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Popcorn & Rollenwechsel: Cinema Purgatorio – Woran Filmkritiker leiden

Als Filmkritiker sitzt man nicht rund um die Uhr im Kino und glotzt selbstzufrieden auf die Leinwand: Vier Mitglieder dieser cinephilen Zunft verraten, welche Ärgernisse sie in ihrer Tätigkeit plagen.

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Sebastian Selig, Schreiberling & Kinoaktivist
In Deutschland über das Kino zu schreiben, heißt dies barfuß auf gleichförmig grauen Betonplatten im ganz kalten Wind stehend zu tun. Man schreibt dann in einem Umfeld, in dem das vorschnelle Aburteilen, die feige Ironie, wie leider vor allem auch immer nur wieder verkrampftes Schubladendenken gang und gäbe sind.

Am schlimmsten sind in dem Zusammenhang wohl die Genrefilmnerds zu nennen, die Blogs, Foren und Social Media mit ihrer bereits im Vorfeld feststehender, an Dummheit sich gegenseitig übertreffender Kritik zumüllen. Dabei immer und immer wieder in schlichtestem Deutsch, mit den immer gleichen falschen Stempeln, wie „Kultfilm“, „Trash“ oder „Für Fans ein Muß“ in der Hand, den Filmen die Freiheit versuchen zu nehmen. Deppentexte, die es einfach nicht begreifen können, warum man sich nicht an die Regeln hält und ihre simpel gestrickten Erwartungen von subversivem Getue und ironischer Distanz erfüllt sehen wollen. Schmollende Kinder. Empfindlich und ohne Mitgefühl. Als Nerds meinen sie, das Vorangegangene gut zu kennen und erwarten nun vom Kino, sich immer und immer wieder mit diesem vergleichen zu lassen. Kotzen sie wieder und wieder nur deswegen auf das Kino ab, weil es sie immer wieder spüren lässt, ihr kaltes Expertentum ist ein Sackgasse, die direkt in die völlige Lieblosigkeit führt.

Sie nerven. Und ebenso tut das jeder, sei er nun Schreiberling, Verleiher oder Kinobetreiber, wenn er glaubt, das Kino hätte Grenzen, wäre ein Medium um sich abzugrenzen. Diese Schubladenbauer zementieren sich hier eine enge Welt mit immer neuen Mauern zusammen, weil nichts schlimmer sein könnte, als mit offenem Herzen im Wind zu stehen und dort einfach mal Berührung zuzulassen.

Kino ist sinnlich. Ist in all seiner unbegreifbaren Größe, seiner hemmungslosen Vielfalt und Unberechenbarkeit ein kein Ende findendes, flirrendes Sexfest. Ein Liebesreigen. Ist Dir direkt ins Herz brandendes Licht und Hitzigkeit. Ist nichts, dem man deswegen zu verkopft gegenübertreten sollte. Es kleinzureden, es rund zu lutschen, weil man hofft, es passt dann vielleicht doch in irgendwelche Schubladen, wäre und ist in letzter Konsequenz nicht nur falsch, sondern auch zerstörerisch. Gegen all die kalten Arschlöcher, die das immer wieder versuchen, gilt es deswegen glühend anzuschreiben. Die Kritiker zu kritisieren. Die Klein-Klein-Bäcker mit dicken cinephilen Fruchttorten zu bewerfen. Im Kino unbefangen mit heruntergelassener Hose zu feiern. Jetzt.
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16.11.2015 13:35 Uhr Kurz-URL: qmde.de/82020
Antje Wessels, Sebastian Selig, Stefan Turiak, Jörg Gottschling und Sidney Schering

super
schade

73 %
27 %

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