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Die Kino-Kritiker: «Criminal Activities»

Freddy Krueger und John Travolta machen gemeinsame Sache: Doch was theoretisch lustig klingt, erweist sich in «Criminal Activities» als halbgarer Versuch, auf Biegen und Brechen einen Kultfilm zu kreieren.

Filmfacts: «Criminal Activities»

  • Kinostart: 31. März 2016
  • Genre: Krimi/Schwarze Komödie
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 94 Min.
  • Kamera: Seamus Tierney
  • Musik: Keefus Ciancia
  • Buch: Robert Lowell
  • Regie: Jackie Earle Haley
  • Darsteller: John Travolta, Jackie Earle Haley, Michael Pitt, Dan Stevens, Christopher Abbott, Rob Brown, Edi Gathegi, Morgan Wolk
  • OT: Criminal Activities (USA 2015)
Früher oder später wollen sie alle mal auf den Regiestuhl. Ob Russell Crowe («Das Versprechen eines Lebens»), Ryan Gosling («Lost River») oder Joel Edgerton («The Gift»): Dem Traum, eines Tages selbst einmal alle inszenatorischen Fäden in der Hand zu halten, gehen in den letzten Jahren immer mehr Schauspieler nach. Auch der kantige Charaktermime Jackie Earle Haley, bekannt als Freddy Krueger aus dem 2010er-Remake von «Nightmare on Elm Street» und Oscar-nominiert für seine elektrisierende Performance in Todd Fields brillantem Drama «Little Children», fungiert bei seinem «Pulp Fiction»-Klon «Criminal Activities» erstmals als Darsteller und Regisseur. Für ein Debüt kommt eine solche Doppelfunktion schon einer gewissen Mammutaufgabe gleich. Als Entschuldigung, dass Haleys Erstlingswerk nur leidlich gelungen ist, funktioniert dieser Umstand allerdings nicht. Der Neuregisseur fügt einfach sämtliche gängigen Muster, Plotlines und Twists bekannter Neunzigerjahre-Kultfilme zu einem vermeintlich neuen Seherlebnis zusammen und verzichtet dabei in Gänze auf Originalität und Innovation. Das Ergebnis ist ein zwar kurzweiliges, dabei aber nur leidlich sehenswertes Filmvergnügen, das lediglich aus dem Zusammenspiel amüsanter Figuren einige hübsche Szenarien kreieren kann.

Vier Ganoven und ein John Travolta


Ausgerechnet die Beerdigung eines gemeinsamen Freundes bietet vier ehemaligen Klassenkameraden die Aussicht auf das Geschäft ihres Lebens: Dank eines Insidertipps wollen Zach (Michael Pitt), Warren (Christopher Abbott), Bryce (Rob Brown) und Noah (Dan Stevens) aus 200.000 Dollar an der Börse das große Geld machen. Eine glatte Fehlinvestition, an deren Ende sie tief beim berüchtigten örtlichen Gangster Eddie (John Travolta) in der Kreide stehen – bei dem hatten sie sich die leichtfertig eingesetzte Summe zuvor nämlich geliehen. Jetzt muss das ungleiche Quartett einen Weg finden, binnen kürzester Zeit die immensen Schulden aufzubringen, wenn sie nicht mit dem Leben bezahlen wollen. Derart unter Druck gesetzt, lassen sich Zach, Warren, Bryce und Noah auf einen möglicherweise lebensgefährlichen Deal mit Eddie ein: Sie sollen zu dessen Handlangern in einem mit allen Mitteln geführten Bandenkrieg werden und den Neffen eines gefürchteten konkurrierenden Mafiabosses kidnappen. Doch das ist lediglich der Auftakt einer sich in schwindelerregende Höhen schraubenden Gewaltspirale. An deren Ende stehen etliche Kollateralschäden, aber auch die ein oder andere für sicher gehaltene Wahrheit muss beerdigt werden.

Lassen wir doch erst einmal das Ensemble für sich sprechen: Neben John Travolta («Savages») in der Rolle von Hauptantagonist Eddie finden wir unter den Protagonisten Namen wie Michael Pitt («I, Origins»), Dan Stevens («Nachts im Museum – Das geheimnisvolle Grabmal»), Christopher Abbott («A Most Violent Year») und Rob Brown («The Dark Knight Rises»). Diese vier Typen bilden das Entführungsquartett wider Willen, das vor allem dadurch gefällt, dass die Darsteller nicht nur auf größtmögliche Kontraste gecastet wurden, sondern auch genau darüber funktionieren: die Gegensätzlichkeit. Wo das Gegensätze-ziehen-sich-an-Thema anderswo bereits bis zum Erbrechen ausgereizt wurde, macht es hier tatsächlich (noch) Spaß, den grundverschiedenen Kerlen beim gegenseitigen auf die Nerven gehen zuzuschauen. Dabei tangiert besonders Michael Pitt das Overacting immer wieder, doch für die besondere Würze in «Criminal Activities» sorgt das allemal. Und da der Film sonst recht wenig zu bieten hat, ist es vollkommen legitim, sich an der durchaus plakativen Charakterentwicklung der Figuren festzuhalten, da diese wenigstens mit Schmackes und weitestgehender Unvorhersehbarkeit daherkommt. Wenn sich später noch Edi Gathegi («Aloha – Die Chance auf Glück») als Entführungsopfer Marques hinzugesellt, wird den vier Ganoven allerdings immer dann die Show gestohlen, wenn der auch in der deutschen Synchronisation unheimlich überzeugende und stets zu einem kessen Spruch aufgelegte Gathegi das Parkett betritt. Jackie Earle Haley in der Rolle des Mafia-Schergen Gerry ist hingegen das Paradebeispiel einer andauernd in Filmen dieses Segments wiederkehrenden Rolle ohne jedwede Form der Eigenständigkeit. Dank Haley funktioniert sie von der Physis her trotzdem weitestgehend.

