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TV Lab: Wenn schon, dann bitte richtig

Hingeschaut: Das ohnehin zurechtgestutzte TV Lab muss wegen der Ereignisse von Paris auf einen der vier Clips verzichten. Die anderen Filme bieten kein herausragendes Serienpotenzial.

Teams des TV-Labs 2015

  • Team "Drama Dackel":

    Schlecky Silberstein, Daniel Seideneder, Marco Müller und Stephan Greitemeier, Produktionsfirma: dropout films

  • Team "It's a lab" (Teilnahme zurückgezogen):

    DeChangeman, theclavinover, Martin Brindöpke und Fabian Siegismund, Produktionsfirma: Warner Bros.

  • Team "Stars aus der Tube aka Das Web ist nicht genug":

    AlexiBexi, Lars Fricke, Ooobacht und Michael Schulte, Produktionsfirma: HitchOn

  • Team "Three And A Half Girls":

    Fräulein Chaos, Melissa Lee, Kirstin Warnke und Alexander Wipprecht, Produktionsfirma: strandgutmedia

Ob das TV Lab 2015 das „letzte Röcheln“ sei, fragte Quotenmeter-Chefredakteur Manuel Weis, als der Spartensender vor etwas mehr als einem guten Monat mitteilte, wie die diesjährige Auflage des Zuschauervotings bei ZDFneo aussehen wird. Tatsächlich: Lediglich vier Clips mit einer Länge von etwa acht Minuten sind pilotiert worden. Zu sehen gibt es für die Zuschauer zusätzlich nur drei davon: Das Team „It’s a lab“ entschied sich auf seine Teilnahme am Voting und die Veröffentlichung zu verzichten, da man „der Realität unheimlich nahe gekommen“ sei, womit die Teilnehmer die Anschläge von Paris meinen. Ein Urteil über diese Entscheidung lässt sich ohne Kenntnis des Clips kaum fällen, liegt aber ohnehin zurecht bei den Künstlern. Teammitglied Martin Brindöpke jedenfalls erklärte im Nachgang auf seinem eigenen Twitter-Account zusätzlich, dass man islamistische Propaganda und deren ideologische Nähe zu rechten Provokateuren karikieren wollte. Er sagt zudem, dass man sich der geschürten Angst nicht beugen sollte, aber dennoch den Beitrag aus Respekt vor den Opfern nicht zeigen wolle. Eine spätere Veröffentlichung des Clips lässt sich das Team jedoch offen. Allein: Das Video, in dem der Rückzug vom Wettbewerb erklärt wird, lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück. Das dort zelebrierte, genussvolle Kauen von Schokolade will nicht so recht zum ernsten Hintergrund passen. Oder gibt es einen anderen Hintergrund, der nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist? Immerhin liegt das Stück Schokolade bereits zu Beginn des Clips fein drapiert dort.



Was zur Frage zurückführt, ob das TV Lab in seinen letzten Zügen ist. Und da fällt weiter auf: Entstanden sind die Filme innerhalb von nur sieben Tagen – wohlgemerkt in ihrem gesamten Prozess zwischen Konzeptentwicklung und Postproduktion. Für einen hohen Production Value spricht alleine das schon nicht, für großes Vertrauen in das Konzept TV Lab erst recht nicht. Und was soll man sagen: Natürlich sind die kurzen Schnipsel nicht unbedingt herausragend. Wie sollen sie auch. Schließlich darf zusätzlich davon ausgegangen werden, dass das Budget nicht ins Unermessliche gewachsen ist. Eine Sendersprecherin durfte zwar keine exakte Auskunft geben, wie hoch es ist. Dennoch dürfte recht klar sein, dass ZDFneo deutlich weniger Geld in die Hand genommen hat als in den vorherigen Jahren.

Eine Hand voll mussten hingegen die Teilnehmer des Labs aufbieten. Falls sie diesen Satz jetzt doppelt lesen mussten: Stimmt, da fehlt was. Eine Hand voll was? Genau das ist jedoch das Rätsel, vor dem die vier Teams standen. „Mutprobe – Für eine Hand voll…“ lautete das Thema genau genommen, das möglichst kreativ gelöst werden sollte. Die bekanntesten Teilnehmer (genauere Informationen in der Infobox) des TV Lab 2015 sind wohl Blogger und Detektor.FM-Moderator Schlecky Silberstein oder „Frau Dingens“ Kirstin Warnke. Dass insgesamt nicht die ganz großen Namen dabei sind, ist zunächst nicht weiter tragisch. Vor allem nämlich sind es kreative Köpfe, die beim diesjährigen TV Lab partizipieren. So ist neben «Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von»-Ensemblemitglied Alexander Wipprecht auch der ehemalige «switch reloaded»-Autor Stephan Greitemeier in einem der Teams. Betreut (und moderiert) wird das Unterfangen von «Neo Magazin Royale»-Sidekick William Cohn.

