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Wie kam es zum goldenen Zeitalter der Fernsehserien?

Teil I: Neidisch blickt Deutschland mitunter nach Amerika. Warum sich die dortige Serie auch erst entwickeln musste – und das über Jahre hinweg – beleuchtet Quotenmeter.de in einer Reise durch die vergangenen Jahrzehnte. Man kann die Entwicklungen quasi in zwei Phasen aufteilen…

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Realitätsorientierter und mit ausgeprägtem audiovisuellem Stil bot sich eine kleine Reihe von Dramen dar, die als die schon beschriebene erste Phase von Qualitätsfernsehen betrachtet werden: «Twin Peaks», «Hill Street Blues» und «St. Elsewhere». Sie blieben aber, bis auf «Twin Peaks‘» erste Saison, vom breiten Publikum unentdeckt. Der fehlende Ratingerfolg ermutigte die Senderverantwortlichen nicht unbedingt zu neuen Experimenten auf audiovisuellem und narrativem Niveau: dafür fehlten sowohl die finanziellen Mittel als auch die Möglichkeiten zur Refinanzierung. Aber das sollte sich ändern.

Die zweite Phase von Quality Television und den Übergang zu der dritten kennzeichnen meiner Meinung nach zwei Entwicklungen: die allmähliche Deregulierung im Mediensektor, begleitet von Konzernbildung trotz noch geltenden Regeln, und der starke Angriff auf die Networks im Bereich der fiktionalen Serien aus dem Pay-TV- bzw. dem Kabelsektor. Dieser Angriff ergibt sich aus einer Veränderung auf sozial-kulturellem Niveau - auf Seiten der Rezipienten -, die diese zweite Phase des QTV bestimmte und in der dritten Phase immer noch erheblichen Einfluss hat.

1975 ging der Bezahlkanal HBO erstmals auf Sendung und bot seinen Kunden in den ersten Jahren fast ausschließlich Spielfilme der Hollywoodstudios. Für die Networks bestand darin keine wirkliche Konkurrenz. Anfang der 90er Jahre jedoch begann HBO, audiovisuell und inhaltlich anspruchsvolle eigene Produktionen im Serien-, Mehrteiler- und Filmbereich zu entwickeln, die sich bei Kritikern und Fans durchsetzten. Die Unabhängigkeit der Pay-TV-Sender von der Werbeindustrie und von der FCC war Ausschlag gebend für die Programmrichtung, die sie wählten.

HBO setzte auf narrowcasting (Programme für bestimmte, oft kleine, Zuschauergruppen) und inhaltliche und audiovisuelle Qualität und leistete Pionierarbeit auch auf ökonomischer Ebene: Damit die Kunden die Gebühren weiter bezahlen, müssen sie das mögen, was sie zu sehen bekommen. Das setzt die Qualität der Produkte voraus. Durch diese Fragmentierung der Zuschauer verlor die Idee, dass eine ganze Nation ein und dasselbe Programm sieht, rapide an Sinn. Die Kabelanbieter wandten die ökonomische Logik des „niche marketing“ statt „mass marketing“ an. Jeder einzelne Zuschauer wurde ermutigt, auf seinem Recht auf Befriedigung seiner eigenen, ganz spezifischen Wünsche zu bestehen. Auch dank der Entwicklung der DVD-Industrie sowie den neuen Festplattenrekordern konnten Zuschauer den TV-Bildschirm nun allein zum Abspielen ihrer Lieblingsserien nutzen und somit Werbeunterbrechungen vermeiden.

Die Pay-TV-Sender strahlen ihre Serien ohnehin ohne Werbeunterbrechungen aus. So entstand nach und nach eine Konkurrenzsituation. Die Networks schlossen sich dem niche marketing relativ schnell an und brachten damit die zweite Entwicklungsphase im US-Fernsehen zum Abschluss. Die Konkurrenzverhältnisse zeigten aber auch eine Wechselwirkung, die dem Zuschauer zugute kam. Mit Serien wie «Sex and the City», «Oz» und später «Six Feet Under», «The Sopranos» oder «The Wire» etablierte sich HBO als Schmiede für Qualitätsfernsehen und wird seitdem durchgehend mit diesem Label in Verbindung gebracht. Aber wie selbst die Macher mancher dieser Serien bestätigen: Gäbe es nicht «Hill Street Blues» wäre vermutlich «The Sopranos» nicht entstanden...

Historisch gesehen sind es tatsächlich die Networkserien, die Anfang bis Mitte der 90er Jahre narrativ und audiovisuell innovative Konzepte auf den Markt brachten und nach und nach ein größeres Publikum erreichten. Serien wie «NYPD Blue» (1995), «ER» (1994) und «The X-Files» (1993) tauchten Mitte der 90er in Nielsens Top Ten auf. Nicht zu vergessen Formate wie «Homicide: Life on the Street» (1994), «Law & Order» (1990), «Chicago Hope» (1994), «Profiler» (1996), «Ally MacBeal» (1997) und «Buffy: The Vampire Slayer» (1997), die nur die Vorreiter einer buchstäblichen Flut qualitativ hochwertiger Serien waren.

Der Auslöser dafür war die schon erwähnte allmähliche Deregulierung im Mediensektor als Folge der Konkurrenz seitens der Kabelsender. Diese Konkurrenz wurde von den Networks als „lebensbedrohlich“ empfunden und dargestellt; sie übten massiven Druck auf den Kongress aus, was zum kontinuierlichen Abbau von Regeln führte: Höchstgrenzen für den Besitz von Lokalstationen, wie sie bislang für die Networks galten, wurden heraufgesetzt, die FinSyn-Rules sukzessive abgeschafft, umfangreichen Fusionen zu immer größeren Medienkonzernen zugestimmt. So wurde die bis dato auf zwölf festgelegte Anzahl von Stationen, die die Networks besitzen durften, abgeschafft. Dadurch steigerten sich ihre landesweite Verbreitung und ihre Erreichbarkeit für das Publikum von 25 auf 35 Prozent. Diese Tendenzen gipfelten unter der Präsidentschaft von Bill Clinton 1996 im Telecommunication Act, den der amerikanische Kongress verabschiedete. Damit gab man der Fernsehindustrie fast grenzenlose ökonomische Freiheiten!

Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir uns den Veränderungen seit dem Telecommunication Act bis heute widmen.
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22.02.2016 07:32 Uhr Kurz-URL: qmde.de/83879
Vladislav Tinchev

super
schade

84 %
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