Die Zuschauerzahlen von «Luke! Die Woche und Ich» sprechen eine deutliche, wenn auch wenig schmeichelhafte Sprache. Wir haben trotzdem gefragt, ob sich eine Weiterführung der Sendung lohnt.
Luke Mockridge - Buchautor
Wie viele andere Komödianten ist auch Luke Mockridge unter die Autoren gegangen. In seinem Buch «Mathe ist ein Arschloch: Wie (m)ich die Schule fertigmachte» beschreibt er seine eigenen Schulerfahrungen, verschiedene Lehrer und Schüler, die sich im Mikrokosmos Schule tummeln, Klassenfahrten und den Spießrutenlauf im Sport- und anderen Unterrichtsstunden. Es steht nicht gut um die noch junge Spätabend-Comedy «Luke! Die Woche und ich». Nicht nur, dass der Titel der Sendung nicht wirklich Sinn ergibt, wenn man zu intensiv drüber nachdenkt. Erst kürzlich berichtete Quotenmeter wieder einmal, dass es auch quotentechnisch schlecht um das frische bzw. gewollt frische Format steht. Bei der jungen Zielgruppe der 14- 49-Jährigen schlägt er sich noch solide, beim Gesamtpublikum scheint der Late-Night-Ableger dagegen durchzufallen. Kein Grund zur Panik! Oder vielleicht doch? Letztendlich wird Sat.1 darüber entscheiden müssen, wieviele Zuschauer noch genug sind und wann der Sender lieber den Stecker zieht. Wie sieht es allerdings inhaltlich mit der Comedy aus? Und wieder einmal kommen wir an den Punkt, Komödie zu bewerten. Ein Genre das sicherlich hochsubjektiv ist, bei dem sich ein kritisches Hinterfragen dennoch immer wieder lohnt.
Wer aber ist der junge, und trotz der momentan eher enttäuschenden Einschaltquoten, sehr erfolgreiche Comedian? Showbusiness wurde dem 21. März 1989 geborenen Komiker und Autor quasi in die Wiege gelegt: Luke stammt aus einer Künstlerfamilie und ist der Sohn des kanadischen Kabarettisten Bill Mockridge und der italienischen Schauspielerin Margie Kinsky. Sein Patenonkel, der mittlerweile verstorbene Dirk Bach, nahm den kleinen Jungen schon im Alter von drei Tagen mit auf die Bühne. Eine Bühne, die fast schicksalhaft immer eine Rolle im Leben des gebürtigen Bonners spielen sollte. Eine potentielle Fußballkarriere bei Bayer Leverkusen, wo er als 16-Jähriger zum Profitraining eingeladen wurde, ließ er sausen, um sein internationales Abitur, das International Baccalalaurete, am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Bonn zu machen und später Medien- und Kommunikationswissenschaften in Deutschland, England und Kanada zu studieren, wo er unter anderem in einer Bühneninszenierung von «High School Musical» auftrat.
Ein übereifriger Alleskönner
In Deutschland arbeitete er sich durchs Stand-Up Programm, trat beim «Quatsch Comedy Club», «RTL Comedy Grand Prix», im «Fun(k)haus» und bei «Nightwasch» auf, wo er zunächst ein Praktikum machte und später die Leitung übernahm. Außerdem ist er Moderator der 1Live-Hörsaal-Comedy und arbeitete als Autor bei «Switch Reloaded». Und die Tatsache, dass er das alles im zarten Alter von 27 geschafft hat, dürfte vielen, die ähnliche Aspirationen haben, gehörig auf den Wecker gehen. Dennoch passieren solche Erfolge nicht einfach ohne harte Arbeit, auch und vor allem in der Comedyszene nicht. Und vielleicht ist es auch einfach ein Fehler, den jungen Comedian als Nachfolger des populären Powerhouse Stefan Raab zu sehen, wie es die Bildzeitung im Sommer 2015 noch getan hat. Eine Herausforderung und ein Erwartungsdruck, den wohl kaum jemand gerecht werden kann oder sollte.
Dennoch gibt es hier ein paar Parallelen und die enden nicht nur, weil Mockridge schon oft mit seinem Stand-Up Akt in der erfolgreichen Abendshow «TV Total» aufgetreten ist. Wie Raab ist auch Luke sehr musikalisch: Klavier und Gitarre hat er sich ganz autodidaktisch selbst beigebracht. Er ist durchaus sportlich (seine Fußballaspirationen wurden vorhin schon erwähnt). Dennoch ist seine Witzpräsentation schneller und punktgenauer, was wahrscheinlich der Ausbildung als Stand-Up Comedian geschuldet ist. Die Witze, die er reißt sind allerdings oftmals wenig herausfordernd und gelegentlich auch flach.
