Aktueller und brisanter könnte ein «Tatort»-Stoff kaum sein: Thorsten Falke muss einen Anschlag islamistischer Terroristen verhindern. Dass sich die Folge daran nicht verhebt, ist ein großer Gewinn.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke
Franziska Weisz als Julia Grosz
Christoph Letkowski als Rocky Kovac
Cem-Ali Gültekin als Enis Günday
Marie-Lou Sellem als Polizeirätin Hellinger
Claudia Eisinger als Laura
Alexander Wüst als Mike Kovac
Hinter der Kamera:
Produktion: Wüste Medien GmbH
Drehbuch: Florian Oeller
Regie: Özgür Yildirim
Kamera: Matthias Bolliger
Produzenten: Björn Vosgerau und Uwe KolbeDie sogenannte „Braunschweiger Brigade“, eine Bande islamistischer Syrien-Heimkehrer, plant einen Anschlag irgendwo in Norddeutschland. Wo genau, kann kein Mensch sagen, über die Identität der Männer gibt es zwar ziemlich präzise Vermutungen und Informationen, doch entsprechende Fahndungen laufen bisher weitgehend ergebnislos.
Bis aus einem Flugzeug die Leiche eines Mannes in den Swimming-Pool eines reichen Anwesens im Großraum Hannover fällt. Das Opfer ist – so viel weiß der Zuschauer von Anfang an – von einem Flughafenmitarbeiter ermordet worden, der ihn mit jemandem verwechselt und ihn kurzerhand erschlagen hat, um ihn als Zeugen loszuwerden.
Der Hannoveraner Flughafen ist nämlich, wie Thorsten Falke und die dort ansässige Dienststelle der Bundespolizei rasch feststellen, von klandestinen Schleusergängen durchzogen, die so ausgereift angelegt sind, dass sie ihren Urheber unter den Flughafenmitarbeitern vermuten lassen. Von illegalen Einwanderern sind die Hintermänner nun offenbar auf Terroristen als Klienten umgestiegen – wahrscheinlich, weil das lukrativer ist. So ist auch Enis Günday, der Kopf der Braunschweiger Brigade, kürzlich wieder ins Land gekommen. Falke und sein Team müssen nun am Flughafen ins Wespennest stechen, um eine brandgefährliche Schleuserbande dingfest zu machen und einen Terroranschlag irgendwo in Niedersachsen zu verhindern.
Wäre Nick Tschiller mit diesem Fall betraut worden, würde er wahrscheinlich schon im ersten Viertel des Films die Panzerfaust auspacken und kräftig aufräumen. Das mag zwar auch viel Schönes haben, aber ein Krimi mit Thorsten Falke als Hauptfigur findet andere Möglichkeiten. Er erzählt gleichsam dicht und spannend (trotz weitgehend offen geführten Tätern), aber psychologischer, atmosphärischer, kurz: wahrscheinlich relevanter und realistischer.
In intensiven Szenen verhandelt „Zorn Gottes“ eine nun reale – oder zumindest nicht mehr undenkbare – Terrorgefahr in der Bundesrepublik, mit dem Willen, diese Sachlage zu problematisieren und konsequent zu erzählen. Auch für vergleichsweise ambivalente Figuren endet ihre Verstrickung in den Terror-Plan im höchsten Desaster. Und so wirft diese Folge einen sehr unverklärten Blick auf die Täter und die Polizei, deren Figuren hier einmal keine plakativen Sätze zu staatlichen Überwachungsmaßnahmen und dem Spannungsfeld zwischen Rechtsstaatlichkeit und unbedingter Gefahrenabwehr aufsagen müssen. Gleiches gilt für die Täter, deren (persönliche) Motivation für ihren geplanten Anschlag zwar narrativ ergründet wird, während ihre Rechtfertigungen jedoch nicht als exkulpierendes Argumentationsmaterial im Raum stehen gelassen werden. Auch in diesem Punkt leistet der neue Falke-«Tatort» weit mehr als der sonntagabendliche ARD-Regelbetrieb.
Ansonsten fällt freilich Franziska Weisz als Falkes neue Kollegin Julia Grosz positiv auf. Ihre Figur ist sehr zurückhaltend angelegt, eine
Overachieverin bei der Bundespolizei am Hannoveraner Flughafen, bei deren Kompetenz man sich manchmal fragt, warum sie nicht an einer exponierteren Stelle sitzt – eine Frage, die „Zorn Gottes“ auch beantwortet.
Bedacht und relativ leise, vielleicht sogar ein bisschen unscheinbar erzählt der «Tatort» diese Woche einen hoch brisanten – und leider auch äußerst aktuellen – Stoff. Und hat damit sehr viel richtig gemacht.
Das Erste zeigt «Tatort – Zorn Gottes» am Sonntag, den 20. März um 20.15 Uhr.
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