Zwei Wochen Australien liegen bereits zum zehnten Mal hinter sieben Millionen deutschen Nachteulen. Wurde die schwache letzte Staffel vergessen gemacht oder bestätigt? Wir haben hingeschaut.
Nachdem Julian Miller euch in seiner gestrigen Kolumne 360 Grad - Was geht los da rein? sehr schlüssig erklärt hat, warum er auch in diesem Jahr nicht mit der Staffel warm geworden ist, sagt Björn Sülter euch nun, warum man das auch durchaus etwas anders sehen darf.Woche 1: Die Ruhe mit etwas Sturm
Bereits die größtenteils neugestaltete Einzugsshow konnte begeistern und auch die ersten Tage mit dem neuen SnakeRock-Camp boten durchaus ein paar ungewohnte Einblicke.
Dennoch stellten sich zunächst keine wirklich spannenden Themen ein, was dazu führte, dass man ungewöhnlich viel Sendezeit mit ruhigen Gesprächen über das Seelenleben der Kandidaten füllte. Retrospektiv war das aber nicht das schlechteste, da einige der Camper definitiv Interessantes mitzuteilen hatten und dabei weitestgehend auch glaubwürdig wirkten.
Geprägt wurde die erste Woche aber natürlich auch von Helena und ihren Dauerprüfungen sowie von ersten Streitigkeiten zwischen wechselnden Parteien. Der freiwillige Auszug von Gunter ging dabei fast unter.
Woche 2: Der Sturm
Als mit der zweiten Woche das indirekte Herauswählen begann, entwickelten sich auch weitere Dynamiken. Rolf musste aus gesundheitlichen Gründen passen – sein Abgang wurde aber wie auch der von Gunter sehr schnell abgehandelt.
Mit sinkender Kandidatenzahl stiegen – anders als in den Vorjahren oft zu beobachten war – die Konflikte und verschärfte sich der Ton. Dabei immer im Fokus: Helena und Thorsten, die durch ihre direkte und wenig kompatible Art mehr als einmal aneinandergerieten.
Eines der Highlights der zweiten Woche war eindeutig die Kart-Prüfung von Jürgen, Menderes und Thorsten, bei der die drei Camp-Kerle bewiesen, dass Autofahren eben nicht unbedingt immer eine leichte Sache ist. Jürgen saß blind am Steuer, Thorsten mit dem Rücken zur Fahrbahn und taub neben ihm und Menderes stumm hinten.
Die Mischung aus Menderes wilden Gesten, Thorstens Rechts-Links-Schwäche und Jürgens Dauer-Zusammenbrüchen war schlicht zum Schreien komisch. Ehrensache, dass es am Ende nicht für Sterne reichte.
Die letzten zwei Tage
Der letzte reguläre Tag bot neben einer wenig spannenden Prüfung, bei der Helena einmal mehr an ihre Grenzen kam, eine unterhaltsame Schatzsuche, bei der am Ende ebenfalls Helena für ein Scheitern sorgte. Da auch ihr Hang zum Ausdiskutieren jeglicher Sachverhalte inzwischen Campern, Moderatoren und Zuschauern ein wenig zu viel wurde, musste sie folgerichtig das Camp als Viertplatzierte der Staffel verlassen.
Die Folge: Eitel Sonnenschein, beste Stimmung und traumhafte Ruhe am letzten Tag. Doch nicht mit RTL. Für das große Finale hatte sich der Sender noch einmal ein paar Gemeinheiten überlegt. Zuerst durfte Thorsten in die "Kasalla"-Prüfung, in der er mit charmanter Gesellschaft durch Plexiglaskäfige kriechen musste. 5 Sterne für den Ex-Fußballer. Danach war Sophia mit "Hallöchen, Popöchen" an der Reihe: Der Name sprach schon Bände - die finale Essensprüfung stand auf der Karte. Ihr Ergebnis: 4 Sterne fürs Team; auf den Goodie-Stern verzichtete sie den lebenden Mehlwürmern zuliebe. Als Letzter durfte noch Menders in die "Come on"-Prüfung, die ihn in eine unterirdische, stockfinstere Kammer führte, die von allerlei Getier bevölkert wurde. Menderes konnte erneut seine Ängste besiegen und 5 Sterne holen.