Schauen wir also auf sein eigenes Stand-Up und dementsprechend auf ein paar repräsentative YouTube-Videos. Dieses kleine Sample mag zwar ein unfaires Bewertungsmittel sein, allerdings ist Comedy ein kurzes Spiel, bei dem man das Publikum schon in fünf oder zehn Minuten für sich gewinnen muss. Es geht bei ihm um Tinder, wo die Auswahlmethode heute heißt „Die ficke ich, die ficke ich nicht“, und das „sie liebt mich, sie liebt mich nicht“ früherer Tage weit hinter sich gelassen hat. Er macht relativ oberflächlich die quietschenden Stimmen der Mädchen nach, mit denen er sich trifft und entsprechende Klischees zum Flachlegen dieser Damen werden frei Haus geliefert. Schließlich versöhnt er sich aber mit den anwesenden Frauen im Publikum, indem er ihnen sagt, dass sie auch ohne Make-Up die schönsten Wesen dieser Welt sind. Eine andere Anekdote in seinem Portfolio: Die Freundin hat ihn mit seinem besten Freund betrogen, während er noch im selben Bett lag. Viele Sexskapaden finden sich in seinem Programm wieder, die selten etwas mehr zu bieten haben als vermeintliche Peinlichkeiten, die jedoch eher darauf ausgelegt scheinen, zu zeigen, was für ein Stecher man doch selber ist. Das ist nicht unbedingt skandalös oder niveaulos, und wer sich über die ein oder andere niveaulose Pointe im Stand Up-Geschäft beschwert, sitzt wahrscheinlich sowieso im falschen Publikum. Vielmehr sind es die Symptome eines jungen, übereifrigen Comedians, der versucht, Satire in etwas ausgetretenen Pfaden zu finden. Was allerdings fehlt, ist eine bisshaftere Selbstironie.
Alles fett und alles geil, Alter! Und gelegentlich sogar einfallsreich
Nicht unbedingt immer anders gestaltet sich das Programm in «Luke! Die Woche und ich», wenn man zum Beispiel die letzten zwei Sendungen betrachtet: Luke spricht eine ältere Dame im Publikum an, die seine Show nicht kennt und fragt sie, ob seine Sendung eventuell mit ihrer Volksmusiksendung kollidiert. So viel Spaß darf erlaubt sein, allerdings ist es auch ein vorhersehbarer Witz, und Comedy lebt nun mal unter anderem auch von der Überraschung. Luke handelt eben mit Klischees, ohne sie zu unterwandern und macht sich nur selten selbst zum Ziel seiner eigenen Witze. Die Dame gehört zu einem Chor namens „Goldi-Chor“, in dem auch ein älterer Herr namens Adolf vertreten ist – den dazugehörigen Witz des Moderators kann wahrscheinlich schon jeder erraten.
Was nun folgt, sind die Schlagzeilen der Woche: Herbert Grönemeyer wird 60 und der Mockridge setzt sich ans Klavier und zaubert eine durchaus beachtliche Grönemeyer-Imitation hervor. Davon abgesehen, herrschen jedoch auch hier die Klischees vor. Aus der Nachricht, dass Claudia Neumann bald die Fußball-EM kommentieren wird, entwirft er ein Szenario, in dem Neumann mit ihren Freundinnen und einer Flasche Prosecco vor dem Fernseher sitzen, lieber über ihre Einkäufe quatschen und dabei das 3:0 von Deutschland verpassen. Einer Meldung, dass Kinder von einem DM-Produkt high werden können, folgen die üblichen Stoner-Imitationen, die man aus den entsprechenden US-Komödien kennt. Diese werden von Luke noch ans Deutsche angepasst und fertig ist der Streich.
