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Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, welche der insgesamt sechs Aufzeichnungen zuerst und welche Elemente in welcher Reihenfolge ausstrahlt werden. Diese Art von Konzeptlosigkeit spiegelt sich leider auch bei der Aufzeichnung selbst wieder. Die anfängliche Verwirrung ist mit dem ersten Auftritt von Dennis jedoch schnell vergessen. Quasi als zusätzliches Warm Up beschäftigt er sich mit dem Publikum, pickt sich einzelne Pärchen heraus, bei denen er die Freundin für viel zu gut aussehend für den dazugehörigen Freund hält. Das Publikum soll ein großer Teil des Geschehens bleiben und das Scheinwerferlicht ist permanent auf die Zuschauerreihen gerichtet. Die Eingangssequenz, die auf den Studiomonitoren zu sehen ist, sorgt für allgemeine Erheiterung: Dennis stylet sich die Haare, putzt sich die Zähne, legt die Goldkette um, nimmt sich ein altes Stück Pizza aus dem dazugehörigen Karton, macht sich Currywurst in der Mikrowelle warm und verbrennt sich den Mund daran. Auf dem Weg zur Berufsschule trifft er auf eine Gruppe von Freunden, alle geben sich poserhaft die Flosse und nachdem sie ein paar Sekunden schweigend im Kreis stehen, stellen sie fest, dass sie sich rein gar nichts zu sagen haben. Dies ist ein simpler, aber effektiver Gag, der auf den selbstironischen Dennis hoffen lässt, den man noch aus «Switch-Reloaded» kennt. Eine Hoffnung, die jedoch enttäuscht wird und die Freundesgruppe wird leider auch aus der fertigen Sendung geschnitten.
Was sich im Folgenden bietet, ist eine Clipshow, die an Anke Engelkes „Ladykracher“ und Bully Herbigs und Rick Kavanians «Bully & Rick» erinnert. Doch scheint es fast so, als möchte Schauspieler Martin Klempnow beides haben: Einerseits baut auf er dem Kultstatus der allseits beliebten Dennis-Figur auf, andererseits nutzt er diese als Vehikel, um zu zeigen, was er sonst noch kann. Das ist durchaus legitim, wenn auch reichlich konfus. Denn letztendlich hat man hier einen Schauspieler, der eine Rolle spielt, die wiederum Clips im Fernsehen vorstellt, in denen der Schauspieler wieder andere Rollen spielt. Dennis scheint in einer handfesten Identitätskrise zu stecken und zu lang und intensiv sollte man lieber nicht darüber nachdenken, sondern sich den Parodien zuwenden. Aber auch hier lässt sich kaum ein roter Faden erkennen.
Mehr Wort-Assoziationsspiel als durchdachte Sketche
In einem etwas haarsträubenden Sketch spielt Klempnow den Fußballspieler Jérôme Boateng. Sieht man von der diskutablen Tradition dahinter ab, wenn sich weiße Darsteller zwecks komödiantischer Wirkung schwarz schminken, wirkt der Inhalt des Sketches aus der Luft gegriffen: Boateng wird als krankhaft Schüchterner porträtiert, der sich nur mit Hilfe einer Therapeutin durch den Alltag kämpfen kann. Auf welcher Grundlage dieser Gag fußt, bleibt offen. In einem anderen Clip erscheint Dennis im Terminator-Stil nur mit Unterhose bekleidet auf einem Parkplatz, mit mechanischen Bewegungen geht er in einen Coffeeshop und verlangt Bart, Brille und Kleidung eines anwesenden Hipsters, nur um hinterher festzustellen, dass die Hose im Schritt kneift. Eine der inspirierteren Parodien spielt mit Schnitt und Kontinuität einer nachgestellten Tatort-Episode. Die Horrorserie
«The Walking Dead» wird in «The Walking Dad» unbenannt und hat einen zombifizierten Vater als Protagonisten. Und weil RTL II «Der Dennis Show» zumindest am ersten Ausstrahlungsabend direkt nach
«Game of Thrones» sendet, darf eine entsprechende Persiflage nicht fehlen: Kinder in Drachenkostümen verbrennen hierbei Bauern, Köpfe werden abgeschlagen, die aber hinterher noch weiter quatschen und irgendwann wird noch die Titelmelodie von «Grisu, der kleine Drache» in die krude Mischung geworfen. Diese Sketche gleichen mehr einem Wort-Assoziationsspiel als wohl überlegten Witzen. Es ist schwer, nicht den Vergleich zu den viel präziseren Switch-Parodien zu ziehen. Ein Vergleich, bei dem «Der Dennis Show» leider alt aussieht. Das Lachen im Publikum reicht von verlegen bis hin zu vereinzelt ausgelassen, doch insgesamt sind diese kleinen Häppchen der Absurdität zu wenig durchdacht, als dass sie wirklich zünden könnten. Zumindest kann Schauspielerin Sinja Dieks als Klempnows Co-Star und Sparringspartnerin in diesen Einspielern überzeugen. Einem Talent, dem zumindest jetzt noch zu wenig Raum gegeben wird.
