Vor genau zehn Jahren endete «Was guckst du?!». Grund genug, einen Blick auf die Entwicklung des deutschen Comedy-TV zu werfen. Welche Trends gab es seitdem? Ein leicht nostalgischer Rückblick auf «Schillerstraße», «Mein Leben & Ich» und Co.
Comedypreis-Gewinner 2015
- Beste Show: Mein bestes Jahr - Comedy mit Rückblick (RTL)
- Beste Serie: Pastewka (Sat.1)
- Beste Personality-Show: PussyTerror TV (WDR)
Anmerkung: Sketch-Kategorie nach 2014 entfallen, Personality seit 2015 neu
Der deutsche Humor ist weltweit bekannt – und zwar dafür, nicht vorhanden zu sein. Trotzdem hat das deutsche Fernsehen über die vielen Jahrzehnte doch einige sehenswerte Formate hervorgebracht, die durchaus das Label „humoristisch“ verdient haben. Humor ist Geschmackssache – was dem einen zusagt, vergrault die anderen. Ich möchte in den kommenden Zeilen einen kleinen Blick auf die letzten Jahre der deutschen Comedy-Szene im Fernsehen werfen.
Der Anlass? Vor genau zehn Jahren, am 30. Dezember 2005 endete eine Show, mit der ich persönlich meine Kindheit und Jugend verbinde: «Was guckst du?!». Zwischen 2001 und 2005 durfte sich Kaya Yanar mit seiner Ethno-Comedy auf Sat.1 tummeln. Lange ist es her. Grund genug, einen Blick auf die Entwicklung des Genres in den vergangenen Jahren zu blicken – beginnend in der Zeit, zu der «Was guckst du?!» über den Äther lief. Welche Trends sind seitdem zu beobachten?
Die Dominanz des Privatfernsehens
Der öffentlich-rechtliche Bildungsauftrag ist nicht mit dem Genre des Humors zu vereinbaren. Immer wieder gibt und gab es solche Stimmen – und auch in der Programmgestaltung von ARD und ZDF schien breit rezipierter sowie qualitativ hochwertiger Humor nur selten vorzukommen. Betrachtet man die Nominierungen beim Deutschen Comedypreis, waren öffentlich-rechtliche Shows und Serien in den «Was guckst du?!»-Zeiten rar gesät. «Zimmer frei!» (WDR) wurde 2004 nominiert, oder «Türkisch für Anfänger» (Das Erste) mit Elyas M’Barek 2007. In den besagten Jahren waren vor allem Formate des Privatfernsehens gefragt und preisgekrönt. Dominant waren beispielsweise Serien wie «Alles Atze», «Mein Leben & Ich», «Nikola» (alle RTL) oder «Hausmeister Krause» (Sat.1). Im Show-Bereich stachen «Olm!», «Hape trifft!» oder «Freitag Nacht News» (alle RTL) hervor. Nicht zu vergessen sind die Sketch-Formate. Allen voran natürlich «Ladykracher» mit Anke Engelke (Sat.1), Bastian Pastewkas «Ohne Worte» (RTL) oder weitere Sat.1-Produktionen wie «Die dreisten Drei», «Mensch Markus» und «Sechserpack».
Auch interessant: Mitte des alten Jahrzehnts gab es eine Welle von Improvisations-Formaten im Comedy-Segment, die allesamt sehr erfolgreich waren. Prominente Beispiele sind die «Schillerstraße», «Genial Daneben» (beide Sat.1) sowie «Frei Schnauze» (RTL). Davon ist heute nicht mehr viel übrig geblieben – auch wenn es deutlich gescheiterte Wiederbelebungs-Versuche für die beiden erstgenannten gab. Allein «Jetzt wird’s schräg» (Sat.1) mit Jochen Schropp klebt sich das Impro-Label heute noch auf die Stirn. Doch das Publikumsinteresse ist versiegt.
Comedypreis-Gewinner 2005
- Beste Show: Rent a Pocher (ProSieben)
- Beste Serie: Alles Atze (RTL)
- Beste Sketch-Comedy: Bully & Rick (ProSieben)
- Beste Impro-Comedy: Schillerstraße (Sat.1)
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen holt auf
Doch das öffentlich-rechtliche Fernsehen scheint in den letzten Jahren einiges dazugelernt zu haben. Nicht umsonst hat die «heute-show» (ZDF) mittlerweile eine Fanbase, die an vier Millionen Zuschauer heranreicht. Zwischen 2009 und 2012 gewann das Satireformat mit Oliver Welke durchgehend den Deutschen Comedypreis in der Kategorie „Show“. Dazu kommen im öffentlich-rechtlichen Bereich Formate wie «Inas Nacht» (Das Erste/NDR), «Die Anstalt» (ZDF), die verschiedenen Sendungen von Erwin Pelzig (Das Erste/ZDF) oder Chaos-TV wie das mittlerweile eingestellte «Nicht nachmachen!» (ZDF) mit Wigald Boning und Bernhard Hoecker.
