Der letzte große Serienerfolg mit «True Detective» ist über zwei Jahre her. HBO hat den Platz als Drama-Primus trotz «Game of Thrones» verloren, kreative frische Stoffe kommen von woanders. Die Gründe dahinter sind auch hausgemacht.
Diese neue Staffel sehnen sie alle herbei bei HBO: Am 24. April, am Sonntag, geht «Game of Thrones» endlich in eine neue Runde. Der US-Präsident hat die Folgen schon vorab sehen können? Gute Presse! Was macht ein Jon Snow auf dem Plakat zur neuen Staffel? Viel Gesprächsbedarf unter Fans – gute Presse!
Die Negativschlagzeilen für HBO scheinen mit dem Start der Hit-Serie vorerst ein Ende zu haben, es gibt andere Dinge zu berichten. Doch in den letzten Monaten hat der Pay-TV-Anbieter keine gute Figur gemacht, in der Branche rumort es. Große Artikel in großen Meinungsmedien – zum Beispiel „The Hollywood Reporter“ und „Vulture“ – haben seziert, was derzeit falsch läuft bei HBO. Immer wieder fällt hier auch das Stichwort «Game of Thrones»: Nach dessen Beginn 2011 hat HBO keinen großen Drama-Hit mehr gelandet, der zuverlässig Zuschauer bringt und die Zukunft des Anbieters scheinen lässt. Natürlich gab es «True Detective» noch, im Jahr 2014. Aber auch dessen Glanz verblasste mit der ungeliebten zweiten Staffel. Die Zukunft der Anthologieserie ist jetzt ungewiss, neue Episoden werden so schnell nicht folgen.
Die verlässliche Branchenquelle hat gesprochen: Im „Hollywood Reporter“ erklärten nicht näher genannte Insider, dass sich die Unternehmenskultur bei HBO geändert habe. „Wenn man dort ein Projekt unterbringen kann, ist es immer noch ein angesagter Ort. Aber wenn man eine ruhige Atmosphäre will, in der man etwas formen und gestalten kann, glaube ich nicht, dass das passiert.“ Es geht so etwas wie Druck um bei HBO, und dieser Druck – vielleicht auch schon Angst – wird größer, je länger das Warten auf den nächsten Drama-Hit andauert.
HBO: Kontrolle statt Kreativität
Es heißt, dass die Mutterfirma Time Warner zunehmend streng darauf schaut, was bei HBO veranstaltet wird. Schließlich gilt die Pay-TV-Sparte immer noch als höchst lukrativ. Mehr als ein Viertel des gesamten Umsatzes erwirtschaftet HBO für den Konzern. Das Problem: Die sich ändernde Unternehmenskultur scheint die kreative Freizügigkeit zu hemmen, die man von HBO früher gewohnt war. Frische, risikoreiche Stoffe, die vieles anders machen und neue Maßstäbe setzen – diese hat man zuletzt bei Streamern wie Netflix oder Sendern wie FX gesehen. In der Branche sagt man sich, dass HBO zu oft zu viel auf große Hollywood-Namen setze und das Risiko scheue. Die Kreativen in der Branche vermissen die Möglichkeit, sich austoben zu können, ohne auf Personen achten zu müssen. Und ohne sich ständig mit HBO über die Ausrichtung des Stoffes abstimmen zu müssen. Von Anbietern wie Amazon und Netflix hört man Gegenteiliges – hier soll den Kreativen völlig freie Hand gelassen werden. Anders gefragt: Hat HBO sich in eine ungesunde Kultur der Kontrolle begeben?
Während also die Streamer fast schon im Monatstakt neue Serien starten, cancelt HBO ein großes Projekt nach dem anderen. Die Liste wird immer länger: Darunter befinden sich gleich zwei (!) Stoffe von «House of Cards»-Mastermind David Fincher, der mittlerweile zu Netflix zurückgekehrt sein soll und seine Ideen dort verwirklichen will. Ebenfalls gecancelt ist ein Format von Tom Hanks und Brad Pitt, weiterhin eine Miniserie von Steve McQueen. Und das groß angekündigte Big-Budget-Projekt «Westworld» von J.J. Abrams wurde schon mehrfach verschoben, dabei wurden bereits Dreharbeiten gestartet. Das gigantische Vorhaben mit Anthony Hopkins und Ed Harris sollte eigentlich schon 2015 starten, jetzt wird es wohl 2017. HBO stoppte die Produktion Ende letzten Jahres nach kreativen Differenzen mit dem Regisseur, Anfang April sollen die Dreharbeiten wiederaufgenommen worden sein.