Martin Klempnow bleibt unterdessen auch in den Aufzeichnungspausen seiner Rolle treu, fläzt sich während der Drehpausen mit seiner Eisteepackung in die Couchecke und nutzt damit zumindest ein wenig das Wohnzimmer-Studioset, welches ansonsten ziemlich brachliegt. Angeblich soll Klempnow auch in Interviews nur noch als Dennis auftreten. Dies bringt das sogenannte Method-Acting zwar nicht auf eine ganz neue Ebene, aber die Disziplin, die damit verbunden ist, ist durchaus bewundernswert. Wenn er jedoch nicht mit seinem Aufnahmeleiter die notwendigen nächsten Schritte durchspricht, interagiert er mit dem Zuschauern. Wenn Dennis Geburtstagsständchen für Publikumsgäste singt, Preise vergibt und viel zu lange und dementsprechend skurril seine break dance moves zu Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ auspackt, hat Klempnow und vor allem das Publikum Spaß. Diese Art von Humor mag zwar Geschmacksache sein, aber wenn Dennis einfach nur Dennis sein kann, funktioniert die Show optimal. Wenn er dazu gezwungen ist, diverse Einspieler anzukündigen, bleibt die Comedy auch in der fertigen Sendung ungelenk.
„Geschmack“ ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort, denn Humor hat viel mit dem selbigen zu tun und ist in den seltensten Fällen eine intellektuelle Fingerübung. Ganz im Gegenteil, Humor attackiert meistens sogar aus einem toten und völlig überraschenden Winkel. Humor muss nicht einmal immer Sinn ergeben, sondern kann, darf und muss meistens unsinnig sein. Der Unsinn muss zumindest vom Witzeschreiber jedoch geplant und durchdacht sein, damit der Zuschauer nicht darüber nachdenken muss. Dies ist hier allerdings äußerst selten der Fall. Geübte Improvisationskünstler, wie es Martin Klempnow offensichtlich ist, können zwar ihr Möglichstes tun, aber völlig ausgleichen können sie solche Schwachpunkte nicht.
Lobend zu erwähnen ist allerdings, dass Dennis seinen Studio-Gästen und den „Freiwilligen“, die er sich aus dem Publikum zieht, auf Augenhöhe begegnet, sich zumindest hier über niemanden mit der Häme oder Überlegenheit des Parodisten lustig macht. Allerdings geht damit einher, dass auch etwas von seiner satirischen Schärfe verloren geht. Dies wäre einfach zu beheben, denn schon ähnlich geartete Prolo-Helden wie zum Beispiel AliG trafen auf zugeknüpfte, am besten politische Persönlichkeiten und zeigten, dass wenn arm auf reich und privilegiert und locker auf konservativ und zugeknüpft trifft, sich automatisch Reibungspunkte ergeben, die komödiantisches Gold wert sein können. Vielleicht ist das von einem Sender wie RTL II viel verlangt, vielleicht aber auch gerade richtig, um die Richtung, die der Sender mit seinen neuen Comedy-Formaten anstrebt, ernst nehmen zu können, so absurd sich das auch anhören mag. Doch auch hier geht man lieber den einfachen Weg: Anstatt Dennis in eine Situation zu werfen, in der er mit improvisierter Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten auftreten kann, mokiert man sich lieber aus sicherer Distanz über das Aussehen des Grünen- und „Hipster“-Politikers Anton Hofreiter. Dieser muss (natürlich dargestellt von Klempnow) in einem mehr oder weniger gelungenen Gag als Haarmodel herhalten und später geschminkt in einer Art Musikvideo-Persiflage der Band Prodigy auftreten. Zum Schluss winkt, man erahnt es, eine weitere Parodie. Dieses mal wird die Serie
«Sons of Anarchy» in «Sons of Efferen» unbenannt und die Show schließt mit dem, was Klempnow am besten kann, nämlich mit Dennis selbst. Er begibt sich gewohnt poserhaft mit seiner Gang auf einen Rachefeldzug, der sich letztendlich als Klingelstreich herausstellt.
Die Bande, die gerade noch auf dem Monitor zu sehen war, holt Dennis nun live im Studio ab. Er schwingt sich auf sein Moped, die Sendung ist vorbei und letztendlich ist es schwierig, das Gesehene zu ordnen. Eigentlich hätte alles auch in jeder anderen beliebigen Reihenfolge ablaufen können. Die Show setzt viel voraus und der Zuschauer muss «Game of Thrones», «The Walking Dead», «Top Gear» etc. kennen, denn auf den eigenen zwei Beinen können diese Sketche nicht stehen. Die Stimmung ist dennoch nicht gekippt, schließlich haben wir Dennis live gesehen und Dennis ist ein Mann fürs Studio-Volk. Die nächste Aufzeichnung steht schon in den Startlöchern und die nächsten Fans warten im Studiofoyer. Ob Dennis aus Hürth allerdings über die Grenzen seiner Fangemeinde hinausreichen und neue Zuschauer anlocken kann, und das wird er müssen, ist zweifelhaft.
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