Nicht nur in «Game of Thrones» ist der deutsche Schauspieler Tom Wlaschiha der Mann mit den vielen Gesichtern - auch abseits davon zeigt er sich wandlungsfähig und weltoffen.
Hallo Herr Wlaschiha, wo treffe ich Sie gerade an? Womit sind Sie gerade beschäftigt?
Im Moment bin ich gerade für paar Wochen in Los Angeles, wo wir am Wochenende mit «Game of Thrones» für die
SAG Awards nominiert waren. Leider haben wir nicht gewonnen, aber toll war´s trotzdem.
Wunderbare Überleitung - die sechste Staffel steht im US-TV ja kurz bevor und bei RTL II wird am 12. Februar die fünfte Staffel ihre Free-TV-Premiere feiern. Wir verraten hoffentlich nicht zu viel, dass es in beiden Staffeln ein Wiedersehen mit Ihnen als Jaqen H'ghar geben wird. Wie würden Sie - ganz frei von Spoilern - ihren Anteil am Umfang der Staffel beschreiben? Vergleichbar mit der zweiten?
In etwa. Bei so vielen Erzählsträngen und Figuren ist Raum für ein bis zwei Szenen pro Folge.
Dennoch gilt ihre Rolle vielen Fans als eine der beliebtesten – wie erklären Sie sich diese Verbundenheit mit dem Charakter?
Geheimnisse sind immer reizvoll, und
Jaqen ist ein sehr geheimnisvoller Charakter. Bis jetzt weiß man immer noch nicht, was er eigentlich vorhat und was genau er mit
Arya plant. Zudem hat er diese besondere Art zu sprechen, die Fans sehr gut gefällt. Ich werde ständig von Leuten in der 3. Person angesprochen.
Haben Sie eigentlich inzwischen alle Bücher zur Serie gelesen? Ich persönlich habe nach dem zweiten aufgehört und nur noch die Serie geschaut. Ist das abseits ihrer Beteiligung überhaupt ein Stoff, der sie auch privat interessiert?
Ich habe auch nur bis zum zweiten Buch durchgehalten. Wenn ich mal ganz lange Urlaub habe, nehme ich mir die anderen Wälzer auch noch vor. Vor der Serie war ich eigentlich kein Fantasy-Fan, weil ich immer fand, dass das echte Leben spannend genug ist, aber mittlerweile bin ich doch schon etwas angefixt.
Und vermutlich auch einfach neugierig, wie ihre Figur in den Büchern weiter dargestellt wird?
Ich weiß, dass meine Figur zumindest bis zum 5. Buch so gar nicht mehr vorkommt. Von daher war es mein Glück, dass die Produzenten der Serie die Freiheit haben, vom Originalstoff abzuweichen. So konnte
Jaqen in der 5. Staffel wiederkommen. Und wie es weitergeht, ist völlig offen.
Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit Maisie Williams, mit der sie ja ihre meisten Szenen haben?
Maisie ist ein unglaubliches Naturtalent, was das Spielen vor der Kamera anbelangt. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie intensiv und facettenreich sie ihre Rolle spielt.
Eine andere Frauenrolle bei «Game of Thrones» wurde ja von Ihrer deutschen Kollegin Sibel Kekili gespielt. Mit ihr trafen Sie 2015 im Kieler Tatort «Borowski und die Kinder von Gaarden» zusammen. Wie kam es dazu?
Die Rolle bekam ich angeboten und habe auch sofort zugesagt, da viele Sachen für mich stimmten. Zum einen war das Buch toll, mit dem Regisseur Florian Gärtner hatte ich schon vorher zusammen gearbeitet und ihn schätzen gelernt, und die Gelegenheit, endlich auch mal mit Sibel zu spielen, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Bei «Game of Thrones» hatten wir ja keine gemeinsamen Szenen.
Hat ihr Austausch über die Arbeit an «Game of Thrones» interessante Erkenntnisse gebracht?
Wir haben natürlich viel darüber geredet, interessante Erkenntnisse kann allerdings nur George R. R. Martin liefern.
