Heike Makatsch ermittelt am Ostermontag in einem «Tatort»-Special in Freiburg. Doch nicht nur inhaltlich und dramaturgisch ist "Special" fast zu viel gesagt...
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Heike Makatsch als Ellen Berlinger
Rosmarie Röse als Melinda Mai
Julika Jenkins als Cornelia Mai
Jochanah Mahnke als Ruth Winterer
Anna-Lena Klenke als Harriet Wiesler
Max Thommes als Hendrik Koch
Emilia Bernsdorf als Nina Berlinger
Hinter der Kamera:
Produktion: Zieglerfilm Baden-Baden
Drehbuch: Thomas Wendrich
Regie: Katrin Gebbe
Kamera: Matthias Bolliger
Produzenten: Marc Müller-Kaldenberg und Pascal NothdurftUnter Freiburger Jugendlichen grassiert ein neues Hobby: Sie drücken sich die Luft ab, bis sie ohnmächtig werden, und finden das geil. Die titelgebenden „Fünf Minuten Himmel“ oder „Pass-out Game“ nennt man das.
Auch ein Mitarbeiter des Jobcenters hat es nicht so mit der optimalen Sauerstoffversorgung. Er sitzt erstickt, mit einem fest zugezogenen Kabelbinder um den Hals, am Schreibtisch vor seinem Computer-Monitor, auf dem ein Abschiedsbrief prangt. Einen Selbstmord schließt das Team um Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) aber bald aus, nach einem kurzen, sehr bemüht geschriebenen Knatsch mit dem zuständen Spurensicherer.
Aber nicht nur die meisten Dialoge dieses Freiburger «Tatort»-Specials sind sehr bemüht und eher aufgesetzt als stimmig geschrieben, sondern auch seine Hauptfigur. Die ist gerade nach langem Englandaufenthalt zurück ins südwestliche Baden-Württemberg gezogen, wo ihre Mutter wohnt, die die letzten vierzehn Jahre Ellens Tochter Nina großgezogen hat. Nina hat keinerlei Erinnerungen an ihre Mutter und kennt sie nur von alten Photos. Und Ellens Mutter ist freilich wenig begeistert, als Ellen plötzlich auf der Matte steht und verklausuliert in allerhand Subtext ihren
Baggage aufarbeiten will.
Der Tote im Jobcenter ist derweil der willige Aufhänger für diesen «Tatort», uns ins Milieu der Arbeitslosen und prekär Beschäftigten zu führen, deren Elend uns theatralisch, aber arm an Verschiedenheit vorgestellt wird. Depressive alleinerziehende Mütter, deren Kummer über den anstehenden Verlust der Wohnung unerträglich geworden ist. Gewalttätige Väter, die ihre Töchter als Arbeitstiere auf ihrem improvisierten (und nicht nur hygienisch vollkommen unzureichend geführten) Gnadenhof missbrauchen. Und nicht gerade die hellsten Teenager, die sich bis zur Bewusstlosigkeit die Luft abschnüren.
© SWR/Ziegler Film
Im Grunde genommen ist Herr Kurani (André Benndorff) ein harmloser Spinner, der durch den Verlust seiner Wohnung aus der Bahn geworfen wurde. Doch als er sie angreift, muss Ellen Berlinger (Heike Makatsch) ihn überwältigen.
Psychologisch ist das alles ziemlich oberflächlich – und auch atmosphärisch hat man in „Fünf Minuten Himmel“ viel gewollt, aber leider nicht sonderlich viel erreicht. Das Thema (Armut und Perspektivlosigkeit) wirkt zu reißerisch in Szene gesetzt, zu simplifiziert: Schuld am Elend sind groteske, sozial unverantwortliche Miethaie, die die alten unwirtschaftlichen Buden in den Profit sanieren wollen, und vollgepferchte Jobcenter. So weit, so gut. Aber das ist eben nicht das ganze Bild. Nur die psychologischen Folgen jahrelangen Hartz-IV-Bezugs und des sozialen Abstiegs verhandelt dieser «Tatort» noch grobschlächtiger. Manche drehen durch, brechen immer wieder in ihre ehemalige Wohnung ein und malen dort unter wahnhaftem Gemurmel kleine Fischchen an die Wand, in Vorbereitung eines ominösen Plans. Andere erliegen einer schweren Depression und vernachlässigen deswegen ihre Kinder. Dazwischen gibt es nichts. Und Ellen Berlinger? Die guckt von außen betroffen zu, ist aber emotional sehr mit sich selbst beschäftigt.
Am Schluss fragt man sich, was das alles eigentlich sollte. Für diesen lauen Plot und diese maximal durchschnittlich interessanten Figuren heuert man Heike Makatsch an, um mit ihr ein einmaliges Special in einer neuen «Tatort»-Stadt zu machen? Wenn dieses „Special“ seinem Namen gerecht werden und außerhalb des neuen Spielorts wirklich etwas Besonderes, Außergewöhnliches auf diesem Sendeplatz erzählen oder zeigen wollte, hat man dieses Ziel klar verfehlt. Denn herausgekommen ist ein bestenfalls durchschnittlicher «Tatort», der die Ingredienzen verwurstet, auf denen auch zwei Drittel der anderen Spielorte vornehmlich ihre Plots und Themen aufbauen. Nicht nur für ein „Special“ ist das viel zu wenig.
Das Erste zeigt «Tatort – Fünf Minuten Himmel» am Montag, den 28. März um 20.15 Uhr.
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