Wie gut war die rundum erneuerte ProSieben-Oscar-Berichterstattung? Und wie hat sich Chris Rock bei der Nacht der Nächte in Hollywood geschlagen?
Seite 2
Das Motiv der überforderten Regie setzte sich auch bei der eigentlichen Oscar-Verleihung fort: Glenn Weiss hatte wiederholt Probleme bei Übergängen zwischen zwei Programmpunkten und der Einleitung der Werbeblöcke. Mehrmals gab es kurz Bilder aus einer Ecke des Dolby Theatres zu sehen, in der sich gerade nichts von Relevanz abspielte, und die Kameraeinstellung während der Laudationes fielen stellenweise unangenehm nah an den Präsentatoren aus. Diese kleineren technisch-handwerklichen Patzer werden jedoch kaum in Erinnerung bleiben, denn was Moderator Chris Rock und die Produzenten David Hill und Reginald Hudlin auf die Beine gestellt haben, war herausragend! Seit Hugh Jackmans Oscar-Nacht im Jahr 2009 gab es keine dermaßen knackig ablaufende und kurzweilige Academy-Award-Verleihung zu sehen wie diese!
Die tragende Säule der Preisverleihung war selbstredend der Moderator: Chris Rock nahm das im Raum schwebende Thema der mangelnden Vielfalt bei den Oscars und hatte enormen Spaß damit. Der Comedian lieferte zum Beginn des Abends ein Schnellfeuerwerk an frechen Seitenhieben ab, die selten zynisch waren, sondern zumeist mit spitzbübischem Charme auf die Probleme in Hollywood eingingen. Rocks Monolog beschönigte die Probleme nicht, rutschte aber nie in einen belehrenden, mahnenden Tonfall ab, der dem Abend den Entertainment-Faktor genommen hätte. Diese Attitüde haben auch mehrere Comedy-Einspieler beibehalten, in denen Rock das komödiantische Potential der #OscarsSoWhite-Debatte weiter ausgeschöpft hat.
Ein paar ernste Worte wurden in der Oscar-Nacht dennoch verloren. Sowohl von Rock, der Hollywood daran erinnerte, dass nicht-weiße Filmschaffende und Schauspieler einfach nur faire Möglichkeiten haben wollen, ihrem Werk nachzugehen, als auch von der Academy-Präsidentin: Cheryl Boone Isaacs erläuterte in einem einfühlsamen Monolog, dass alle Künstler in Hollywood in der Bringschuld sind, dafür zu sorgen, dass die Oscars und alle Branchen innerhalb des Filmgeschäfts so viel Vielfalt haben, wie das Publikum.
So unstet die Regie bei den Oscar auch gewesen sein mag, war die Gala sehr gut produziert: Das Bühnenbild änderte sich passend zur Kategorie und die Nominierungsclips waren so gut gemacht wie seit Jahren nicht mehr. Besonders stachen die beiden Tonkategorien vor, die durch die wuchtigen Filmausschnitte und die Erläuterungen der Laudatoren Chadwick Boseman und Chris Evans dem fachfremden Publikum sehr fähig nahegebracht wurden. Generell sorgte das On-Air-Design für sehr hübsche, übersichtliche und informative Clips, ebenso wie die obligatorische Montage zu Beginn der Show auf schöne Weise Werbung für die Power von Hollywood-Filmen machte. Kleine, humorvolle Einlagen wie die Laudatio für den besten Animationsfilm durch Woody und Buzz aus «Toy Story», die Präsentation des besten Kurz-Animationsfilms durch die Minions und ein Auftritt der «Star Wars»-Droiden sorgten derweil für Abwechslung und Kurzweil. Kritisch ist unterdessen die Entscheidung zu betrachten, nur drei der fünf nominierten Filmsongs live darzubieten – eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den musikalischen Oscar-Anwärtern zu erschaffen, gehört sich nicht für diese Preisverleihung.
Ein wohl unmöglich zu bekämpfendes Problem gab es aber auch bei der 88. Oscar-Verleihung: Jahr für Jahr endet der lange Abend ganz abrupt, sobald der Gewinner für den besten Film feststeht. Es ist nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen das Ende nicht hinauszögern wollen: Sobald alle Gewinner feststehen, dürfte die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer rapide sinken. Dennoch ist es der Nacht der Nächte in Hollywood unwürdig, nach Vergabe der letzten Trophäe urplötzlich zu enden. Ein finaler Einspieler, der die Signifikanz des Gewinnerfilms unterstreicht, gefolgt von einem letzten, kurzen Monolog des Moderators wäre eine Idee, die es verdient hat, ausprobiert zu werden. Acht Filmchen sollte die Redaktion ja wohl vorbereiten können, um dann den richtigen auf Sendung zu schicken. «Spotlight» ist als Drama über den Wert journalistischer Arbeit, die nicht gehetzt wird, ein wichtiger Film im heutigen Medienklima – das dem Publikum zu erklären, welches am Ende der Oscar-Nacht wahrscheinlich denkt „Hey, wieso nicht «Mad Max: Fury Road», der hat doch so viel gewonnen?“ könnte nicht schaden.
Immerhin endete die Oscar-Nacht mit einem Abspann, der mit dem Song „Fight the Power“ von Public Enemy unterlegt wurde. Ein feines, letztes Statement an einem Abend, an dem wieder einmal nur weiße Personen prämiert wurden. 2017 kann man dann hoffentlich auf den Protestsong im Abspann verzichten.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
29.02.2016 20:57 Uhr 3
Der ORF machte dann pünktlich um 06:00 Schluss mit der Übertragung (vor der Verleihung des Besten Filmes). Pro7 war nach der Werbung zumindest noch rechtzeitig zur Dankesrede zurück.
01.03.2016 06:17 Uhr 4
01.03.2016 15:47 Uhr 5
Dein ernst? Warum sollte die Resonanz aus den sozialen Medien uninteressant sein? Nur weil die Leute dennoch einschalten bedeutet das ja nicht, dass sie von der Moderation bzw. den Vorberichten im allgemeinen überzeugt waren. Und eine dermaßen negative und ziemlich einheitliche Meinung, kann auch für Pro 7 nicht sonderlich wünschenswert sein.
Auch dass du Frau Carpendale so in Schutz nimmst und ihr quasi ein super Zeugnis ausstellst, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Das war auf ganzer Linie eine ganz blamable Vorstellung. Ein Denglisch-Mix sondergleiches, jeder zweite Frage bezog sich auf Deutschland und zu den Filmen und Schauspielleistungen wurde fast gar nichts nachgefragt. Von den beiden anderen, will ich gar nicht erst anfangen, die waren überflüssiger als ein Kropf.
Steven Gätjen war auch meist kein guter Fragensteller (was aber wohl an den Vorgaben seitens Pro7 liegen muss, da er in seinen eigenen kleinen Formaten meist sehr gute Interviews führt und auch gestern bei Rocketbeans ziemlich gut drauf war), aber mit ihm war das ganze dann doch meist etwas stilvoller, nicht so verkrampft, souveräner und man merkte ihm an, dass er Ahnung von den Filmen und den aktuellen Projekten der Stars hatte - Frau Carpendale mag sich in der Klatsch und Trasch Szene gut auskennen, aber da wäre sie eher bei den Teen-Choice-Awards aufgehoben und nicht bei den Oscars.