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Sülters Sendepause: Stephen King verfilmt - Meist der blanke Horror?

Er ist der unbestrittene Meister des Horrors – Stephen King. Doch erfasste dieser Horror auch viel zu oft das Publikum von Verfilmungen seiner Bücher. Was zur Frage führt: Ist King unverfilmbar? Welche Gegenbeispiele gibt es? Ich habe mal nachgeschaut.

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Die fünf absoluten Highlights


Doch wäre es natürlich falsch und gar frevelhaft, die Perlen nicht zu erwähnen. Deswegen feiern wir nun das in meinen Augen Beste, was kreative Menschen über die Jahrzehnte aus den Worten des Meisters herausgeholt haben…

Platz 5: Beginnen wollen wir mit der Verfilmung des Romans Sie, den King 1987 veröffentlichte und der 1990 mit «Misery» zu einem beachtlichen Werk führte. In diesem lehrt Kathy Bates als durchgeknallter Fan einem armen Romanautor das Fürchten – sicher auch die Verarbeitung einer eigenen tiefsitzenden Angst Kings. Heraus kam ein gnadenlos spannendes Psychodrama mit herausragenden Darstellern und einer kompetenten Regie (Rob Reiner).

Platz 4: Bereits vier Jahre zuvor drehte ebenfalls Rob Reiner mit «Stand by me »einen sensiblen und melancholischen Film über die Freundschaft von vier Jungen, die zu einer gemeinsamen Wanderung aufbrechen und eine schreckliche Entdeckung machen… Reiner präsentierte hier eine mitreißende Abhandlung über das Erwachsenwerden, Zusammenhalt, Miteinander und die Vergänglichkeit der Jugend. Dass dieser Film auf einem King-Stoff beruht, überrascht durchaus. Die Idee entstammt der Novelle Die Leiche aus dessen Novellensammlung Frühling, Sommer, Herbst und Tod und weist autobiografische Züge auf. Ein absolutes Meisterwerk – auf dem Papier wie auf dem Schirm, das früh zeigte, dass King eben doch mehr kann, als Horror und Übersinnliches.

Platz 3: 1980 begeisterte kein geringerer als Jack Nicholson in «The Shining» das Kinopublikum, als er dem Schriftsteller Jack Torrance, der eigentlich nur mit seiner Familie ein verlassenes Hotel während der Wintermonate in Schuss halten will, grotesk-wahnsinnige Züge verlieh und somit einen Bösewicht für die Ewigkeit erzeugte. Doch auch seine jenseits vorstellbarer Panik spielende Kollegin Shelley Duvall als Wendy Torrance und Scatman Crothers als Dick Hallorann konnten begeistern. Hier gelang nicht mehr und nicht weniger als ein unvergessener Klassiker des Genres. King selber kann mit der Umsetzung übrigens bis heute wenig anfangen, obwohl er Regisseur Stanley Kubrick durchaus eine starke Visualisierung diverser Schlüsselbilder des Romans bescheinigt.

Platz 2: Wie schon bei «Stand by me» stand für meinen zweiten Platz eine Novelle aus Kings Sammlung Frühling, Sommer, Herbst und Tod Pate. Diesmal die Geschichte Rita Hayworth and Shawshank Redemption. Verfilmt von Frank Darabont (seine erste King-Adaption) und veredelt mit den Schauspielern Tim Robbins und Morgan Freeman gelang mit «Die Verurteilten» ein zeitloser Gefängnisklassiker über eine außergewöhnliche Freundschaft zweier außergewöhnlicher Männer in einer außergewöhnlichen Situation. Der Film kommt wie auch «Stand by me» ohne übernatürliche Dreingaben aus und begeistert schlicht durch seine präzisen Figurenzeichnungen und die mitreißende Geschichte. Brillant!