Aber auch im Serien-Bereich kommen zunehmend interessante und qualitative Formate aus den Produktionsstätten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser. «Der Tatortreiniger» (NDR) ist wohl eines der prominentesten Beispiele der jüngeren Vergangenheit. «Die LottoKönige» (WDR) und die «Vorstadtweiber» flogen derweil etwas unter dem Radar, «Eichwald, MdB» war vor allem bei den Kritikern beliebt. Neu sind sehr stark personalisierte Formate, unter anderem «PussyTerror TV» (WDR) mit Carolin Kebekus oder das von Fans und Feuilletonisten so geliebte «Neo Magazin» (ZDFneo) mit Jan Böhmermann. Vor allem sind die letzten beiden Formate unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt einzigartig: Sie polarisieren. Sonst kein typisches Merkmal für öffentlich-rechtliches Fernsehen.
Schwund bei ProSieben
Bemerkenswert ist auch der Rückgang eigener Comedy-Formate bei ProSieben. Bis 2010 gab es noch unglaublich viele Eigenproduktionen beim Unterföhringer Sender. «Rent a Pocher» räumte 2005 den Comedypreis ab. Nicht zu vergessen «Kalkofes Mattscheibe», «Stromberg», «Was nicht passt, wird passend gemacht» und die zahlreichen Michael „Bully“ Herbig-Sendungen und -Ableger: «Bullyparade», «Bully & Rick» sowie «Tramitz and Friends» (ich klammere an dieser Stelle «Bully macht Buddy» angesichts des miserablen Interesses aus). Man denke darüber hinaus an «Extreme Activity» mit Jürgen von der Lippe oder «Switch Reloaded».
Davon ist heute nur wenig übrig geblieben. Allen voran dürfte die Flut an US-amerikanischen Sitcoms, die sich ProSieben in den vergangenen Jahren gesichert hat, dafür verantwortlich sein. Da bleibt nicht mehr viel Platz für eigene Formate. Nicht umsonst ist die massenhafte Ausstrahlung von «The Big Bang Theory» zum Running Gag geworden. Einzig und allein stehen noch die Formate mit Joko und Klaas im Comedy-Line-Up des Fernsehsenders – allen voran «Circus HalliGalli», das 2013 den Deutschen Comedypreis in der Kategorie „Show“ einheimste.
Schmidt, Raab, Pelzig: Wenn TV-Karrieren ihr Ende finden
Aber auch ProSieben musste unverschuldet Rückschläge im Comedy-Bereich hinnehmen. Im vergangenen Jahrzehnt endeten die Karrieren großer Entertainer und Komiker, die für das deutsche Comedy-Fernsehen prägend waren. Die «Harald Schmidt Show» prägte das Bild der deutschen Late Night lange – sofern man von einer solchen überhaupt sprechen kann. 2014 war Schluss. Das zuvor erwähnte «Zimmer frei!» wird 2016 einem Ende zugeführt, Erwin Pelzig hing 2015 seinen TV-Hut an den Nagel. Der Klassiker «TV total» wurde vor Kurzem eingestellt.
Heute hat sich im Privatfernsehen eine neue Riege an Comedians an die Spitze gestellt. Denn auch wenn es einige große Trends im deutschen Comedy-TV gab, so blieb eines doch gleich: Sat.1 und RTL produzieren immer noch zahlreiche Sendungen für dieses herausfordernde Genre. Zu erwähnen sind die verschiedenen Formate von Cindy aus Marzahn (RTL/Sat.1), Mario Barth und Bülent Ceylan (beide RTL). Weiterhin gibt es interessante Sketch-Serien wie «Knallerfrauen» (Sat.1) mit Martina Hill. Nicht zu vergessen gut produzierte Serien: «Danni Lowinski» (Sat.1), «Doctor’s Diary» (RTL) und «Pastewka» (Sat.1).
Deutsche Comedy im TV hat in den Jahren seit dem Ende von «Was guckst du?!» interessante Änderungen erfahren. Die größere Bedeutung öffentlich-rechtlicher Formate, die sinkende Zahl an Formaten auf ProSieben sowie das Karriereende vieler Comedy-Größen sind wohl die die bemerkenswertesten. Deutschland hat trotzdem noch Humor – aller Klischees zum Trotz. Auch wenn die Innovationsfreude vor allem bei den Privatsendern anscheinend abgenommen hat. Tot ist die deutsche Comedy definitiv nicht. Sie findet lediglich neue Formen und Produzenten. So zumindest mein ganz persönlicher Eindruck.
Anmerkung: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die genannten Formate sind typische Vertreter des Genres oder Sendungen, die meiner Ansicht nach einen Einfluss auf die deutsche TV-Comedy genommen haben.