Die einst als «Kripo Bozen» gestartete Reihe soll nun als Teil der ARD-Europakrimis für Quote sorgen. Doch wie geht es nach einem dürftigen Auftakt inhaltlich weiter?
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Chiara Schorads, Tobias Oertel, Xaver Hutter, Charleen Deetz, Lisa Kreuzer, Gabriel Raab, Hanspeter Müller-Drossaart, Floriane Daniel, Ulli Maier, Kai Malina, Roeland Wiesnekker, Robert Gallinowski uvm.
Hinter der Kamera:
Regie: Thorsten Näter; Buch: Jürgen Werner; Kamera: Achim Hase; Musik: Mario Lauer; Szenenbild: Jost Brand-Hübner; Schnitt: Julia von Frihling; Produktionsfirma: JoJo Film- und Fernsehproduktions GmbH
Eine neue Marke will Das Erste am Donnerstagabend etablieren. Dort sollen die ‚Donnerstags-Krimis‘ deutsche Ermittler künftig im Ausland auf Verbrecherjagd schicken. So verschlägt es die Gesetzeshüter künftig nach Tel Aviv, Zürich oder
Athen - und eben auch nach Bozen in Südtirol. Wem beim Namen der sonst weniger bekannten, autonomen Provinz in Italien im Hinterkopf irgendetwas klingelt, der widmete sich eventuell schon Anfang 2015 dem Auftakt einer neuen Reihe, die nach ursprünglichen Planungen als
«Kripo Bozen» durchstarten sollte. Die Premieren-Folge sorgte bei Kritikern jedoch eher für Gähnen als für Lobeshymnen, weshalb sich Das Erste auch über ein Jahr Zeit ließ, ehe die Fortsetzung der Reihe über den Äther geschickt wird – nun aber als Teil der neu etablierten Europa-Krimis der ARD.
Wer jedoch denkt, dass die umbenannte Reihe auch inhaltlich auf links gedreht wurde, der irrt. Tatsächlich findet sich nur im Namen eine Neuheit, während die Handlung des Reihen-Debüts nahtlos fortgesetzt wird. Wohl kaum jemand wird sich jedoch an den unspektakulären Auftritt von «Kripo Bozen» erinnern, der mittlerweile ein Jahr zurückliegt. Als höchst konventioneller Fernsehfilm flimmerte «Kripo Bozen – Wer ohne Spuren geht» den Zuschauern des Ersten am 29. Januar 2015 entgegen. Weiterhin dreht sich die Krimi-Reihe um die Auswandererin Sonja Schwarz (Chiara Schoras), die aufgrund ihres Mannes Thomas (Xaver Hutter) die Frankfurter Mordkommission verließ und ihrer Arbeit nun in der Landeshauptstadt Südtirols nachgeht.
Wie in Episode eins verfolgt die Reihe - bei aller inhaltlicher Konventionalität, von halbherzigem Lokalkolorit bis zu Kulturschock-Klischees - auch einen nennenswerten narrativen Ansatz. Schon in Episode eins führte man den mysteriösen Fall ‚Evelyn‘ ein, in dessen Rahmen die Gebeine eines 15-jährigen Mädchens gefunden wurden, das zehn Jahre zuvor scheinbar Opfer eines Mordes wurde. Dort setzt auch «Der Bozen-Krimi: Das fünfte Gebot» an, in dem Sonjas Mann Thomas in den Fokus der Ermittlungen gerät, da diesem Kontakt zur Minderjährigen nachgesagt wird, welche damals sogar unglücklich in ihn verliebt gewesen sein soll. Natürlich glaubt ‚Frau Commissario‘ nicht an die Schuld ihres Mannes, sondern konzentriert sich im Fall ‚Evelyn‘ eher auf den Lokalpolitiker Stefan Keller, der dem Mädchen ebenfalls einst nahe kam. Doch nicht nur besagter alter Fall beschäftigt die Bozener Mordkommission. Auch eine Mafia-Mordserie nimmt in Bozen ihren Lauf, die Hintergründe bleiben zunächst jedoch unklar. Sonja, ihr junger Kollege Jonas (Gabriel Raab) und der zurückkehrende ‚Capo‘ Matteo Zanchetti (Tobias Oertel), mit dem Sonja einst ein Verhältnis unterhielt, müssen eine Verbindung zwischen den Morden schaffen. Die Spur führt schnell zum zwielichtigen Edelgastronomen Francesco Rossi (Thomas Sarbacher).