Das gestutzte Konzept bietet aber im Übrigen nicht nur Negatives: Noch mehr als in den letzten Jahren werden Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung geboten: Das ausgestiegene Team „It’s a lab“ beispielsweise interagierte ständig über Periscope-Streams mit den Nutzern und war damit nicht allein in dem Netzwerk. Alle Teilnehmer haben zudem einen eigenen Twitter-Account, der die Aktion begleitet. Facebook-Seiten besitzen ebenfalls alle Teams, wobei zumindest die Aktivität von Team "Drama Dackel" nicht übermäßig ist. Dazu kommt noch ein täglicher Film, genannt „Daily Cohn“, der ein kurzes Update über die Aktivitäten der Teilnehmer gab.. Den großen Buzz gab es damit bislang zwar nicht (die Facebook-Accounts haben Stand Montag, 16. November zwischen 123 und 1673 Likes) – die Crossmedialität, die gerade im Konzept TV Lab ja groß geschrieben werden sollte, ist aber so großflächiger gegeben. Gleiches gilt für die User-Interaktion.

Team „Drama Dackel“: «Blauwal Challenge»


Laut, trashig und mit schnellen Schnitten beginnt der Clip «Blauwal Challenge» vom Team Drama Dackel, das mit seinem Film zeigt, warum die eigene Social Media Interaktion am geringsten war: Soziale Netzwerke sind unsozial, mehr Menschlichkeit ist nötig, so die Aussage des Clips. Doch leider wird diese (grundsätzliche natürlich nicht unberechtigte) Message genau so plump formuliert. Das mag für so Manchen sogar nötig sein, in der Einfachheit der Darstellung bleibt aber quasi kein Interpretationsspielraum.

Ob Bini Bee oder Age of Alpha – die YouTube-Parodien wirken zwar einigermaßen originalgetreu, sind aber zugleich nur mittelmäßig, da kaum pointiert. Besser macht seine Sache Gastdarsteller Ralf Richter, der als Chef des Multi-Channel Networks amüsiert. Er engagiert einen arroganten YouTuber, der Richters erfolglosen Schützlingen auf die Sprünge helfen soll – und beim Versuch mit Kaubonbons und Cola eine Fontäne aus seinem Allerwertesten zu produzieren stirbt. Das eben ist dann auch die titelgebende Blauwal Challenge. Als Kritik am Druck in der YouTuber-Szene funktioniert das halbwegs, als Witz jedoch überhaupt nicht. Gleiches gilt für den anschließenden Dialog: „Der ist richtig tot“ – „Tot ja…offline nein.“ Auch, dass die noch lebenden Figuren anschließend Videos mit dem Toten drehen (Logisch, man muss ja Klicks generieren) ist kaum mehr als morbide. Nach einem Statement gegen die sozialen Netzwerke folgt schließlich ein mittelmäßiger Schlussgag. Serienpotenzial bietet das in dieser Grundkonstellation keinesfalls. Dazu bräuchte es deutliche inhaltliche Korrekturen und weniger plumpe Aussagen. Und das Thema? Das wurde auch nicht besonders durchdacht abgearbeitet. Als Mutprobe darf wohl die tödliche Challenge verstanden werden – und zwar für eine Hand voll Klicks. Das ist genau so mühsam wie der Clip insgesamt.

Team „Stars aus der Tube aka Das Web ist nicht genug“: «Trau Dich…für eine Hand voll Spinner»

Bisherige TVLab-Sieger

  • 2011: «Teddy's Show»
  • 2012: «Deutsches Fleisch»
  • 2013: «Towuhabohu»
  • 2014: «Blockbustaz»
Deutlich besser hat sich das Team der YouTuber dem Thema angenähert: Schon im Titel wird darauf reüssiert. Einer Hand voll Spinnern hilft die Agentur „Trau Dich“ – eigentlich dabei, sich das mit dem Heiraten zu trauen. Dieses Wortspiel kommt bei den Kunden aber nicht so ganz an. Weil das Geld knapp ist tun die Mitarbeiter aber dennoch alles, was die Kunden wollen: Ob Angst vor Kiwis, Selfies oder Fledermäusen, bei allem helfen die Agenten ihren Klienten.

Der Gastdarsteller hingegen ist in diesem Fall nicht besonders gut eingefügt: Zwar spielt «Sechserpack»-Schauspieler Hanno Friedrich eine zentrale Rolle, wirkt aber dennoch mal so eben reingequetscht. Immerhin: Emotional bietet sich in diesem Clip noch am meisten Tiefgang, inhaltlich jedoch weniger. Die Konflikte sind dabei zwar gefühlvoll dargestellt, um wirklich nachzuvollziehen können, wer warum welche Schwierigkeiten hat, fehlt aber einerseits Zeit das Ganze auszubreiten. Zugleich aber zieht sich das Erzählte trotz der kurzen Dauer lange hin. Hier treffen also Behäbigkeit und Zeitmangel aufeinander. Doch das wird durch Sänger Michael Schulte wieder wettgemacht, der in einem Running Gag nur darauf wartet, endlich seine Gitarre anstimmen zu dürfen. Als er endlich darf, ist Begeisterung beim Zuschauer vorprogrammiert. So emotional spielt er sein persönliches „Hey ya“-Cover, ohne dabei die Rolle zu verlassen. Das alleine macht natürlich kein Serienpotenzial. Wenn die Gags noch ein wenig pointierter werden und die Story etwas Fahrt aufnimmt, dann darf man zumindest ein wenig Hoffnung haben.

