Als wären diese 21 Jahre nie vergangen: «Fuller House» macht wenig neu, bleibt quietschbunt, gutgelaunt – und altbacken. Eine Überraschung gibt es trotzdem.
Cast & Crew
- Idee: Jeff Franklin
- Darsteller: Candace Cameron Bure, Jodie Sweetin, Andrea Barber, Michael Campion, Soni Nicole Bringas, Elias Harger u.a.
- Regie: Mark Cendrowski
- Ausf. Produzenten: Jeff Franklin, Thomas L. Miller, Robert L. Boyett, John Stamos
- Produktion: Jeff Franklin Prod., Miller-Boyett Prod., Warner Horizon für Netflix
- Folgen: 13 in Staffel 1
Als Dave Coulier von der Wiederbelebung seiner Sitcom «Full House» erfährt, hält ihn nichts mehr: „Ich bin selbst zu Warner Bros. gefahren, bin auf das Set gegangen, und ich habe angefangen zu weinen“, erklärt der Schauspieler, der als Joey Gladstone im Original den gutmütigen Comedian spielte. „Es war einfach wunderbar“, erzählt er. „Du weißt, dass du aus deinem Zuhause raus musst als Kind, und dass neue Leute einziehen und du dorthin nie wieder zurückkehren kannst. Hier können wir nach Hause zurückkehren, und das war ein unglaubliches Gefühl, all die Jahre später.“
Nach Hause zurückkehren – genau diese Emotion will Netflix mit der Neuauflage der berühmten 80er/90er-Sitcom wecken. Das Tanner-Haus, es ist Symbol nicht nur für die Vorzeige-Familie in der Serie selbst, sondern auch für uns Zuschauer. Wir können unsere eigene Erinnerung zurückholen mit «Fuller House», die volle Packung Nostalgie, Unbeschwertheit, Kindheit. Netflix versteht es gut, die Retro-Serie als genau dieses Lebensgefühl zu vermarkten: Im Teaser (14 Millionen Aufrufe!) filmte man durch das gespenstisch leere Tanner-Haus, minimalistische Musik ist unterlegt. Die Bilder haben gesprochen und wecken Assoziationen. Der Teaser blendet rechtzeitig aus, bevor die Familie die Tür öffnet und eintritt.
Und genau dieses Haus soll nun verkauft werden? Der Plot für «Full House» ist simpel gestrickt: Weil die Tanners sich demnächst in die weite Welt verteilen – Danny macht Radio, Jesse macht Musik, andere machen anderes – will man einen neuen Besitzer für das Anwesen finden. Bis die Familie zufällig mitbekommt, wie schwer D.J. die Entscheidung fällt: Sie bleibt allein zurück in San Francisco, muss als mittlerweile alleinerziehende Mutter auf ihre drei Kinder aufpassen, ohne die gewohnte Umgebung. Spontan beschließen Schwester Stephanie (die international gefragter – Achtung Wortwitz – DJ geworden ist) und Nachbarin Kimmy Gibbler ihre Unterstützung. Das Haus wird nun doch nicht verkauft, und die drei gründen eine Mom-WG samt infantilem Anhang. Es ist der alte Plot von «Full House», nur mit mehr Frauenpower als damals.
Wie retro darf eine Serie sein?
Die Serie macht nur den Anschein, zeitgemäß zu sein. Humoristisch bewegt man sich auf oberflächlichem, braven Niveau – typisch für die gutmütigen Familien-Sitcoms der 80er und 90er. Dass dieser Humor nicht mehr zeitgemäß ist, steht außer Frage. Zwar bedient «Fuller House» teilweise auch eine Meta-Ebene, indem man beispielsweise das Fehlen der Olsen-Zwillinge in der Neuauflage anspricht (und die vierte Wand durbricht). Doch auch solche Szenen wirken nicht pointiert genug und werden manchmal mit unglücklichem Timing auf den Zuschauer losgelassen.
Dazu gesellen sich zahlreiche
hugging-jokes, hysterische Kinderdarsteller und noch viel mehr Referenzen auf die Originalserie. Immer wieder werden Gesangs-Performances der Figuren eingestreut, auch dies ist ein Stilmittel von damals. Diese – mitunter konstruiert wirkenden – Einlagen wirken zwar ebenfalls sympathisch, aber ebenso gestrig. Wie retro darf eine Serie sein, in Zeiten fortschrittlicher Familien-Comedys wie «Modern Family» oder «The Middle»? Die Frage muss sich jeder Zuseher, jeder Fan von «Full House», wohl selbst beantworten.
Wer mit dem Original vertraut ist, wird dennoch seinen Gefallen an der Serie finden. Man kann die Tanners wieder in seinem eigenen Wohnzimmer begrüßen. Dass man den Cast in den meisten Folgen auf die jüngeren Darsteller reduziert – John Stamos, Bob Saget und Co. treten längst nicht in jeder Folge auf – hilft der Handlung und trägt auch dazu bei, dass man sich zumindest ein wenig von den alten «Full House»-Fesseln löst. Dies gilt umso mehr für die neuen Kids, die den älteren, bekannten Darstellern manchmal die Show stehlen. Insbesondere der angedeutete Konflikt zwischen den beiden 13-Jährigen – D.J.s Sohn Jackson und Kimmy Gibblers Tochter Ramona – überrascht als lustiger Handlungsfaden mit Potenzial.
«Fuller House» ist vor allem ein Fan-Service für die Generation Erinnerung. Neue Zuschauer wird Netflix mit dieser Produktion nicht gewinnen, und das hatte man mit Sicherheit nie vor. Dass man jedoch so eindeutig auf Tradition und Retro setzt, war kaum zu erwarten und dämpft die hohen Erwartungen an diese Serie.
„Meine Güte, sehen wir noch alle gut aus!“, sagt Onkel Jesse zu Beginn der ersten Folge. Und es stimmt, das alles sieht gut aus: das Intro, die schauspielerische Chemie zwischen den Darstellern, selbstverständlich auch das Tanner-Haus. Aber ob das genug ist?
Alle Folgen von «Fuller House» sind ab dem 26. Februar 2016 bei Netflix abrufbar.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
28.02.2016 16:19 Uhr 1
Die Serie ist auch deutlich progressiver als viele meinen, deshalb eckt sie ja auch bei den ewig gestrigen Kritikern so massiv an.