Im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima sind auch die Medien ins Zentrum der öffentlichen Kritik geraten. Sogar die Frage, ob Teile der Presse Regierungsgesteuert sind, war aufgekommen. Müsste es nicht eher heißen, ob die Politik ausschließlich Politik-gesteuert ist?
Am Sonntag finden in den drei Bundesländern Sachsen-Anhalt, Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz die Landtagswahlen statt, in denen insbesondere eine Partei im Mittelpunkt steht: die Alternative für Deutschland. Einer Partei, die sich nicht nur aus einer sich in ihren Augen abgehängt fühlenden Wutbürgerschaft und Protestwählern, sondern auch Akademikern, Lehrern, Angestellten und konservativen, ehemaligen CDU- und CSU-Mitgliedern und Stammwählern zusammen setzt, die sich in der aktuellen Politik nicht mehr repräsentiert sehen. Und so hart, wie diese Wahlen im Internet und in den Medien umkämpft scheinen, könnte man fast meinen, es ginge glatt um die gesamte Seele Deutschlands. Fragen über die Flüchtlings- und Integrationspolitik dominieren die Medien und politischen Debatten. Die gesellschaftliche Stimmung scheint auf alarmierende Weise aufgeladen. Zu beobachten ist ein komplexes psychologisches Geflecht bestehend aus Unzufriedenheit, Angst- und Hassgefühlen, das kaum noch sprachlich zu erfassen ist, ohne selbst wertend oder emotional zu klingen. Die Begründung für diese tiefsitzenden Gefühle und dem generellen Misstrauen gegenüber dem Journalismus, allein in einem Versagen der Politik und der Medien zu suchen, wirkt allerdings zu einfach gegriffen, wenn nicht sogar grob fahrlässig
Das Politikum öffentlich-rechtliche Sender
Genau darum geht es aber auch: Die Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, sind mittlerweile selbst zum Politikum geworden. Nicht zuletzt wegen Vorwürfen von Lesern und Zuschauern, Pegida, AfD und auch CSU-Politiker Horst Seehofer, die eine links- und einer von der Regierung beeinflussten, einseitigen Berichterstattung über Angela Merkels Politik beklagen, müssen ARD, ZDF und viele Pressevertreter ihre journalistische Integrität verteidigen. Die Fragen, was Presse darf, was sie kann und was sie sollte, werden heutzutage genauso brennend diskutiert wie die Themen, welche eben diese Medien behandeln. Geht man dieser Diskussion im Internet nach, begibt man sich in einen schwindelerregenden Kaninchenbau bestehend aus Vernunftvorschlägen, vorgefertigten Meinungen, Unsicherheiten, Anschuldigungen und Verschwörungstheorien etc., die wiederum mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Ist der Journalismus objektiv oder von der Politik und dem Establishment gesteuert? Und das ist noch eine höfliche Formulierung. Dennoch handelt es sich um einen Diskurs, der auf noch viel größere und fundamentale Fragen hinzuweisen scheint, die weit über Begriffe wie „Lügen-, System-, Mainstream- und Pinocchio-Presse“ hinausgehen. Ist eine objektive Berichterstattung schwierig, wenn nicht sogar ganz unmöglich? Können die Medien mit ihren verschiedensten Formaten, Meinungen, Kommentaren und Fragestellungen bestenfalls nur nach einem objektiven Journalismus streben?
Das Streben nach der Journalismus-Utopie
Auch in der Presse werden diese Fragen erörtert. So schrieb zum Beispiel
Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer bezüglich der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen Sender von einem „Nanny-Journalismus“. „Es gibt kein Bild und keinen O-Ton, bei denen man den Menschen nicht sagt, welchen Reim man sich darauf machen kann,“ erörterte Fleischhauer im Januar in seiner
Spiegel-Kolumne.
Zeit-Redakteur Thomas E. Schmidt schrieb in seinem Artikel „Bloß keine Kritik“ kürzlich: „Medien schwangen sich zum gesellschaftspolitischen Akteur auf, um den sich formierenden Rechtspopulismus zu besiegen.“ Auch sein Chefredakteur Giovanni di Lorenzo berichtete in seiner ausführlichen Rede im Dresdener Schauspielhaus am 28. Februar von der Lage des Journalismus: Er sparte dabei neben Kritik an dem öffentlichen, besorgniserregenden Diskurs auch nicht an Selbstkritik. So stellte er schon unlängst fest, dass die meisten Redaktionsmitarbeiter, auch in seiner Redaktion, aus ähnlichen sozialen Hintergründen stammen.
Weiterhin spricht er von Versäumnissen bei der Berichterstattung bei ARD und ZDF. So beklagt er zum Beispiel, dass die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 erst in der Woche danach im «heute-journal» und in den «Tagesthemen» aufgegriffen wurden – gleiches übrigens lässt sich für viele weitere Medien behaupten, gab es viel früher schließlich noch keine offiziellen Auskünfte darüber. Dennoch sieht er hierin eine Chance und fordert, Fehler einzugestehen und einen transparenteren Einblick in den Beruf des Journalismus zu zulassen. Außerdem möchte er Formate wie Nachrichten und Kommentare viel deutlicher von einander trennen und auch unterschiedliche Ansichten zu tagesaktuellen Themen in Pro- und Contra Artikeln hervorarbeiten.
