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Die neue King-Serie: Ist «11/22/63» nur 08/15?

James Franco darf als Lehrer zurück ins Jahr 1960 reisen und erhält die Chance, das Attentat auf JFK zu verhindern. Kann die Allianz aus Stephen King und J. J. Abrams halten, was sie verspricht?

Worum geht´s?


Facts

  • Romanvorlage: "Der Anschlag" ("11/22/63") von Stephen King
  • Erstveröffentlichung: 2011
  • Produzenten: J.J. Abrams, Stephen King, Bridget Carpenter & Bryan Burk
  • Produziert von: Bad Robot / Warner Bros. Television
  • Network: Hulu
  • Episoden: 8 (eine Staffel)
  • Stars: James Franco, T. R. Knight, Chris Cooper, Lucy Fry u. a.
Das Leben des Englischlehrers Jake Epping (James Franco) läuft nicht wirklich rund: Seine Frau will die Scheidung, der Vater ist kürzlich verstorben und seine Schüler hören ihm kaum zu. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass sein bester Freund Al (ein bestens aufgelegter Chris Cooper) ihm von seiner Krebserkrankung berichtet und bald sterben wird. Vorher zeigt er Jake jedoch, als eine Art spektakuläre Pre-Abtritts-Enthüllung, noch sein größtes Geheimnis: Einen Kleiderschrank.

Im ersten Moment sicher nicht der große Kracher, auf den zweiten Blick jedoch schon eher. Denn nicht erst seit «Die Chroniken von Narnia» wissen wir, zu was so eine Hemden- und Hosenauffangstelle gut sein kann. Diese hier fördert zwar keinen sprechenden Löwen zu Tage, führt dafür aber schnurstracks zurück ins Jahr 1960 - genauer: Zum 21. Oktober 1960.

Jake ist zunächst verständlicherweise skeptisch, lässt sich durch einen kurzen Abstecher in die Swinging Sixties aber schnell überzeugen. Al erklärt, warum er seinen Freund eingeweiht hat: Seit geraumer Zeit hatte er versucht, das Attentat auf John F. Kennedy vom titelgebenden 22. November 1963 zu verhindern. Al hat zu diesem Zweck bereits Jahre in der Vergangenheit zugebracht, war bisher jedoch gescheitert. Aufgrund seines Zustands soll nun Jake diesen Part übernehmen. Seine Denke: Wenn Kennedy überlebt, wird der Welt viel Unheil - wie der Vietnamkrieg - erspart bleiben. So weit, so fragwürdig.

Mit auf den Weg bekommt Jake drei goldene Zeitreise-Regeln (as written by Stephen King):

1. Der Schrank führt immer zum selben Zeitpunkt, dem 21. Oktober 1960.
2. Egal wie lange man in der Vergangenheit bleibt, in der Gegenwart vergehen nur 2 Minuten.
3. Wenn man den Schrank erneut betritt, sind alle vorigen Veränderungen nichtig.
4. Niemals nach Mitternacht füttern.

Nein, zugegeben - Letztere stammt aus einem anderen Film. Doch auch wenn es hier keine Fütterungstipps zu beachten gilt, bekommt Jake es dennoch mit einem äußerst komplizierten und wenig pflegeleichten Charakter zu tun: Der Zeit selber.

Don´t fuck with the timeline


Diese möchte eine Sache nämlich gar nicht: Verändert werden. Da kommt ihr der Besucher aus dem Schrank natürlich nicht gar so Recht. So muss Jake sich bei seinem Versuch, mehr über den vermeintlichen Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald (grandios: Daniel Webber) in Erfahrung zu bringen, eben nicht mit einem Antagonisten aus Fleisch und Blut und glücklicherweise auch nicht mit zeitfressenden Pelz-Pacmans (schöne Grüße an «Langoliers») auseinandersetzen, sondern tritt gegen die Zeit selber an, die in bester «Final Destination»-Manier gegen ihn und seine Machenschaften vorgeht. Clever und äußerst effektiv.

Auf seinem Weg durch die ihm unbekannte Zeit trifft er selbstverständlich auch noch eine attraktive Frau (Sarah Gadon), angelt sich einen Side-Kick mit dem er sich austauschen kann (leider austauschbar: George MacKay) und arbeitet sich an diversen Nebenkriegsschauplätzen ab, die zuerst weniger, gen Ende aber zunehmend Sinn ergeben.