Moderation
Moderatoren
- Sonja Zietlow (47) ist von Beginn an Teil der Show. Formate abseits des Dschungels sind die Ranking-Shows «Die 10...» und «Die 25...». Zietlow ist ausgebildete Pilotin und engagiert sich privat für Tiere. Sie ist verheiratet und lebt in München.
- Daniel Hartwich (37) erbte den Platz an Zietlows Seite durch den tragischen Tod von Dirk Bach. Hartwich moderiert aktuell zum Beispiel die erfolgreichen Formate «Das Supertalent» und «Let´s Dance». Er lebt mit seiner Freundin in Köln.
Die Leistung von Sonja und Daniel muss man differenziert betrachten: Die erste Woche waberte in Sachen Gagdichte - auch bedingt durch die Vorkommnisse im Camp - zwischen pointierten und flachen Tagen hin und her. Teilweise schienen die Texte nicht den nötigen Pep zu besitzen oder die Themen von Redaktionsseite falsch gewählt worden zu sein.
Dennoch muss man schon diese Kritik als Jammern auf hohem Niveau bezeichnen – unterhaltsam war jede Folge dennoch.
In der zweiten Woche steigerten sich die beiden und ihr Team jedoch merklich. Angetrieben durch das zunehmend spannende Geschehen im Camp wurden einige Folgen zu wahren Gag-Festen. Auffällig war jedoch, dass gerade Sonja hier teilweise fahrig wirkte und sich ungewöhnlich oft versprach oder verhedderte. Keine große Sache, aber durchaus eine Erwähnung wert. Dem Charme des Ganzen tat dies jedoch keinen Abbruch.
In der Gesamtbetrachtung waren an dieser Front jedoch keine Ermüdungserscheinungen festzustellen. Sonja und Daniel lieferten auch in ihrem vierten gemeinsamen Jahr ein wunderbares Zusammenspiel voller urkomischer Momente und mit viel Selbstironie. Gerade die Tatsache, dass sie sich selbst gegenüber nicht mit Häme sparen und jegliche Eitelkeit über Bord werfen, ist ein unschlagbar sympathisches Alleinstellungsmerkmal. Die beiden sind somit weiterhin als eines der humoristischen Highlights des Jahres aus dem deutschen TV nicht wegzudenken.
Kandidaten
Wie immer bot das Aufgebot an Starts positive wie negative Überraschungen. Während sich einige in der Rolle des stillen Sympathieträgers gefielen (Jürgen, Brigitte), zwei erwartet früh das Weite suchten (Gunter, Rolf), einige schlicht zu still waren um überhaupt aufzufallen (Nathalie, Jenny) und wieder andere sehr positiv zu überraschen wussten (Sophia, Menderes), blieben die aktiven Hauptrollen ganz klar Thorsten, Helena sowie den vorzeitig abberufenen David und Ricky überlassen.
Die Bewertung des Geschehens bleibt hier natürlich jedem selber überlassen – die oft gehörte Bemerkung, dass nach und nach die Masken fallen, ließ sich jedoch auch diesmal wieder eindeutig bestätigen.
Das Konfliktpotential zwischen Helena und Thorsten spitzte sich immer mehr zu und trug die Staffel letztlich sogar über Längen hinweg. Dramaturgisch optimal war für RTL war natürlich die ständig drohende Eskalation Mitte der zweiten Woche.
In der Summe hatte man diesmal jedoch einen guten Mix aus stimmiger Chemie, kleinen Reibe- und Zickereien und größeren Skandalen gefunden. Dabei bleibt zweitranig, ob von einzelnen Promis nur eine Rolle gespielt oder eine Dramaturgie verfolgt wurde – für die Zuschauer war das Treiben unterhaltsam und stellte somit eine klare Steigerung zum vergangenen Arbeitsverweigerer-Camp dar.
