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#Raabschied mit Spezial-Ausgabe: ‚König Lustig‘ dankt ab

In einer letzten, emotionalen Ausgabe überraschte «Schlag den Raab» mit einem neuen Spiel-Modus. Die Ausgabe verlor dadurch an Spannung, trotzdem reißt das Show-Ende eine große Lücke.

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Wenig spektakulär, dafür ebenfalls emotional, endete «TV total» am Mittwochabend in einer nur leicht verlängerten Ausgabe, dennoch zeigten sich die meisten Fans der Late-Night-Show zufrieden mit dem leisen Abgang von Stefan Raab und seinem Weggefährten Elton. Ohnehin war der opulente Abschied von König Lustig einem anderen Format vorenthalten. Als Schlusspunkt für die beispiellose TV-Karriere des Entertainers, der Millionen von Zuschauern, zunächst bei VIVA, später bei ProSieben mit «TV total», den «TV total»-Events oder auch seinem Polit-Experiment «Absolute Mehrheit» unterhielt, schien von vornherein Raabs wohl beste Showidee «Schlag den Raab» den perfekten Rahmen zu liefern. So geriet der 19. Dezember 2015 zum großen Abschied in doppelter Hinsicht. Zu dem eines Unterhalters, der zu den prägenden Größen Fernseh-Deutschlands nach der Jahrtausendwende zählte und zu dem eines verwegenen Formats, das in seinem großen, von vielen Faktoren beeinflussten, Anreiz künftig seines Gleichen sucht und hoffentlich auch findet.

Dies lag vor allem daran, dass sich sowohl ProSieben als auch Stefan Raab mit «Schlag den Raab» aus ihrer Komfort-Zone herausgetraut haben. Bei «Wetten, dass…?», das über Jahrzehnte als Sinnbild der Samstagabend-Unterhaltung galt, waren die Rollen klar verteilt und gelernt, damit ein gewisses Risiko nicht von Nöten. Mit der Prämisse von «Schlag den Raab» aber, zwang sich Raab selbst im Rahmen jeder Show zu Höchstleistungen, aus denen die unerwarteten Ereignisse hervorgingen, die so oft den Reiz des Formats ausmachten. Das wurde erst in der vorletzten Ausgabe wieder allzu deutlich, als mehrfache Stürze mit einem Elektro-Rollstuhl nach Segway-Idee die Liste der Raab-Verletzungen in der Samstags-Show verlängerte.

Der ungemein ehrgeizige Metzgersohn war sich seiner Fallhöhe nur allzu bewusst, schätzte diese vielleicht sogar noch um einiges größer ein und wuchs so auch gegen körperlich weit überlegene Kontrahenten über sich hinaus. Dieses Gehen der Extra-Meile und Out-of-the-Box-Denken bei einigen Spielen vermisste man beispielsweise beim Pendant «Schlag den Star», was umso deutlicher machte, dass die Sendung ohne Raab keine Zukunft haben wird. Auch die Zelebrierung des Live-Erlebnisses, die eine jede Ausgabe so unvorhersehbar machte, ging den aufgezeichneten «Schlag den Star»-Episoden natürlich ab.

ProSieben, das über all die Jahre hinweg gelernt hatte, Raab das nötige Vertrauen zu schenken, brachte jedoch zum Start der Sendung und über den neunjährigen Run hinweg auch die nötige Toleranz und Spontaneität mit, die man heutzutage im Fernsehen nur noch selten findet. Nie wusste man im Vorfeld, wie sich Raab gegen seinen Gegner schlagen würde – die Sendungslänge war daher nicht abzuschätzen und das Folgeprogramm dementsprechend anzupassen. Dies lag auch in der Natur der häufig sehr raffinierten, aber auch oft neuen und daher unerprobten Spiele begründet. So kam es schließlich am 15. November 2014 zur längsten Ausgabe aller Zeiten, die sich über 6 Stunden und 11 Minuten erstreckte, da es die Kontrahenten im Rahmen des Spiels „Ringing the Bull“ etwa eine Stunde lang nicht schafften, eine Öse an einem Haken anzubringen.

Generell muss man Brainpool dabei ein großes Lob aussprechen, die bei der Ansetzung und Kreation von Spielen immer wieder großen Abwechslungs- und Erfindungsreichtum bewiesen – umso nachdenklicher stimmen die Kündigungen an den Mitarbeitern, denen Weiterbeschäftigung und Abfindung verweigert werden sollen. Neben dem Vertrauen, das ProSieben aber in Sachen Sendezeit bewies, war es ebenfalls am Münchner Sender, die teilweise sehr aufwändigen Produktionen finanziell zu stemmen, nicht zuletzt wegen der hohen Preisgelder. Diese Art Blankoscheck muss ProSieben künftig bei seinen Samstagabend-Shows nicht mehr ausstellen, dafür gerät aber auch die Gefahr größer, dass Fernsehzuschauer bald nicht mehr das Gefühl haben, etwas zu verpassen, wenn man am Samstag zwischen ProSieben und anderen Sendern wählen muss. So wird der Staffelstab an eine neue Generation weitergegeben, unter anderem an das auch im Jahr 2016 noch präsentere Duo Joko und Klaas, das vor allem im Rahmen von «Joko gegen Klaas- das Duell um die Welt», dafür nicht immer mit «Mein bester Feind» die Zuschauer in ansehnlichem Maße anlockte. Einen Hoffnungsschimmer stellt unterdessen konzeptionell das bereits ein Mal getestete «Teamwork» dar, das mit fünf Stunden Bruttolaufzeit zum Start ebenfalls nicht mit Sendezeit geizte. Hier fühlte man sich auf Anhieb an «Schlag den Raab» erinnert, dennoch hängt die Attraktivität auch immer wesentlich von den mitmischenden Promis ab.

Mit dem Ende von «Schlag den Raab» geht ein großer Entertainer und eine große Show-Idee, die den Fernsehkonventionen bis zum Schluss trotzte. Der zum jetzigen Zeitpunkt prognostizierte Schritt in Richtung Beliebigkeit am Samstagabend, reißt zweifelsohne eine Lücke in Fernsehdeutschland, die 2016 noch nicht adäquat zu füllen ist, obwohl auch «Schlag den Raab» in der Regel nur sechs Mal jährlich über den Äther ging. Gleichwertig ersetzen kann man «Schlag den Raab» nicht, das bedeutet jedoch nicht, dass es für ProSieben am Samstagabend jetzt nur noch abwärts gehen kann. Es bedarf eines gründlichen Scoutings nach frischen Ideen, in die es sich in gleichem Maße zu investieren lohnt. Zumindest teilweise deuteten Samstagabendshows der roten Sieben dieses Potenzial in der jüngeren Vergangenheit an. Vielleicht will aber Raab genau das: Dass die Raab-Sehnsucht Fernseh-Deutschlands nach seinem Abschied in Anbetracht fehlender neuer Hits immer größere Formen annimmt und seinen Status als Show-Ikone auf ewig unterstreicht.
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20.12.2015 02:10 Uhr Kurz-URL: qmde.de/82714
Timo Nöthling & Manuel Nunez Sanchez

super
schade

91 %
9 %

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Absolute Mehrheit Joko gegen Klaas- das Duell um die Welt Mein bester Feind Schlag den Raab Schlag den Star TV Total TV total Teamwork Wetten dass…?

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