Platz 1: Und dann wäre da noch die Verfilmung eines sechsteiligen Fortsetzungsromans namens «The Green Mile», den erneut Frank Darabont 1999 in die Kinos brachte. Getragen von einer spektakulären visuellen Kraft und einem begnadeten Cast aus dem viel zu früh verstorbenen Michael Clarke Duncan sowie Tom Hanks, David Morse, Gary Sinise, James Cromwell und Doug Hutchinson geriet das Portrait eines Wesens, das mehr Naturgewalt als Mensch und mehr Kind als Erwachsener war, zum Rührstück über Willenskraft, innere Dämonen, Schicksal und letztlich sogar zu einem mehr als angemessenen Kommentar über die Todesstrafe. Ein Film mit absoluter Sogwirkung und Taschentüchergarantie.

Die Geheimtipps


Zwischen Desaster und Gipfelsturm liegen aber auch noch die Verkannten – also Umsetzungen, die, was mich betrifft, in der Betrachtung des Gesamtwerkes King immer wieder zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Der Film «Running Man» von 1987 basiert auf dem Buch Menschenjagd, das King 1982 unter seinem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlichte. Darin spielte Arnold Schwarzenegger den arbeitslosen Familienvater Ben Richards, der in einer chaotischen und dystopischen Zukunft durch die Teilnahme an einer barbarischen Fernsehshow versucht, an Geld für seine Familie zu kommen. Für den Film wurde der sehr lesenswerte Roman jedoch stark verändert und diente nur als lose Vorlage – dem Spaß an der Umsetzung konnte das in diesem Fall jedoch keinen Abbruch tun. «Running Man» ist eine typische 80er-Jahre-Version eines inhaltlich tiefergehenden Buches, das sich teilweise stark an der Grundidee vergeht, indem die Medienschelte durch die grelle Umsetzung konterkariert wird. Dennoch zu unterhaltsam, um es unter den Teppich zu kehren.

Zwanzig Jahre später machte sich Frank Darabont daran, den Roman «Der Nebel» für das Kino umzusetzen. Es war nach «Die Verurteilten» und «The Green Mile» bereits die dritte Arbeit von Darabont an King-Material – und erneut zeigte er sein Gespür und seine Qualitäten als Drehbuchautor und Regisseur. Zwar ist «Der Nebel »der schwächste seiner drei Filme, doch handelt es sich hier um Jammern auf hohem Niveau. Der Film besitzt Flair, Spannung und ein spielstarkes Ensemble und ging vollkommen unverdient an der Kinokasse baden. Sehr sehenswert ist übrigens auch die Schwarz-Weiß-Version, die Darabont später noch freigab. Er hätte den Film am liebsten auf diese Weise ins Kino gebracht.

Die Zukunft


Auch für die nahe Zukunft müssen Freunde des Grusels nicht darben – schon stehen neue Filme und Serien bereit, sich dem Urteil von Hardcore-Fans und Normalos zu stellen.

«Cell» ist eine Verfilmung des Horror-Romans Puls aus dem Jahr 2006. In dieser werden John Cusack und Samuel L. Jackson gegen ein mysteriöses Signal über das Handynetz ankämpfen. King schrieb am Screenplay mit und Tod Williams («Paranormal Activity 2») führt Regie.

«The Dark Tower» (Der dunkle Turm) wird ab 2017 die Fans in einer – wenn es wie geplant läuft – mehrteiligen Kinoreihe verzücken. Der erste Film mit dem Untertitel The Diamond City soll mitten in die Romanreihe einsteigen mit der Option, die Vorgeschichte später zu erzählen. Bisher sind Idris Elba und Matthew McConaughey an Bord. Die Regie wird der dänische Filmemacher Nikolaj Arcel übernehmen, nachdem bereits J. J. Abrams und Ron Howard in der Vergangenheit erfolglose Anläufe einer Verfilmung des Stoffes unternommen hatten.

Als Letztes steht noch eine Neuverfilmung des bereits erwähnten Stoffes «Der Nebel» auf dem Programm – nach dem Kinofilm von 2007 diesmal als Serie, erneut mit Frank Darabont und zusätzlich Bob Weinstein für den Sender Spike.
Es bleibt also spannend, gerade auch weil der selbsternannte Vielschreiber den Nachschub an neuen Romanen noch lange nicht versiegen lassen will…

Was zur Hölle ist das Problem?