Dies sind sehr lobenswerte Vorschläge, deuten aber auch eine riesige Herausforderung hin, den sich die Medien allerdings unbedingt stellen müssen. Eine gewisse politische Brandbreite in den Redaktionen kann da sicherlich nicht schaden, denn Journalismus kann nicht nur bedeuten, dem Gegenüber unangenehme Fragen zu stellen, sondern auch sich selbst. Eine Patentlösung gibt es jedenfalls nicht, vor allem in einer Zeit, in der sich jeder Leser und Zuschauer seinen eigenen Informationsfluss passend zur eigenen Ideologie zusammenstellen kann.
Die Elefantenrunden in Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz: Eine Einschätzung
Ganz aktuell stellte sich dem SWR allerdings ein Debattierproblem in den Weg. SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer weigerte sich am letzten Donnerstag, zusammen mit der AfD an der sogenannten Elefantenrunde in Rheinland-Pfalz teilzunehmen. SWR-Chefredakteur Fritz Frey kritisierte diese Entscheidung in einem
Spiegel-Interview scharf: „ Das ist die Absage an die Überzeugung, man selbst habe die besseren politischen Ideen und Argumente.“ Anwesend war stattdessen der rheinland-pfälzische Minister des Innern Roger Lewentz, um die SPD zu vertreten. Trotz diesem großen politischen und auch sehr kritischen Echo, präsentierten sich in den beiden Bundesländern Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz zwei sehr unterschiedliche Debatten, die offensichtlich verschiedene Herangehensweisen an eine Fernsehdebatte und einen medialen Umgang mit der kontroversen AfD-Partei widerspiegelten.
Die beiden SWR-Moderatoren Stephanie Haiber und Clemens Bratzler eröffneten ihre Debatte mit dem Thema Flüchtlingspolitik und FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke nutzte direkt die Chance, Kanzlerin Merkel eine verfehlte Politik vorzuwerfen. Der baden-württembergische Ministerpräsident der Grünen attestierte der Kanzlerin, eine „große Managerin“ zu sein und forderte, dass die Flüchtlingsfrage auf einer europäischen Ebene zwar zäh, aber „Schritt für Schritt“ zu lösen sei. Vorsitzender der CDU-Fraktion Guido Wolff beteuert, das die „Politik des Durchwinkens“ vorbei ist. Die Debatte bleibt ruhig und zivilisiert. Erst als Haiber und Bratzler auf die Forderungen des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthens nach einem Grenzzaun zu sprechen kamen, veränderte sich der Ton. Auch die umstrittenen Forderungen von AfD-Politikerin Frauke Petry nach dem Gebrauch von Schusswaffen als Grenzschutzmaßnahme wurden mit ins Spiel gebracht. Die kritische Befragung solcher extremen Aussagen ist absolut berechtigt, dennoch wirkt sie ab diesem Punkt wesentlich suggestiver und der Ton aggressiver. Mehrere Male versuchten Haiber und Bratzler Meuthers Antwort auf die Grenzschutz-Frage, wie es scheint, die Worte „mit Schusswaffen“ unterzuschieben. Seine eigenen Aussagen und die von Petry waren schnell relativiert.
© SWR/Kristina Schäfer
In der Alten Lokhalle in Mainz trafen die Spitzen der Parteien in Rheinland-Pfalz aufeinander. Malu Dreyer (SPD), die amtierende Ministerpräsidentin fehlte bei der "Elefantenrunde", um der populistischen AfD aus dem Weg zu gehen. "Die AfD hat Positionen, die aus meiner Sicht sehr radikal sind, etwa ein erzkonservatives Frauen- und Familienbild, und sie ist keine Partei, die sich mit Argumenten auseinandersetzt", erklärte Dreyer im Fernsehsender phoenix. Sie stehe zu ihrer Entscheidung, sich nicht mit Vertretern der AfD an einen Tisch zu setzen. "Ich hätte mich immer wieder so entschieden", meinte Dreyer und fügte hinzu: "Es wäre sehr schade, wenn die AfD in den Landtag einziehen würde." Das aber wird sich - glaubt man den aktuellen Umfragen - kaum verhindern lassen.
Dieser Ton setzte sich bei der Befragung von Meuthen fort, die Moderatoren lieferten oftmals Fragen, die schon wie Antworten klangen. Zwischendurch sollte ein Einspieler über drei extreme Mitglieder der AfD für „Auflockerung“ sorgen. Zu sehen waren AfDler, die sich in radikaler Weise äußerten, auf den allerdings im Anschluss kaum Bezug genommen wurde. Schade. Das Gezeigte wirkte so, als müsse man sich noch einmal erinnern, wo die AfD politisch zu verankern ist. Der Streit über weitere Aussagen setzte sich zwischen den Parteimitgliedern fort und entglitt den beiden Moderatoren des Öfteren. Nur gelegentlich kam eine sachliche Diskussion zustande und komischerweise passierte es bei einer weniger umkämpften Politik, der Bildung, dass sich der AfD-Mann mit Pauschalaussagen verrannte. Dennoch bot sich dem Zuschauer bis zuletzt eine ziemlich diffuse Sendung, die mehr darauf aus zu sein schien, eine bestimmte Partei zu definieren und weniger die Ideen und Kandidaten zu präsentieren.