Team „Three And A Half Girls“: «Glitch»


Im letzten Clip wurden Thema und Gastdarsteller gleich verknüpft und mal eben in elf Sekunden abgehakt. Es handelt sich um den ehemaligen Mediakraft-Boss Christoph Krachten, der erklärt was er für ein geiler Typ ist und, dass er eine Mutprobe bewältigen wird. Bevor es dazu kommt, überfährt ihn allerdings ein Bus. Das ist im gezeigten Setting erwartbar und weitestgehend sinnfrei. Der Schnitt führt den Zuschauer dann – ganz ohne Christoph Krachten – in einen Therapieraum. Hier sieht die Produktion verhältnismäßig wertig aus. Und auch die Einblicke, die man in die Köpfe der Patienten bekommt haben durchaus Charme und Humor, weil die verquere Perspektive der Kranken dargestellt wird.

Die Schnelligkeit der Schnitte wird dabei nicht immer von den inhaltlichen Aussagen getragen und wirkt daher phasenweise anstrengend. Deutlich macht sich hier auch das geringe Budget bemerkbar, da einige Darsteller in Doppelrollen zu sehen sind, was es für den Zuschauer an einigen Stellen schwierig macht. Dass es in der psychologischen Analyse nicht viel tiefer geht als bei Astro TV ist hingegen wieder der fehlenden Laufzeit geschuldet. Ob man in acht Minuten aber drei Figuren abreißen muss, ist zusätzlich fraglich. Toll gelungen ist hingegen der «Shutter Island»-artige Plot Twist (inklusive des namensgebenden Glitchs), ebenso wie ein lustiger aber wenig differenzierter Schlussgag. Der Plot Twist allerdings ist auch gleichzeitig das größte Problem: Der nämlich verbaut einen Großteil der Perspektive auf eine serielle Fortsetzung. So bedarf es einiger Kreativität, um ein neues Konzept daraus zu schnitzen.

Fazit: So wenig ernst wie ZDFneo die Fortsetzungen der TV Lab-Sieger nimmt, scheint es aber ohnehin nicht schlimm, wenn die Formate nicht serientauglich sind. Immerhin muss der letztjährige Sieger «Blockbustaz» noch bis 2016 auf eine Fortsetzung warten. Weil aber die Clips der diesjährigen Ausgabe des TV Labs allesamt keine Begeisterungsstürme hervorrufen, wäre das Warten auch nicht weiter schlimm. Eine Fortsetzung zur «Blauwal Challenge» ist dabei am verzichtbarsten. Selbst wenn der Inhalt hier noch verhältnismäßig tief geht, der kurze Film trifft dennoch keinen Nerv. Stärker ist die Idee der YouTuber, denen man ihre Wurzeln anmerkt. Mit einiger Weiterentwicklung könnte aus ihrem Clip eine gute Serie entstehen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, das Potenzial aber ist dort am ehesten vorhanden. Den besten Beitrag liefert gleichwohl das Team „Three And A Half Girls“, wobei vor allem der Plot Twist gelingt – der aber gleichzeitig nicht wirklich Potenzial für eine Fortsetzung bietet. Es wird also schwierig für ZDFneo, das schon jetzt als Verlierer des TV Labs feststeht. Denn was festzuhalten bleibt: Das neue Konzept funktioniert qualitativ betrachtet nicht, was eventuell auch am fehlenden Clip, der Tiefgang versprach, liegt. Zwar sind diverse Interaktionsmöglichkeiten löblich, den Produktionen tut die Schnelligkeit aber nicht gut. Und so könnte es in der Tat das letzte Röcheln sein, das es dieses Jahr von den Kreativwochen beim Spartenkanal zu sehen gibt. Es sei denn, der Sender findet den Mut wieder zu expandieren. Wenn schon TV Lab, dann bitte richtig.

ZDFneo zeigt die Clips des TV Labs vom 17. November bis 20. November jeweils um 20.05. Alle Clips am Stück gibt es außerdem am 19. November um Mitternacht zu sehen. Online sind die Filme bereits jetzt hier zu finden.

Edit: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das Team "Drama Dackel" hätte keinen Twitter-Account. Das ist nicht korrekt und wurde daher geändert.
17.11.2015 12:02 Uhr Kurz-URL: qmde.de/82047
Frederic Servatius

super
schade


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