Ganz klar: Den unterschwelligen Horror, das sich anschleichende Grauen, den angedeuteten Schrecken der King-Werke ins Visuelle zu übertragen ist bisher schon vielen Film- und Fernsehschaffenden gelungen. Auch das Präsentieren der durchaus teils absurden Settings mit angemessenen Bildern zu untermauern stellte in vielen Fällen kein Problem dar.

Immer wenn es jedoch im Verlaufe einer Handlung daran ging, Übernatürliches oder Übersinnliches zu zeigen, scheiterten viele kläglich. Wo sich beim Lesen im Kopf ein Monstrum an Empfindungen wie Angst, Ekel oder Ungläubigkeit aufbaut, fällt genau dieses beim bloßen Blick auf das, was die eigene Phantasie viel wirkungsvoller könnte, krachend in sich zusammen. Dabei ist das gar kein Vorwurf an die Macher der Filme oder Serien - oder gar an King selber. Stephen King schreibt Bücher - und das oft meisterhaft. Er baut auf, deutet an, wird auch mal deutlicher - überlässt am Ende aber immer viel dem Kopfkino seiner Leser. Hier darf jeder selbst die Lücken füllen und genau das Erdenken, was er zu "sehen" gerade noch ertragen oder eben glauben kann und will. Wesen, die die Zeit fressen, wirken auf diese Weise eben vielleicht sogar glaubhaft, zumindest aber sicher vollkommen anders, als die angesprochenen PacMan-Critters der CGI-"Kunst".

Für mich sind die besten King-Verfilmungen stets die, die es schaffen, das Beste aus dem Stoff herauszuholen und dennoch genug kreativen Geist einzubinden, um die vorhandenen Klippen des Scheiterns zu umschiffen. Auf diese Weise stünden uns noch lange starke bis exzellente Umsetzungen ins Haus. An King selber soll es nicht scheitern.

Conclusio


Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Unglaublich eigentlich, wie viele Verfilmungen es inzwischen von King-Werken gibt. Unglaublich auch, wie viele ich hier gar nicht aufzählen konnte. Aber dafür ist ja in den Diskussionen nun noch viel Zeit, oder? Ich habe doch sicher Highlights vergessen, Rohrkrepierer verschont oder schlicht einige Umsetzungen vollkommen falsch bewertet. Deswegen seid ihr nun dran.

Denn Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Ist King verfilmbar? Welche Filme oder Serien taugen? Welche gehen gar nicht? Und woran liegt das? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

In 14 Tagen sehen wir uns zur nächsten Ausgabe von «Sülters Sendepause».

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

Für konkrete Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.
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23.04.2016 10:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/84987
Björn Sülter

super
schade

94 %
6 %

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Tags

11.22.63 Carrie Cell Christine Cujo Das geheime Fenster Dead Zone Der Feuerteufel Der Nebel Der Werwolf von Tarker Mills Die Verurteilten Dreamcatcher Es French Kiss Friedhof der Kuscheltiere Hearts in Atlantis Homeland Indiana Jones Kinder des Zorns

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
vimarian
23.04.2016 14:56 Uhr 2
Die Hauptproblematik bei King-Verfilmungen besteht meiner Meinung nach speziell darin, dass Metaebenen auf der Leinwand (resp. dem Bildschirm) einfach nicht umsetzbar sind. Und King arbeitet in seinen Werken immer auf vielen Ebenen, lässt die Entwicklung seiner Charaktere im Stillen, im Inneren geschehen, weniger in ihren Handlungen. In den filmischen Umsetzungen (selbst in den sehr werktreuen, wie das z.B. bei The Stand der Fall war) ist aber der oberflächliche Plot die Maxime, während nur allzu oft eben dieser Plot in den Büchern nur Grund für die Entwicklung und Handlungen der Figuren ist, die an sich mehr im Mittelpunkt stehen als die Story dahinter.