Anders verhält es sich bei der Debatte in Rheinland-Pfalz, was einerseits der ruhigen Hand der beiden Moderatoren Birgitta Weber und Sascha Becker geschuldet war, andererseits der klugen Struktur der Sendung: Zu Beginn diskutierte man die Natur des momentanen politischen Diskurses und auch die Abwesenheit der SPD-Spitzenkandidatin. Zunächst jedoch wurde die Wahlkampfsprache des AfD-Politikers Uwe Jung diskutiert:„Frau Merkel wird scheitern mit all ihren Vaterlandslosen Brandstiftern aus der SPD und dem widerwärtigen Umfeld der pädophilen Grünen.“ Trotz dieser harschen Worte des AfD-Politikers Uwe Junge, die in einem Einspieler gezeigt wurden, blieb der Ton sachlich und Brigitta Weber stellte die durchaus berechtigte Frage, ob diese Art Sprache für eine Wahlkampfrede angemessen sei. Junge wich aus und begab sich argumentativ in eine Sackgasse.
Die Vorgehensweise, gerade diese Diskussion an den Anfang zu stellen war an sich klug, denn es schaffte einen gewissen Raum für einen nüchternen Dialog über die folgenden Themen. Diese beinhalteten natürlich auch die Flüchtlingspolitik, aber es ging nicht nur um diffuse und extreme Aussagen, sondern um die Entlastung der Kommunen bei der Flüchtlingshilfe, die Belastungsgrenze der Polizei, Kitas und auch die Infrastruktur von Rheinland-Pfalz. Auch wenn die Diskussion erwartungsgemäß öfters ausscherte, schafften es die Moderatoren Weber und Becker immer wieder den Fokus zu finden. An dieser Stelle soll es nicht darum gehen, wer am Ende der Elefantenrunde als Sieger oder Verlierer hervorgeht, sondern eher darum, dass mit einer ausgeglichenen Moderation, klugen Struktur, vor allem in Rheinland-Pfalz, und sogar mit einer anwesenden AfD eine interessante Debatte entstehen kann. Eine Diskussion, in der die jeweiligen Kandidaten ihre Ideen vortragen und kritisch, aber nicht unbedingt wertend hinterfragt werden.
Viel Gebrüll um Nichts?
Sinnbildlich für die derzeitige politische Kultur aber waren Teile der aufwändig umgesetzten Spezial-Ausgabe des ZDF-Talkformats «Maybrit Illner», das am Donnerstagabend eine Vielzahl an wichtigen Politikern unterschiedlicher Couleur versammelte. Augenscheinlich wurden hier die Kommunikationsstrategien der verschiedenen Spitzen-Politiker, die nachwievor keine Lösung für die zentralen Probleme der Flüchtlingskrise zu haben scheinen – oder schlicht an den (in Teilen ja durchaus berechtigten Fragen und Sorgen der Bürger) vorbeireden. Gerade ein lautstarkes Sich-ins-Wort-Fallen der Linken Katja Kipping mit AfD-Spitze Frauke Petry machte deutlich, dass es selbst diesen Parteien nicht im Konkreten um die wirklichen Fragen der Bürger geht, sondern eher um das Platzieren ihrer Botschaften.
So kam Kipping wieder und wieder auf Hartz IV-Regelsätze zu sprechen, während Petry selbst nach hartnäckigstem Nachfragen keine Angaben machen konnte, für welche Steuerpolitik ihre Partei steht. Claudia Roth, die zuvor Teil der kleinen Runde war, übte sich in lobenden Worten – gepaart mit Durchhaltparolen – konnte den beteiligten Familienvater damit allerdings augenscheinlich ebenfalls nicht überzeugen und schon gar nicht beeindrucken.
Basierend auf dieser Sendung bleibt kurz vor der richtungsweisenden Wahl am Sonntag, die der umstrittenen AfD ziemlich sicher den Einzug in gleich drei Landtage bescheren wird, eine Erkenntnis: Konkret auf die Fragen der Bürger gehen Politiker in diesen Tagen nur dann ein, wenn die Aussagen mit ihrem Parteiprogramm konform sind. Passen Sie nicht – wie etwa bei einem Gespräch mit dem sozial engagierten Norbert Scheiwe, der sich intensiv um Flüchtlinge kümmert, wird die Realität allzu gerne weggelächelt, wenn die Aussagen der Betroffenen nicht ins eigene Bild passen. Hier scheinen sich die Parteien derzeit zu oft ganz ähnlich zu sein. Der Verlierer? Der Bürger, der sich gerade kurz vor den Wahlen nicht immer ernst genommen fühlen kann, und das gilt für das gesamte politische Spektrum. Wahlkampf bleibt eben doch nur Wahlkampf.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
13.03.2016 12:12 Uhr 1
13.03.2016 13:54 Uhr 2