2 in 1
Inhaltlich kommt die zweite Episode der Reihe einem waschechten Krimi schon deutlich näher als der Auftakt, der auch stets bemüht war, klare Verhältnisse in den Figurenkonstellationen zu schaffen. Weil beispielsweise sogar der Abneigung von Thomas Schwarz‘ Mutter gegenüber ihrer neuen Schwiegertochter einige Minuten Sendezeit eingeräumt werden, kam der eigentliche Kriminalfall damals etwas zu kurz und ließ den 90-Minüter zu einem halben Familiendrama verkommen. Mit erneut zwei Fällen in einer Episode, denen nun deutlich mehr Sendezeit eingeräumt wurde, steuert «Der Bozen-Krimi» diesem ungeschickt balancierten Debüt etwas entgegen. Gerade die erste halbe Stunde bis zur Ankunft Sonjas ehemaliger Liebschaft Matteo verläuft jedoch sehr schleppend und auch die zweite Ausgabe kommt so nur mühsam auf die Beine. Erst danach greift die durchaus vielversprechende, horizontal erzählte Geschichte um den ‚Fall Evelyn‘ aus der Feder des mittlerweile 15-maligen «Tatort»-Autors Jürgen Werner allmählich.
Abseits dieser Geschichte um familiäre Befangenheit und ermittlerische Interessenskonflikte, die aufkommen wenn Sonja Schwarz mit ihren Kollegen Jonas, der einst in Evelyn verliebt war, oder Matteo, der Sonjas Ehemann Thomas noch immer insgeheim als Nebenbuhler erachtet, krankt die Ausgabe jedoch erneut am deutlich weniger interessanten zweiten Fall: Erneut flüchtet man sich in Klischees. Diesmal in Bezug auf die italienische Mafia, wo gutgekleidete und opernhörende Restaurantbesitzer unliebsame Kontrahenten unter den rot-weiß-kariert-bedeckten Tischen ihres Etablissements im Keller gefangen halten und nebenbei einen Mafia-Ring unterhalten. So wird die Struktur des Auftakts fast eins zu eins kopiert, ohne dass das Sehvergnügen im Rahmen der beiden Fälle sonderlich steigt. Der ‚Fall Evelyn‘ wirkt unterdessen gestreckt – viel geht an dieser Front nicht voran. Ein paar wenige neue Indizien gegen Mann Thomas kommen ans Licht, obendrein attackiert ‚Commissario‘ Schwarz einen beliebten Lokalpolitiker mit ungerechtfertigter Vehemenz, ohne dass sich größere Verdachtsmomente gegen selbigen ergeben, die diesen Angriff rechtfertigen würden.
So wird das Potenzial des horizontal erzählten Falls, der auch im bereits am 11. Februar laufenden, dritten Teil wieder aufgegriffen wird, bei Weitem nicht ausgeschöpft, während die konventionelle Geschichte um einen Schwarzarbeiter (Roeland Wisnekker), der bei einem Job zwei Kilo Mafia-Kokain findet, auch aufgrund dürftig geschriebener Charaktere, eher wie ein Klotz am Bein der neuen Reihe wirkt. Um dem Label Familienkrimi gerecht zu werden, wird zudem Gerichtsmedizinerin Heidi Grüner (Floriane Daniel) eingeführt und mit ihr eine Figur, über die sich die Degeto wohl aufgrund ihres bunten Herumgewusels köstlich amüsiert, die jedoch dem geneigten Krimi-Zuschauer wohl nicht viel mehr als ein leichtes Schmunzeln abringen kann.
Schließlich versöhnen die Schlussszenen beider Fälle doch noch – sogar der Showdown des eher schleppend erzählten Mafia-Falls kommt, auch aufgrund der malerischen Bergkulisse, sehenswert daher, während der ‚Fall Evelyn‘ durch ein Verhör zwischen den Figuren Thomas Oertels und Xaver Hutters Figuren einen Cliffhanger zu Tage fördert, der doch noch etwas Lust auf die neue Episode weckt. Aufgrund der mangelhaften Ausbalancierung der zwei Kriminalfälle, der erneut sauer aufschlagenden Konventionalität eines in Bezug auf Spannungsmomente unambitionierten Skripts, sowie schauspielerischer und musikalischer Sparsamkeit, fällt die Reihe auch unter dem neuen Namen in die Muster des dürftigen Auftakts zurück.
«Der Bozen Krimi – Das fünfte Gebot» wird am 4. Februar ab 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
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