschen, die mit unglaublicher Kompetenz, Energie und viel Herzblut jede Woche das Wunder vollbringen, fast zweieinhalb Stunden fiktionales Fernsehen zu produzieren, das seit nunmehr 6000 Folgen jeden Werktag mehrere Millionen Zuschauer vor den Bildschirm lockt und immer wieder in allen Medien für Gesprächsstoff sorgt.“
Vielleicht kann man dem Schauspiel nicht viel abgewinnen, man mag die Inszenierung nicht ansprechend finden, und die Stories mögen einen auch nicht reizen. Dennoch sollte einem die Leistung, die hinter der Produktion einer täglichen und höchst erfolgreichen Vorabendserie steckt, zumindest ein gewisses Maß an Respekt abverlangen. Der kommerzielle Erfolg scheint der Serie jedenfalls Recht zu geben. Ohne harte Arbeit und Hingabe wäre dieser sicher nicht zu erreichen und hat uns zu diesem Punkt geführt, uns begleitet, ob wir es wollten, oder nicht.
Damian Lott hält sich verständlicherweise mit Informationen zurück, was das Jubiläum angeht: „Mit der Möglichkeit, in der Prime Time zu senden, wollen wir dem Zuschauer natürlich etwas ganz Besonderes bieten und doch «GZSZ» bleiben.“ Emotionale Mutter - Tochter-Konflikte, Bösewichte und eine „bittersüße Liebesgeschichte“ werden die Episode am Mittwoch prägen. Es sieht so aus, als hätte «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» auch im Prime Time - Format kein Problem, sich selbst treu zu bleiben.
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17.05.2016 08:22 Uhr 1