Wie haben Sie die Atmosphäre im Kieler Ortsteil Gaarden empfunden, der im Film ja nicht nur als Brennpunkt dargestellt wurde, sondern auch in der Realität von vielen Kielern durchaus so empfunden wird?
Soziale Brennpunkte oder Probleme gibt es in jeder Großstadt - ich habe mich in Gaarden wohlgefühlt. Es ist meiner Einschätzung nach Aufgabe der Kommunalpolitik darauf zu achten, das Stadtteile und Kieze eine soziale Mischung bewahren können und keine Ghettoisierung stattfindet.
Was ist für Sie persönlich das Alleinstellungsmerkmal des Kieler «Tatorts»?
Der Kieler «Tatort» hat ein großartiges Ensemble, allen voran Axel Milberg und Sibel Kekilli, denen ich mit großem Spaß zuschaue. Die beiden haben einen speziellen Witz und eine Lakonie, die mir sehr gut gefällt.
Wie kam es zu den Nebenrollen in Filmen wie «Enemy at the Gates», «München», «Operation Walküre», «Anonymous» oder zuletzt «Rush»? Wer war oder ist der Türöffner in Hollywood für sie?
Einen Türöffner zum amerikanischen Film gibt es nicht. Die angesprochenen Filme wurden alle in Berlin gedreht und da fallen dann auch ein paar kleine Rollen für lokale Schauspieler ab. Das ist aber nicht abendfüllend. Für mich war entscheidend, an einem bestimmten Punkt aus Deutschland wegzugehen und mir woanders Agenturen zu suchen. Man muss sich bemerkbar machen und darf nicht aufgeben, dann kommen, wenn man noch das nötige Glück hat, auch die richtigen Rollen.
Stört es sie, in diesen Produktionen bisher eher als “der Deutsche” besetzt worden zu sein?
Nein. Und das stimmt auch so nicht. Ich habe natürlich einen Akzent, wenn ich Englisch spreche und das gibt einen gewissen Rollenrahmen vor. Daran arbeite ich, und dann gibt es auch breitere Möglichkeiten.
Jaqen H´Ghar kommt ja beispielsweise aus Bravos und nicht aus Buxtehude.
Haben Sie denn weitere Ambitionen, in Hollywood zu arbeiten? Gibt es vielleicht sogar interessante Projekte, von denen Sie uns schon berichten können?
Ich bin der festen Überzeugung, dass man nicht gezielt nach „Hollywood“ gehen kann - und Schauspieler arbeiten da sowieso kaum, zumindest nicht vor der Kamera. Mich interessiert es, mit interessanten Leuten zu arbeiten, die ihr Handwerk beherrschen und von denen ich was lernen kann. Außerdem sind gute Drehbücher wichtig, und die lese ich momentan hauptsächlich im Ausland.
Im Tatort waren sie ein Polizist, in «Crossing Lines» dürfen wir Sie als Kriminalkommissar erleben – können Sie uns eine interessante Anekdote von der Arbeit an der Serie berichten?
Die größte Herausforderung für mich war es, zum Teil lange technische Texte auf Englisch zu spielen, bei denen ich schon auf Deutsch nicht verstanden hätte, worum es geht.
Ganz anders vermutlich als im Pixar-Film «Arlo & Spot». Dort haben sie zuletzt eine zentrale Synchronrolle übernommen. Ich habe einmal gelesen, dass Sie Synchronisation grundsätzlich nicht nur positiv gegenüberstehen. Wie sind ihre Erfahrung bei «Arlo & Spot» gewesen und haben diese ihre Sichtweise eventuell verändert? Haben Sie da auch zukünftig Interesse daran?
Einen Animationsfilm zu synchronisieren ist ein großer Spaß. Da kann man mal richtig
dem Affen Zucker geben. Ansonsten schaue ich mir Filme prinzipiell im Original an, auch wenn sie auf Mongolisch sind - Sprache ist die Hälfte vom Schauspieler, darauf möchte ich nicht verzichten.
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Einen Animationsfilm zu synchronisieren ist ein großer Spaß. Da kann man mal richtig dem Affen Zucker geben.
