Unsere Analyse der Nominierungen zu den Academy Awards 2016: Welche Bestwerte wurden gebrochen, und wie kann der Oscar optimiert werden?
Seite 2
Wie ein Schritt zurück die Oscars weiter nach vorne bringen könnte
In einer Hinsicht hatten die 82. und 83. Academy Awards den diesjährigen Oscars vieles voraus: Das Feld in der Sparte „Bester Film“ umfasste exakt zehn Nominierungen und hatte genügend Raum für große Mainstream-Blockbuster («Avatar – Aufbruch nach Pandora»), Dramen, die jüngere schwarze Geschichte behandelten («Precious – Das Leben ist kostbar»), Animationsfilme («Oben» und «Toy Story 3») sowie frauenzentrische Dramen («The Kids Are All Right», «Winter’s Bone» und «An Education»). Letztere Sparte ist dieses Jahr zwar ebenfalls vertreten (mit «Brooklyn» und «Raum»), allerdings ist sie insgesamt seit einschließlich den 84. Oscars unterrepräsentiert. Dieses Jahr fragt sich sowohl aufgrund des handwerklich makellosen Riesenerfolgs «Star Wars: Das Erwachen der Macht», des laut gefeierten Animationsmeisterwerks «Alles steht Kopf» und des Musik- und Rassendramas «Straight Outta Compton» (Foto rechts): Wieso hat es damals für ähnliche Filme zur Nominierung gereicht, heute aber nicht?
Selbstredend hätten es so oder so nicht alle drei genannten Produktionen in das auf maximal zehn Nennungen beschränkte Feld geschafft (es sei denn, ein tatsächlich nominierter Film wäre für eine von ihnen rausgefallen). Aber für mindestens zwei von ihnen wäre ja theoretisch noch Platz gewesen. Was seit den 84. Oscars aber anders läuft als in den zwei Jahren zuvor, sind zwei Aspekte des Nominierungsprozesses: Bei den 82. und 83. Academy Awards war das Feld in der Hauptkategorie auf zehn gesetzt, statt optional von fünf bis zehn zu reichen. Außerdem wurden Academy-Mitglieder in besagten Jahren gebeten, zehn Filme zu nominieren. Einige Mitglieder beschwerten sich aber, dass dies zu aufwändig sei, sie zwingen würde, auch Filme zu nennen, für die sie nicht so sehr Feuer und Flamme sind wie für ihre Top Five, und so weiter …
Die Academy-Leitung gab nach und seither werden von den stimmberechtigten Mitgliedern nur noch fünf Filme abgefragt. Die Folge dessen liegt, man blicke nur auf das „Bester Film“-Feld der vergangenen Jahre, auf der Hand: Auch wenn Produktionen wie «Mad Max: Fury Road» den Sprung ins ganz heiße Oscar-Rennen schaffen, mangelt es an der Vielfalt der zwei Jahre mit jeweils zehn Nominierungen. Filme, die der durchschnittliche Academy-Voter (männlich, weiß, über 60 Jahre alt) vielleicht sehr respektiert, aber nicht innig liebt, haben es schwerer, in deren Fünf-Filme-Listen zu rutschen. Also: Adieu, schmissiger, jung besetzter «Star Wars: Das Erwachen der Macht». Bye-bye, «Straight Outta Compton».
Um den Nominierungen einen neuen Drive zu verleihen, wurde Mitte 2015 die Academy um 322 neue, junge, ethnisch vielfältige Mitglieder erweitert, die das Blickfeld der Oscars erweitern sollten (in den Vorjahren wurden stets weniger als jeweils 280 Mitglieder begrüßt). Dieser erste Schritt war begrüßenswert und angesichts dessen, das viele von ihnen, darunter Edgar Wright, öffentlich die Oscar-Werbetrommel für «Mad Max: Fury Road» rührten, womöglich sogar in Teilen erfolgreich. Aber um sich völlig ausdrücken zu können, brauchen diese Mitglieder letztlich doch das größere Nominierungsfeld wie bei den 82. und 83. Academy Awards – und auch die Durchschnitts-Academy-Voter sind, wie bei diesen Oscars klar wurde, fähig, über ihren Tellerrand hinauszublicken. Jedenfalls wenn sie genügend Raum haben, mehr zu feiern, als ihre persönlichen Favoriten. Daher ist deutlich, dass die Academy zu den Regeln von vor wenigen Jahren zurückkehren sollte, um weitere Auslassungen wie sie dieses Mal vorgekommen sind, leichter zu vermeiden.
Und angesichts dessen, dass auch allmählich immer mehr gute Rollen für Schauspielende angeboten werden, die nicht wie der Durchschnittsvoter männlich und/oder weiß sind, bieten sich auch entsprechende Regeländerungen – also eine Erweiterung des Feldes über die üblichen Fünf hinaus – bei den Darstellerkategorien an. Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs zumindest erkennt, dass es ein Problem dahingehend gibt, wie die Oscars die größten Leistungen Hollywoods widerspiegeln: „Wir müssen vorankommen“, sagt sie gegenüber ‚Deadline Hollywood‘ im Hinblick auf mehr Vielfalt. „Natürlich bin ich enttäuscht, dennoch soll das nicht von der Klasse der nominierten Filme ablenken.“
Selbst wenn da wohl die bemühte Diplomatie einer Organisationsvorsitzenden aus Isaacs spricht, so hat sie Recht: Es wurden viele, starke Leistungen nominiert. Und daran sollte niemand rütteln. Zukünftig dürfen es nur gern noch mehr großartige Leistungen sein, die Anerkennung erhalten.