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'Man sucht sich nicht willkürlich irgendeinen Punkt in der Vergangenheit aus'

Anlässlich des Starts der Ausnahmeserie «Deutschland 83» spricht Quotenmeter.de mit Jörg Winger, dem Miterfinder und Produzenten des Geschichtsdramas.

Seite 1 Der Ursprung von «Deutschland 83» liegt in Ihrer Wehrdienstzeit in der Eifel, als Sie in Ihrer Funktion als Funker festgestellt haben, dass Sie einen Ost-Maulwurf haben müssen. Sind Sie seither mit der Idee zur Serie schwanger gelaufen?
Nein, so lange habe ich nicht darüber gegrübelt. Aber ich habe die Geschichte schon einige Jahre mit mir herum getragen und überlegt, wie sich eine Serie daraus spinnen lässt. Der entscheidende Anstoß kam in dem Moment, als Anna (Winger; Frau Jörg Wingers und Schriftstellerin, Anm.d.Red.) die Idee hatte, die Story aus der Perspektive des Maulwurfs zu erzählen, also des Ost-Spions.

Wie lange dauerte es danach, einen Sender zu finden, der hinter diesem Serienkonzept steht?
Das ging sehr schnell. Wir sind sehr zügig durch alle Instanzen gelaufen. Nico Hofmann und ich saßen, ehe wir uns versahen, bei Frank Hoffmann von RTL, dem wir einen 'Mood-Trailer' gezeigt haben. Also eine Zusammenstellung aus allen möglichen Serien und Filmen, die eine ähnliche Stimmung haben, wie das, was wir uns für «Deutschland 83» vorstellten. Diesen haben wir zusammen mit einem Cutter aus der «SOKO Leipzig»-Crew erstellt, und zusätzlich zum Trailer haben wir unsere Idee für die zentrale Handlung gepitcht. Anna und ich haben außerdem aus Eigeninitiative ein Drehbuch für einen Piloten entwickelt, und dieses Gesamtpaket hat Frank Hoffmann sehr schnell von unserem Vorhaben überzeugt.

Was war denn alles im Mood-Trailer zu sehen?
Oh, ich weiß gar nicht, ob ich das sagen darf. (lacht) Solche Mood-Trailer werden in unserer Branche und auch im Werbegeschäft ja stets privat und unter der Hand gemacht. Ich glaub, ich darf sagen, dass ein Schauspieler uns einen Voice Over eingesprochen hat, der die Geschichte unserer Hauptfigur Martin Rauch zusammenfasst. Unterlegt wurde das mit einem Potpourri von Ausschnitten, die wir atmosphärisch passend fanden, wobei wir viele deutsche Filme verwendet haben, die im Kalten Krieg spielen.

Mit den über 30 Jahren Abstand, die wir mittlerweile haben, lässt sich die Vergangenheit ganz anders einordnen. Wichtig ist uns natürlich auch, welche innere Reise unser Protagonist durchläuft – wie er seine Persönlichkeit, Vaterfiguren, zur Liebe und schließlich seine deutsch-deutsche Identität findet.
Jörg Winger über «Deutschland 83»
Möchten Sie mit «Deutschland 83» primär die Vergangenheit neu beleuchten, oder dient das Format auch als historische Parabel, die etwas über das Heute aussagt?
In erster Linie soll es schon um die Vergangenheit gehen. Damals hatten hierzulande zwar viele Leute Angst vor einer nuklearen Katastrophe, jedoch möchten wir zeigen, dass eine noch größere Sorge durchaus angebracht gewesen wäre. Mit den über 30 Jahren Abstand, die wir mittlerweile haben, lässt sich die Vergangenheit ganz anders einordnen. Wichtig ist uns natürlich auch, welche innere Reise unser Protagonist durchläuft – wie er seine Persönlichkeit, Vaterfiguren, zur Liebe und schließlich seine deutsch-deutsche Identität findet.

Trotzdem: Wenn man eine Geschichte über das Gestern erzählt, sagt man auch etwas über das Heute aus. Man sucht sich nicht willkürlich irgendeinen Punkt in der Vergangenheit aus. Das Spionagethema ist da wohl unsere deutlichste Verbindung zum Jetzt. Das Genre erlebt aktuell eh eine Renaissance, was wohl daran liegt, dass wir uns in der westlichen Gesellschaft stets auf verschiedenen Seiten ausspioniert fühlen, und dies in einem Ausmaß, das man sich früher nicht hätte ausmalen können. Es gibt ja das Briefgeheimnis, und als die Kommunikation weitestgehend darüber verlief, war unser Schriftverkehr daher gut geschützt. Wenn der Briefträger jeden Brief aufreißen und durcharbeiten würde, würde man sich wundern. Aber jede E-Mail, die du schreibst, geht durch alle möglichen Datencenter, und die Auslandsgeheimnisdienste spionieren Privatmenschen aus, Datensammler werten jedermanns Kommunikation aus … Das ist ein Thema unserer Zeit, und ich denke, ganz besonders eines, das uns Deutschen am Herz liegt. Auch da setzt «Deutschland 83» an.

Wir haben bewusst einen DDR-Spion als Helden auserkoren, mit dem wir mitfiebern und mitleiden können, und dem man als Zuschauer nur das Beste wünscht. Wir haben sehr viele Figuren aufgestellt, die alle davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Wir haben gezielt auf objektiv böse Figuren verzichtet. Das war unser Grundsatz beim Schreiben
«Deutschland 83»-Produzent Jörg Winger
Da Sie die Welle an Agentenfilmen ansprechen: Was ich an diesem Boom bemerke, ist dass viele dieser Filme fast schon von einer Sehnsucht nach früheren weltpolitischen Zeiten geprägt sind. «Kingsman: The Secret Service» oder «Skyfall» wollen natürlich nicht wieder den Kalten Krieg und die ständige Gefahr eines Atomkriegs heraufbeschwören. Aber diese und andere Agentenfilme romantisieren durchaus den Gedanken einer klaren, einfachen Frontenverteilung: Ost gegen West, Land X gegen Land Y. Kurz: Weg von der Unübersichtlichkeit, in der überall von jedermann Terror droht. Wie positioniert sich «Deutschland 83» da?
Gut beobachtet. Ich denke auch, dass die Leute Sehnsucht nach einfachen Erklärungen verspüren. Auf der anderen Seite haben wir aber versucht, mit «Deutschland 83» eben diese klare Grenze West-Ost/Gut-Böse zu durchbrechen. Wir haben bewusst einen DDR-Spion als Helden auserkoren, mit dem wir mitfiebern und mitleiden können, und dem man als Zuschauer nur das Beste wünscht. Wir haben sehr viele Figuren aufgestellt, die alle davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Wir haben gezielt auf objektiv böse Figuren verzichtet. Das war unser Grundsatz beim Schreiben: Es gibt keine Bösen, jeder hat aus seiner Sicht die besten Intentionen. Und diese Sichtweisen lassen wir aufeinanderprallen.

Auf der nächsten Seite: Jörg Winger über eingefahrene Programmschemata, die Pläne für weitere Staffeln von «Deutschland 83» und darüber, ob Live-Sport wirklich so eine unerwünschte Konkurrenz für Serienmacher darstellt.
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26.11.2015 06:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/82245
Sidney Schering

super
schade


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Deutschland 83 Deutschland 86 Deutschland 89 Kingsman Kingsman: The Secret Service SOKO Leipzig Skyfall The Secret Service

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