Neuerungen
Die Idee mit der Aufsplittung der Kandidaten war besser, als RTL offenbar selber dachte. Einige weitere Tage hätten hier durchaus noch Sinn gemacht, um Grüppchenbildung zu forcieren und Konflikte vorzubereiten. Dennoch funktionierte auch der gewählte Weg – die Erinnerung an die alte Aufteilung hielt sich zumindest bei den Campern lange und verhinderte eine zu schnelle Verbrüderung und das Abflauen von Brandherden. Fürs nächste Mal kann man mit diesem guten Konzept sicher noch etwas weiter herumexperimentieren.
Die Kniffe an den Prüfungen kann man alle samt als gelungen bezeichnen. Zwar wurde hier zum Glück das Rad nicht neu erfunden, man zeigte aber zumindest den Willen, Bekanntes und Etabliertes mit einem cleveren Dreh zu versehen und das Publikum zu überraschen. Insbesondere müssen hier die beiden Essensprüfungen Erwähnung finden, bei denen die Promis einerseits vor dem Essen selber kochen und bei der anderen dann gar das Gewicht der nötigen Portion richtig abschätzen mussten. Letztere kann man übrigens durchaus als fast zu schwer bezeichnen - hier ist eine Anpassung der Spielregelen sicher notwendig.
Wie würdest du die Staffel qualitativ einordnen?
Bemerkenswertes
Nachdem Helena schon früh von den Zuschauern als Opfer auserkoren worden war und konsequent in jede Prüfung musste, wendete sich das Blatt rechtzeitig zur Camp-Dezimierung. Hätte man vorher erwarten können, dass sie durchaus früh würde gehen müssen, verging Tag um Tag an dem sie im Camp bleiben durfte. Man kann fast davon ausgehen, dass die zuerst fehlende Sympathie umgeschlagen war, weil Helena dem oft brodelnden Thorsten zumindest in manchen Fragen zu Recht Contra gab.
Menderes ging wie auch Sophia als großes Fragezeichen ins Camp, konnte aber durch kluge Gedanken, emotionale Tiefe und Authentizität punkten. Auch Sophia entsprach vermutlich nicht dem Bild, das weite Teile der Öffentlichkeit von ihr hatten – was sicher ebenfalls nicht zu ihrem Nachteil war.
Königinnen & Könige
- 2016: Menderes Bagci
- 2015: Maren Gilzer
- 2014: Melanie Müller
- 2013: Joey Heindle
- 2012: Brigitte Nielsen
- 2011: Peer Kusmagk
- 2009: Ingrid van Bergen
- 2008: Ross Anthony
- 2004: Désirée Nick
- 2004: Costa Cordalis
Die Abgänge von Gunter und Rolf waren schade – zeichneten sich aber frühzeitig ab. In Zukunft sollte man seitens der Produktion überlegen, ob es Sinn macht, Kandidaten zu wählen, die absehbar für (fast) jede Prüfung gesperrt sind.
Dschungelkönig
Wenn man realistisch betrachtet, wer in der diesjährigen Staffel zum Dschungelkönig taugte, führt schon früh kein Weg an Menderes vorbei. Nicht nur, dass er durch Witz, Sensibilität, Charakter und emotionale Tiefe punktete, er war auch über den gesamten Zeitraum von zwei Wochen der einzige, der sich nichts zu Schulden kommen ließ und kein böses Wort über einen Mitstreiter oder eine Mitstreiterin verlor. Weder direkt noch hintenrum. Courage under fire - großes Kompliment. Gerade wenn man bedenkt, dass er teilweise nicht sonderlich korrekt von seinen Mitstreitern behandelt wurde.
Auch Thorsten hätte durch seine Power und seine hohe Motivation definitiv zum König getaugt - diverse fragwürdige Äußerungen und Handlungen standen ihm jedoch mehr und mehr im Weg.