Leider droht diese hübsche Figurenkonstellation, die vom ehemaligen Mobbingopfer über den obsessiven Egomanen bis hin zum naiven Mitläufer reicht, aufgrund gestellter Dialoge und konstruierter Situationen alsbald der Verlust an Glaubwürdigkeit. Im Minutentakt feuert das Skript, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Lowell Szenerien ab, die einzeln für sich genommen ein recht amüsantes Bild ergeben. Doch in der hier dargebrachten Masse erwecken Szenen, in denen die Entführer plötzlich Heißhunger auf Eis entwickeln, Michael Pitt seinen Kumpan und Marques auf dem Klo überrascht oder in einer Reminiszenz an «Pulp Fiction» die typische „beim-Hängen-über-die-Brüstung-rutscht-den-Kriminellen-ihr-Opfer-durch-die-Hände“-Szene wiederholt wird, den Eindruck, lediglich deshalb zu existieren, um den Coolness-Faktor nach oben zu treiben. Ganz zu schweigen davon, dass all das ohne einen Hauch von Authentizität so wirkt, als hätte Jackie Earle Haley zwei Jahrzehnte verschlafen. Trotzdem darf angesichts der Entstehung von «Criminal Activities» ein Fakt nicht unberücksichtigt bleiben: Die Story selbst entstand über zwei Jahrzehnte vor jenen zu «Pulp Fiction» und Co. Es kann also lediglich von der Inszenierung her darauf geschlossen werden, dass sich Haley an derartigen Vorbildern orientierte.

Schlecht geklaut, nichts gewonnen


Ob er dies auch wirklich getan hat, lässt sich im Nachhinein wohl schwer prüfen. Trotzdem muss an dieser Stelle das bewertet werden, was der Zuschauer, der das Glück hat, «Criminal Activities» in einem seiner Stammkinos zu erwischen (die Kopienanzahl dürfte angesichts von Verleih und Produktionsstandard äußerst klein ausfallen), für sein Geld bekommt. Wir möchten an dieser Stelle davon abraten, die ungelenke Verschmelzung aus Krimi, Thriller und morbider Komödie im Kino zu sehen, denn auch technisch hat «Criminal Activities» nichts zu bieten, was unbedingt auf der großen Leinwand genossen werden muss. Die Reduktion auf das Wesentliche an Bildsprache und Musik, vollkommen ohne Filter oder andere visuelle Spielereien – geschweige denn Effekte – hat zwar auch seine positiven Seiten, wirkt aufgrund mangelhafter Ausleuchtung und einigen willkürlich wirkenden Schnitten aber mehr dilettantisch denn gewollt. Da hilft es auch nichts, dass «Criminal Activities» erwartungsgemäß zu jenen Filmen gehört, die das Publikum konsequent an der Nase herumführen, um die Situation nach 90 Minuten mit einem alles umwerfenden Twist aufzulösen. Das sorgt im Moment der Erkenntnis zwar für einen kurzen Überraschungseffekt, wird allerdings so plump vorbereitet und steckt rückblickend voller Logiklöcher, dass auch das hier nicht von Dauer ist.

Fazit


«Criminal Activities» mangelt es per se nicht an kreativen Ideen. Blöd nur, dass man sich dafür fast ausschließlich an Zitaten bereits existierender Filme bedient, sodass Jackie Earle Haley allenfalls eine nette Hommage, aber zu keinem Zeitpunkt ein eigenständiger (oder gar kultverdächtiger) Crime-Thriller gelungen ist. Und mit der berühmt berüchtigten Schlusspointe verspielt der Regiedebütant dann leider auch noch den letzten Funken an Glaubwürdigkeit, den der technisch ausbaufähige «Criminal Activities» bis dahin noch besaß.

«Criminal Activites» ist ab dem 31. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
30.03.2016 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/84606
Antje Wessels

super
schade


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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
30.03.2016 16:58 Uhr 1
Und wieder Ein Film, für den man sich die Kohle echt sparen kann!
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