Keine Frage: Die Miniserie besitzt trotz der überschaubaren Laufzeit ihre Längen, überspielt diese aber zumeist durch interessante Wendungen und die historisch relevante Backstory - das lässt sich zwar bei Weitem nicht mit der Tiefe einer Produktion wie der aktuell ersten Staffel von «American Crime Story» vergleichen, bietet aber zumindest ein wenig Geschichtsunterricht in mundgerechten Portionen.

Ich will so bleiben wie ich bin


Und wie sollte es bei einem durchaus zweifelhaften Hauptcharakter wie Jake Epping auch anders sein? Wenn James Franco etwas kann, dann den schnöseligen Lebemann herauskehren. Dazu erhält er hier dann auch ausreichend Gelegenheit, als sein Jake sich direkt den auffälligsten Sportwagen kauft und dank Informationen aus der Zukunft (der Sport-Almanach lässt grüßen) mit einem hohen Wettgewinn für Furore sorgt. Der Titelheld braucht definitiv seine Zeit, um sich anzupassen. Franco spielt den von der Leine gelassenen Versager mit schelmischem Esprit und verleiht seiner Figur mehr Profil, als eine stromlinienförmigere Darstellung eingebracht hätte.

Hinzu kommt eine gediegene Optik, die die Sechziger mindestens auf einem Level mit «Mad Men» aufleben lässt, ein stimmiger und stimmungsvoller Soundtrack und durch die Bank gute bis sehr gute Schauspielleistungen.

Fans der Vorlage werden sicher den einen oder anderen Handlungsstrang vermissen oder sich an nötigen wie unnötigen Änderungen aufreiben, für den relativ unbeleckten Zuschauer bietet «11/22/63» jedoch ein spannendes Stück Zeitgeschichte, garniert mit Drama und Humor. Am Ende zwar kein pures Gold wie «The Green Mile», aber ganz sicher eben auch kein 08/15 wie «Under the Dome». Somit hält die Allianz des Mainstream-Papstes J. J. Abrams und des Horrormeisters Stephen King durchaus was sie verspricht. Ein Best of beider Welten sozusagen, das zeigt, dass es bei einem King-Stoff eben am Ende primär darauf ankommt, in wessen Händen er sich befindet.

Fazit


Auch wenn die Streuung bei King-Verfilmungen oft Angst macht: «11/22/63» landete auf der sicheren Seite, besticht durch hohes Produktionsniveau, eine flüssige Dramaturgie und Inszenierung sowie einen überraschend gut funktionierenden James Franco als Herz des Geschehens. Als Event-Serie eine klare Empfehlung und für Hulu ein erster, wichtiger Schritt in Richtung qualitativ hochwertigen Outputs.

«11.22.63 - Der Anschlag» läuft ab dem 11. April 2016 immer montags ab 21.00 Uhr auf FOX. Wahlweise in deutscher Fassung oder im englischen Original .
11.03.2016 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/84176
Björn Sülter

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Tags

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
vimarian
11.03.2016 14:19 Uhr 1
Tatsächlich - die Serie ist handwerklich ansehnlich, der Spannungsbogen auch in Ordnung. Es krankt nur,, wie auch gesagt, am Üblichen: "Fans der Vorlage werden sicher den einen oder anderen Handlungsstrang vermissen oder sich an nötigen wie unnötigen Änderungen aufreiben"

Tatsächlich habe ich, als Teil der lesenden Bevölkerung, die Serie nach zweieinhalb Folgen abgewählt. Das Buch wurde dermaßen verstümmelt, die Charaktere (allen voran der Hauptdarsteller) so furchtbar ihrer Tiefe beraubt, dass es mir persönlich wie eine Schande vorkam. Es bleibt dabei: King adäquat zu verfilmen ist fast unmöglich. Die guten Verfilmungen (Green Mile, Shawshank Redemption) bleiben hier die rare Ausnahme, das ändert sich auch mit dieser Serie nicht. Obwohl king selber dran mitwirkt. Schade.
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