Wo der Moderator seine Talente wirklich ausspielen kann, sind die Einspieler, die meist später in den Sendungen folgen. In einem Segment, in dem er kleine Kinder in einer Schule zum aktuellen, politischen Tagesgeschehen, zu Angela Merkel, Donald Trump sowie Frauke Petry befragt und sie einzelne Länder aufzählen lässt, entwickelt sich komödiantische und spontane Chemie, die weit über das anfängliche Geplänkel hinauswächst, auch wenn der Freund amerikanischer Late Night diese Art von Interviews schon von Jimmy Kimmel zu genüge kennt. Auch bei seinem Stelldichein mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft funktioniert Luke besser. Hier kann er spontan, beweglich und dynamisch sein und muss weniger das vorgeschriebene Witze-Einerlei abspulen, das nur marginal Wirkung zeigt. Der dazugehörige Schnitt und die Musikuntermalung stehen ihm dabei gut zu Gesicht und geben dem Ganzen ein reizvolles komödiantisches Timing, so dass selbst das Publikum ausgelassener zu lachen scheint. Ein Highlight ist das Quiz über die verrücktesten amerikanischen Gesetze. Hier werden Luke und einem seiner Kollegen Fragen über absurde Vorschriften in der amerikanischen Gesetzgebung gestellt und sie müssen raten, ob diese stimmen oder nicht. Wer eine falsche Antwort gibt, wird mit einem Paintball beschossen. Denn ja, Schmerzen können manchmal witzig sein, wenn sie entsprechend kommentiert und inszeniert werden. Nicht umsonst ist Slapstick-Comedy ein Dauerbrenner.
Auch in Interview-Situationen schlägt sich Mockridge wacker, auch wenn er hier des Öfteren seine gewollt coolen, etwas nervigen Anglizismen um sich wirft. Mit seinem Gast und Comedian-Kollegen Abdel-Karim tauscht er sich rege aus und gibt sogar eine überraschend-beeindruckende Parodie einer deutschen Synchronisation eines amerikanischen Highschool-Schülers in einer amerikanischen Komödie zum Besten. Und hier liegt der Hund begraben: Luke glänzt durchaus mit Talenten, die überraschen können, allerdings könnte er dieses Potential öfters nutzen. In seinem Interview mit Axel Stein werden mittels eines billigen, aber dafür komödiantisch-effektiveren, visuellen Gags die Münder ausgetauscht und der eine darf den anderen synchronisieren. Dieses Mal lässt Jimmy Fallon grüßen, der eine ähnliche Schose mit seinen Gaststars schon wesentlich länger betreibt. Leider kennt man diese Ideen. Und auch wenn ihre Ausführungen ab und zu durchaus ihre Wirkung zeigen, scheint diese Praxis der Ideenübernahme (nennen wir es mal Hommage) schon seit den guten, alten «Harald Schmidt»-Zeiten zum deutschen Comedy-Vokabular zu gehören.
Trotz dieser vermeintlichen Schwächen hat «Luke! Die Woche» die Chance auf eine Weiterführung verdient. Das Programm besitzt durchaus Einfallsreichtum, auch wenn es noch interessanter wäre, wenn der Moderator den Schutzschild seiner „Supercool-Attitüde“ öfters fallen lassen würde. Es handelt sich um eine Show und einen Moderator, dem Comedy offensichtlich am Herzen liegt und der diese zu schätzen weiß, ohne dass er sich nur auf die einfachen und billigen Lacher konzentrieren würde. Davon sollte es im deutschen Fernsehen nicht weniger, sondern noch mehr geben. Trotz der knackigen Kurzwelligkeit, könnte man immer noch mit eigenen und absurderen Ideen aufwarten. Wieder lohnt sich der Blick ins amerikanische Late-Night-Mekka, dieses Mal auf Conan O’Brien. Weniger um sich Ideen anzueignen, sondern vielmehr, um sich eine gewisse Attitüde einzuverleiben. O’Briens Late-Night-Talk sah sich in seinen Anfangsjahren immerzu der Gefahr der Absetzung ausgesetzt. Der heute berühmte Late Night-Talker nutzte allerdings die Tatsache, dass ihm weder ein großes Publikum noch die Senderverantwortlichen große Beachtung schenkten dazu, um immer größere Beklopptheiten aus dem Hut zu zaubern (z.B. einen masturbierenden Bären gegen einen seiner Autoren im Abraham-Lincoln-Kostüm antreten zu lassen). Einerseits geht es sicherlich darum, Aufmerksamkeit zu generieren, andererseits auch darum, unsichere Gewässer auszutesten, so dumm sie auch erscheinen mögen. Denn auch eine Comedyshow braucht die Zeit und den Freiraum, um sich auszutesten, ein Publikum aufzubauen und letztendlich einen sicheren Stand zu finden. Vor allem wenn sie Potential hat.
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