Mehrere Studios positionieren sich im Kampf gegen Intoleranz gegenüber all jene, die nicht heterosexuell sind.
Traumfabrik Hollywood. Mehr Schein als Sein. Produktionsstätte reiner Unterhaltung. So etwas wie Entscheidungen von Belang stehen da nicht zu erwarten … Mag man glauben. Doch Hollywood hat sehr wohl Macht, und nutzt diese Macht tatsächlich, um unsere Welt auch auf andere Arten und Weisen zu beeinflussen, als in Form von Unterhaltung. Auch politisch hat das Filmmekka etwas zu sagen. Damit seien an dieser Stelle nicht einmal politisch angehauchte Filme gemeint, wie etwa Michael Moores liberale Doku-Essay oder das Kopfschmerzen verursachende Drama «American Sniper».
Die Rede ist von echtem Einfluss. Von relevanten politischen Schachzügen, die über die bloßen Eigeninteressen der Studios hinausreichen. Einen solchen Kampf führen diverse Filmstudios aktuell gegen den US-Bundesstaat Georgia. Dort wird ein Gesetzesentwurf namens „Religious Liberty Bill“ besprochen, gegen den sich viele Mitglieder der Filmindustrie wehren. Denn was von christlich-konservativen Meinungsmachern als gesetzliche Schutzklausel der religiösen Freiheit verkauft wird, wäre in der Umsetzung ein Freifahrtschein zur hemmungslosen Diskriminierung.
Das noch nicht verabschiedete Gesetz sieht vor, dass es rechtens wäre, wenn Organisationen potentielle Kunden sowie Jobsuchende zur Tür weisen, sollten diese Personen „religiöse Gefühle“ verletzen. Oder deutlicher gesagt: Mit der Ausrede „Nee, also, ich bin ja strenggläubiger Christ …“ dürfte man Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender rausschmeißen. Denn offenbar liegt irgendwo eine explizitere, stupidere Fassung der Bibel vor, in der Jesus sagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Es sei denn, dir passt seine Sexualität nicht, dann zur Hölle mit ihm, verdammte Axt!“
Die Walt Disney Company scheint die Authentizität dieser Bibelfassung anzuzweifeln. Vielleicht aber hat man im Hause Disney auch schlicht noch alle Tassen im Schrank und so etwas wie Anstand gelernt. So oder so: Der gewichtige Unterhaltungskonzern gehörte zu den ersten Unternehmen, die auf diesen Gesetzesentwurf reagierten. Und drohte: Sollte dieser Gesetzesentwurf durchgewunken werden, so wird Disney nie wieder einen Film in Georgia drehen. Und wie Filmliebhaber, die sich treu jeden Abspann bis zum Schluss anschauen, beteuern können: In Georgia wird ziemlich viel gedreht, wie man am Pfirsichlogo im Nachspann erkennen kann.
Allein die Marvel Studios waren bereits für «Ant-Man» und «The First Avenger: Civil War» in Georgia, aktuell sind die «Guardians of the Galaxy» dort, um ihr zweites Abenteuer zu drehen. Mit den geräumigen Pinewood Studios bei Atlanta hat der Bundesstaat erst kürzlich viel Geld ausgegeben, um Hollywood noch effektiver anzulocken. Und nun droht die Filmwelt, ihre Wirtschaftskraft woanders zu parken. „Disney und Marvel sind Unterhemen, die für Inklusion stehen. Obwohl wir großartige Erfahrungen bei unseren Drehs in Georgia gesammelt haben, werden wir unseren Geschäften woanders nachgehen, sollte irgendein diskriminierendes Gesetz vom Staat verabschiedet werden“, lässt sich der Konzern im US-Branchenblatt ‚Variety‘ zitieren. Und findet Zustimmung durch Viacom, den geschäftigen Regisseur Tyler Perry, Indie-Produzent Harvey Weinstein, den Riesenkonzern Time Warner und zahllose Schauspielstars.
Nun hat Georgia die Wahl: Intolerant sein und die großen Studioflächen bald nur noch an die Macher von Religionspropaganda vermieten. Oder Anstand wahren und weiterhin gutes Geld verdienen. Hollywood derweil darf sein Engagement gerne weiter zeigen. Denn es gibt in Sachen Gleichbehandlung noch viel zu tun! Wie wäre es: Nachdem die LGBT-Gemeinde in Georgia vor diesem idiotischen Gesetz bewahrt wurde, können wir dann in Hollywood-Filmen auch mehr LGBT-Figuren sehen, die weder einem Klischee entsprechen, noch als „Token Minority“ auftauchen?
Update: Georgias Gouverneur Nathan Deal verkündete auf einer Pressekonferenz am späten Ostermontag, dass er sich gegen den Gesetzesentwurf aussprechen wird. Gut gemacht, Hollywood.
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