«Vinyl» zeigt die Probleme auf
Und dann wäre da noch «Vinyl», das Period Drama über ein amerikanisches Musiklabel in den wilden 1970er Jahren. Das ambitionierte Projekt von Terence Winter («The Sopranos», «Boardwalk Empire») hat ein gigantisches Budget von 100 Millionen US-Dollar in seiner ersten Staffel verschlungen. HBO war verdammt dazu, mit «Vinyl» einen Hit zu landen: Ein anderes großes Drama-Projekt ist für nächste Zeit nicht in der Pipeline, man setzte wortwörtlich auf diese eine Karte. Die Kritiken waren zwar verhalten positiv, doch die Zuschauer blieben aus: Weit weniger als eine Million Menschen sahen die erste Staffel bei ihrer Erstausstrahlung, die Quoten zogen im Laufe der Ausstrahlung nicht an. In Anbetracht des Budgets und der Ausgangslage ist dies viel zu wenig. Dennoch verlängerte HBO das Format ganz typisch für eine zweite Staffel, nicht nur aus Trotz, sondern weil man viel zu
commited ist: Man hat so viel Geld in die Idee «Vinyl» investiert, dass man kurzfristig gar nicht mehr aussteigen kann.
Der letzte Trumpf – oder anders gesprochen – die letzte Verzweiflungstat ist, den Showrunner auszutauschen: Terence Winter wird die zweite Staffel von «Vinyl» nicht mehr verantworten, wie man Anfang April mitteilte. Die Nachricht schlug in der Branche ein wie eine Bombe. Winter ist einer der wenigen Namen, die stark mit HBO verbunden sind. Jetzt lässt man ihn fallen – ein positives Zeichen für die kreativen Köpfe sieht anders aus.
Nicht nur Winter muss gehen. Eine viel weitreichendere Entscheidung fiel im Januar, als der Chef der Drama-Sparte Michael Ellenberg von HBO seinen Hut nehmen musste, nach vier Jahren. In seine Zeit fielen viele Flops, einzig «True Detective» sticht mit seiner großen ersten Staffel positiv heraus. Ellenberg wird ersetzt durch Casey Bloys, der bislang die Comedy-Sparte des Anbieters leitete. Im Gegensatz zum Drama-Bereich macht HBO hier durch zahlreiche Erfolge von sich reden, darunter «Girls», «Veep» und zuletzt «Silicon Valley». Es bleibt zu hoffen, dass HBO unter Bloys in die richtige Spur zurückfindet und die – teils selbstverschuldete – Kreativpause schnell beendet ist.
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Für die nächsten Wochen zumindest ist sie das sowieso: Wenn «Game of Thrones» mit seiner heiß erwarteten sechsten Runde zurückkehrt, beherrschen andere Dinge die Schlagzeilen: Jon Snow. Wer stirbt als nächstes? Ist es wirklich die beste Staffel bisher? Noch kann man sich damit rühmen, der Sender von «Game of Thrones» zu sein, der wohl meistdiskutierten TV-Serie auf diesem Planeten.
Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
22.04.2016 09:50 Uhr 4
Am Wiedererwären alter Kritiker- und Zuschauerhits wie Prison Break sieht man doch die Verzweiflung.
Und dadurch dass jeder Mitbewerber jährlich gefühlt 10 Flops produziert, für eine Staffel ist der Markt mit Serienideen überschwämmt. Ich denke, dass es für den Markt besser ist, wenn man mit der Diversifizierung etwas zurück fährt, da man die Zuschauer mit dem Wust schnell übersättigt.
Und dass jetzt auch CBS noch ein eigenes Zahlprogramm auffahren will nach Hulu, Netflix, Amazon, HBO, Showtime bla und blub macht dem Zuschauer auch nicht zwingend Lust auf mehr.
Am Ende zählt doch die Zahlungsbereitschaft für HBO-Programm und dann erst die Lizensierungseinnahmen der Kassenschlager. Wenn HBO also mit ihren Comedys und dem Drama-König GoT gute Abozahlen vorweisen kann, läuft doch alles rund. Es ist momentan eben schwierig, mit neuem Stoff eine große Zuschauerschaft zu sammeln.
23.04.2016 14:02 Uhr 5
Ja. Ich finde, solche Wellenbewegungen wie bei HBO sind ganz normal.
Und HBO ist nicht mehr der Angreifer, sondern der Angegriffene, aber auch das ist normal.
Westworld könnte wieder ein Quotenerfolg werden.
24.05.2016 12:29 Uhr 6
Und, ich finde den derzeitigen Serien - Boom nach wie vor Klasse....