Ähnliches galt für Titelverteidigerin Brigitte, die ihre sicherlich vorhandenen Chancen mit viel Passivität und Meinungslosigkeit verspielte und am Ende sogar mehr als geschockt auf ihren frühen Rauswurf reagierte.
Im Finale standen schließlich tatsächlich Menderes, Sophia (die sicher ebenfalls viele Sympathiepunkte sammeln konnte) und doch noch Thorsten, der sich somit in letzter Instanz und Sekunde seiner Dauer-Rivalin Helena hatte entledigen können.
Zuerst musste Thorsten das Camp verlassen und landete somit auf Platz 3. Im finalen Zweikampf setzte sich dann Menderes gegen Sophia durch und verwies sie auf den zweiten Platz. König Menderes - am Ende eine irgendwie typische «Dschungelcamp»-Erfolgsgeschichte.
Was geht los da rein? Die besten Sprüche
Besonders in Sachen Sprüche durfte man angesichts der Verpflichtung von Thorsten Legat diesmal viel erwarten - und wurde nicht enttäuscht. Gemeinsam mit dem früh ausgeschiedenen David Ortega füllte er die Zitatsammlung fast täglich. Aber auch andere durften etwas beisteuern. Ein paar Highlights haben wir noch einmal für euch zusammengefasst:
Ranking: Wer ging wann?
- König: Menderes I.
- 2. Sophia
- 3. Thorsten
- 4. Helena
- 5. Jürgen
- 6. Brigitte
- 7. Nathalie
- 8. Ricky
- 9. Jenny
- 10. David
- 11. Rolf (gesundheitliche Gründe)
- 12. Gunter (freiwilliger Auszug)
"Das ist ja wie in Detmold hier, im Teutoburger Wald." (Gunter)
"Wenn mir im Dschungel jemand falsch kommt, dann gehe ich betreffend auf die Person zu und stell ihn an die Wand." (Thorsten)
"Die Dinosaurier wurden vernichtet, weil die ja auch viel Scheiße gebaut haben." (David)
"Warum sagst du, du hast Abi und dann sagst du nichts?" (Menderes)
"Unter Menderes Facetten steckt ein anderer Kern, wenn ihn jemand führen würde mit der Hand." (Thorsten)
"Deine Weisheit kann nur in eine Richtung gehen." (David)
"Warum reflektierst du mit einer Meinung, die in dir ist?" (David)
"Ich hätte gerne 3/4, ich glaube, dass du 1/3 weghauen kannst." (Thorsten)
"Ich bin unterfragt." (David)
"Der Klügere lässt nach." (Thorsten)
Fazit
Die von vielen verrissene neunte Staffel von 2015 darf man nun auch offiziell als Anomalie bezeichnen. Mit ihrer Jubiläumsstaffel kehrte das Format auch inhaltlich in die Erfolgsspur zurück, erfreute mit guten Ideen, einer gewohnt starken Moderation und einem funktionierenden Cast, der besonders an der Streitfront für Aufsehen sorgte. Zwar konnte man die stärksten Jahre nicht toppen, landet aber zumindest direkt im Verfolgerfeld.
Besonders Ex-Fußballer Thorsten Legat, die von den Zuschauern zuerst dauergepeinigte RTL-Moderatorin Helena Fürst und «DSDS»-Dauerkandidat Menderes Bagci zeigten dabei viele Facetten ihrer Persönlichkeit und schafften es genaugenommen fast im Alleingang, das Interesse hochzuhalten.
Wenn die Produzenten gerade in diesem Punkt auch in Zukunft wachsam bleiben und sich zudem immer wieder aufs Neue hinterfragen, steht weiteren Dschungel-Hypes und Quotenrekorden auch für die nächsten Jahre nichts im Wege. RTL und die Zuschauer würde es sicher freuen.
Dieses Jahr hat Quotenmeter die Staffel zusätzlich zu den Quotennews mit einem Special zur Auftaktsendung, einem Tagebuch als Zwischenfazit und diesem Gesamtfazit begleitet. Wie wünschst du dir unsere Berichterstattung im kommenden Jahr?