Schön auch zu sehen in der Diskrepanz bei "Es" - was da an Charakterentwicklung passiert (im Buch) ist unglaublich, die Kinder, ihr Verhältnis untereinander und zur Außenwelt sind die eigentliche Geschichte (wie so oft bei King)...im Film ist diese Rolle dem Monster vorbehalten (wobei "Es" noch eine der besseren Verfilmungen ist!).

Dito "Christine", ein Film, der hochgelobt wurde, den ich aber nach einmaligem Sehen als Schund in meinem Kopf abgelegt habe. Auch hier trägt die Umsetzung den Charakteren im Buch keinerlei Rechnung, lässt sie zu reinen Gut-Böse-Kämpfern werden, eindimensional und langweilig.

Im Übrigen geh ich mit "Green mile" und "Die Verurteilten" d'accord, das sind sehr eindrucksvolle Verfilmungen, die ich gern öfter genieße.

Über die kürzlichen und aktuellen Serien sag ich an der Stelle nix weiter, das war und ist enttäuschend (ja, auch bei "Anschlag", die Serie hab ich nach drei Folgen als für mich erledigt erklärt. Aus dem gleichen Problem: Gelackter Hauptdarsteller, der die Tiefe seiner Romanvorlage meilenweit verfehlt. Ganz furchtbar.)
Fernsehfohlen
23.04.2016 16:23 Uhr 3
Erstmal von mir auch ein Lob an den Kollegen, sehr lesenswerter Artikel.



Was die qualitativen Einschätzungen und die Rankings angeht, bin ich auch weitgehend d'Accord. Bei den Top Five habe ich das Gefühl, dass diese Filme weitgehend alternativlos sind und sich vor allem die Platzierungen unterscheiden. "Carrie" und "Es" haben da manchmal noch Außenseiterchancen.



Ein bisschen unverständlich ist für mich ja die überwiegend kritische Rezeption zu "Friedhof der Kuscheltiere", den ich als ziemlich eindrücklich empfinde und der subjektiv eigentlich so mit der prägendste King-Film war (was vielleicht auch daran liegt, dass er einer der ersten Kings war, mit denen ich in Berührung kam). Handwerklich und darstellerisch ist der sicher nicht oscarreif, aber die Story und die beklemmende, düstere Atmosphäre des Buches hat Mary Lambert meines Erachtens schon ziemlich gut hinbekommen. Ich finde, wenn es um die reinen Horrorwerke geht, gehört der schon zu den fünf besten King-Verfilmungen, wenngleich mich das Buch noch mehr gepackt hat in diesem Fall - im Gegensatz zu "Misery".



Bei "Der Nebel" würde ich dagegen keine Konsumempfehlung aussprechen. Die Exposition ist zwar gelungen, aber just in dem Moment, wo sich das Geheimnis des Nebels offenbart, verliert der Film meines Erachtens jeglichen Reiz. Das sprichst du ja auch als generelles Problem der King-Verfilmungen an, wenn ich dich da richtig verstehe. Würde ich auch absolut beipflichten, allerdings nicht als spezifisches Problem der King-Verfilmungen bezeichnen, sondern als generelles Problem des Horrorgenres. Es passiert mir immer wieder, dass ich den "Schrecken" so lange interessant finde, wie auf ihn hingearbeitet und er im Verborgenen bleibt - und es mich schrecklich langweilt, sobald ich ihn erstmals direkt zu Gesicht bekomme.



"Under the Dome" habe ich bereits nach drei oder vier Folgen abgebrochen, da mich von der Grundidee der Kuppel abgesehen nichts hat überzeugen können. Vor allem die schauspielerischen Leistungen habe ich als desolat in Erinnerung, da kann meine Erinnerung aber auch ein wenig übertreiben. Wenn ich lese, dass es danach noch viel schlechter werden soll, bereue ich meine Entscheidung nicht. ;)





Fohlen
Sentinel2003
25.04.2016 09:27 Uhr 4
Hallo Fohlen: Under The Dome hat mir gefallen, bis zum Schluss!! Aber, ich bin ja kein Maßstab....
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