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Tom Wlaschiha über Arlo & Spot
Ist es richtig, dass Sie seit 2007 nicht mehr am Theater zu sehen waren? Fehlt einfach die Zeit oder liegt dieses Kapitel vorerst hinter Ihnen?
Das Repertoiretheater in Deutschland ist eine tolle Sache, aber nicht, wenn man als Schauspieler gleichzeitig drehen möchte. Es ist schwer, einem Produzenten in England oder Amerika zu vermitteln, dass man drei oder viermal im Monat für einen Abend irgendwohin fliegen muss, um auf der Bühne zu stehen, und das mitunter auch über einen langen Zeitraum. Ich spiele wahnsinnig gern Theater und sobald sich die Chance ergibt, tu ich´s auch wieder.
Ich hörte, dass Sie auch Singen und Klavier spielen – gibt es vielleicht irgendwann, wie bei diversen Ihrer Kollegen, auch mal den Musiker Tom Wlaschiha?
Das ist eher für den Hausgebrauch, aber wer weiß - eventuell gibt es ja demnächst mal eine Duschszene, wo ich das anbieten kann.
Tom Wlaschiha
- geboren: 20. Juni 1973 in Dohna
- Kinorollen u. a.: Krabat; Rush; Operation Walküre; Anonymous; Enemy at the Gates; München
- Serienrollen u. a.: Game of Thrones; Crossing Lines; Die Rettungsflieger; Tatort; Ein Fall für Zwei; Alarm für Cobra 11; Der letzte Bulle; SOKO: Leipzig
- Fernsehfilme u. a.: Die Gustloff; Mann kann, Frau erst recht; Verliebte Jungs
- außerdem aktiv als Synchronsprecher & Theaterschauspieler
Eine schöne Geschichte ist, dass sie als 13-Jähriger einfach einen Brief an eine französische Schule schickten, in dem sie einen Brieffreund suchten – und wirklich fanden. Haben Sie noch Kontakt zu Laurent aus Montélégert? Ist die Geschichte rund um diese Brieffreundschaft im Kern vielleicht Ausdruck ihrer größten Antriebsfedern: Der Rastlosigkeit und der Neugierde auf die Welt?
Ja, wir sind wieder im Kontakt und sehen uns hin und wieder. Und sicherlich sind das zwei meiner wichtigsten Antriebsfedern. Wenn ich schon mal auf der Welt bin, dann will ich sie bei der Gelegenheit auch sehen.
Können Sie uns ein wenig von Ihrer Arbeit an der Kurzfilmreihe für das Bundesministerium für Entwicklungshilfe berichten? Worum geht es da? Was liegt Ihnen daran am Herzen?
Wir drehen eine Reihe von kurzen Dokumentarfilmen fürs Internet, die sich mit den Hauptaufgaben des Ministeriums beschäftigen und die sich an ein jüngeres Publikum richten. Klimawandel, Hunger, Flucht - das alles sind Themen, die uns in Deutschland relativ abstrakt erscheinen. Mich interessiert an dieser Zusammenarbeit ganz eigennützig, mir in unterschiedlichen Ländern vor Ort anzuschauen, was wir konkret gegen diese Probleme machen können. Und wenn das dann ein paar Menschen außer mir motiviert, sich selber zu engagieren - umso besser.
Hand auf Herz: Wovon gibt es im (deutschen) TV zu viel und wovon zu wenig?
Es gibt zu viel, was man woanders schon besser gesehen hat, zu viel Comedy, die nicht lustig ist und zu viele Leute, die etwas entscheiden wollen.
Zu wenig gibt es Mut, neue Wege zu gehen, Mut zu Scheitern und das Verständnis dafür, dass man Geschichten mit Kreativität erzählt und nicht am Reißbrett entwirft.
Herr Wlaschiha, vielen Dank für das angenehme Gespräch und alles Gute für Ihre weiteren Projekte!
Für alle Fans des Schauspielers und von «Game oder Thrones» noch ein heißer Tipp:
Tom Wlaschiha steht am Donnerstag den 11.02.2016 um 19:00 Uhr via Twitter für ein exklusives Q&A Rede und Antwort. Unter dem Hashtag #AskTomW können Fans ab sofort ihre Fragen stellen.
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