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Die Kritiker: «Starfighter»

Das neue RTL-Event-Movie «Starfighter» ist ein solider, gut erzählter Fernseh-Blockbuster und hat viel richtig gemacht. Vielleicht sogar genug, damit wir endlich «Helden» vergessen können.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Picco von Groote als Betti Schäfer
Steve Windolf als Harry Schäfer
Frederick Lau als Richie Weichert
Alice Dwyer als Helga Waldeck
Paula Kalenberg als Evi Kranz
Florian Panzner als Dieter Mertens
Maxim Mehmet als Theo Euringer

Hinter der Kamera:
Produktion: Zeitsprung GmbH
Drehbuch: Kit Hopkins und Thilo Röscheisen
Regie: Miguel Alexandre
Kamera: Jörg Widmer
Produzenten: Michael Souvignier und Dominik Frankowski
„Witwenmacher“ war nur einer der Spitznamen, die man in den 60er Jahren dem Starfighter gab – jenem Kampfflugzeug, von dem die Bundesregierung über neunhundert Stück geordert hatte und die vom Himmel fielen wie die Fliegen.

Die genauen Modalitäten, in denen diese Geschäfte zwischen dem Hersteller Lockheed und dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß abliefen, sind bis heute nicht restlos geklärt: Lockheed hatte nachweislich Regierungsmitglieder mehrerer Staaten, darunter Italien, Japan und die Niederlande, bestochen. Verschiedene Quellen deuten darauf hin, dass auch Strauß damals Schmiergeldzahlungen erhielt; ein ausreichend eindeutiger Nachweis konnte jedoch nie erbracht werden.

Die Verfilmung von RTL ist ohnehin eher an der Perspektive der Piloten und ihrer Hinterbliebenen interessiert. Mit dem für opulente Fernsehfilm-Events üblichen weitschweifigen Paraphrasing: Ziemlich ausladend zeichnen die Autoren die Liebesgeschichte des herausragenden, aber zumindest am Anfang ebenso draufgängerischen, wenngleich sympathischen Luftwaffe-Piloten Harry Schäfer und seiner Frau Betti, einer Angestellten in der Parfümerieabteilung eines Kaufhauses: Sie lernen sich nachts in einer Bar kennen, verlieben sich ineinander, heiraten und ziehen in ein hübsches Haus irgendwo bei Düren.

Doch über dem Glück dieser beiden netten jungen Leute pendelt das Damoklesschwert Starfighter: Auch in Harrys Geschwader hat es schon einige schwere Unfälle gegeben, darunter sogar Todesfälle. Einer seiner Kameraden wurde aus ungeklärten Gründen bei einer Übung ohnmächtig und flog auf Autopilot bis in schwedischen Luftraum durch, wo er an einem Berg zerschellte, bevor die skandinavischen Jäger ihn hätten abschießen müssen, um größeres Unheil am Boden in bewohntem Gebiet zu verhindern. Nächtelang zermartert sich Harry den Kopf und meint, nach umfangreichem Bauplanstudium auf erste Ergebnisse gestoßen zu sein, die die Absturzserie erklären könnten. Doch seine Vorgesetzten schalten auf Durchzug: Was sollen wir da schon groß machen?

Betti lebt mittlerweile in ständiger Angst um ihren Mann und unternimmt mehrere Versuche, ihn zum Verlassen der Luftwaffe zu überreden. Vergeblich. Die Fliegerei ist seine große Leidenschaft. Bis eines Tages das Unfassbare Realität wird: Ein enger Freund der jungen Familie überbringt ihr die Nachricht, dass Harry bei einem Absturz ums Leben gekommen ist.

Betti beschließt, der mysteriösen Absturzserie auf eigene Faust nachzugehen. Luftwaffe und Verteidigungsministerium wimmeln sie ab, verwehren ihr Akteneinsicht, flüchten sich in Phrasen. Als sie über andere Wege an Informationen über frappierende Auffälligkeiten gerät und damit an die Öffentlichkeit geht, zettelt der Verteidigungsminister eine Schmierkampagne in der Presse gegen sie an. Doch ihr Ziel hat sie klar vor Augen: Sie will mit der Hilfe eines amerikanischen Spitzenanwalts Lockheed in Kalifornien auf eine horrende Entschädigungszahlung verklagen.

An dieser Stelle ist es Zeit für eine dringend nötige Entwarnung: Nein, «Starfighter» ist kein neues «Helden» geworden. Und auch wenn man dem Film nicht von vornherein Unrecht tun will, indem man ihn am Standard des schweineteuren, aber grottenschlechten Bodensatzes der deutschen Event-Movies misst, kommt man zu einem ziemlich positiven Ergebnis. Denn über weite Teile erzählt «Starfighter» recht ansprechend, clever, spannend, emotional und sicherlich auch nicht frei von Relevanz.

Dabei hat sich das Projekt im Konflikt zwischen historischer Wahrhaftigkeit und Freiraum zur Fiktionalisierung nahezu überall, wo es irgendwie ging, für letzteres entschieden. Wohl aus juristischen Gründen tritt sogar der Bundesverteidigungsminister als fiktive Person auf – in «Starfighter» heißt er Weltke, nicht Strauß, und lässt sogar den penetranten bayerischen Habitus des realen Vorbilds vermissen. Ganze Handlungspassagen, vor allem natürlich die weitschweifig erzählten persönlichen Lebensgeschichten ihrer Hauptfiguren im Umfeld der Luftwaffe, sind frei erfunden. «Starfighter» schmückt seine historischen Fakten großzügig mit allerhand Storylines und Charakteren aus, die so hätten sein können, aber nicht unbedingt so gewesen sein müssen, und steht somit eher in der Tradition des Blockbuster-Kinos à la «Pearl Harbor» als der öffentlich-rechtlichen Geschichtsaufarbeitung im Stil der «Spiegel-Affäre».

Das muss kein Nachteil sein. Schließlich erlaubt diese Betrachtungsweise einen exemplarischen Blick auf ein zentrales Ereignis in der bundesdeutschen Geschichte, der vielleicht ein besseres, allgemeingültigeres Gespür für Look and Feel entwickeln kann, als wenn er sich am starren Gang der Ereignisse entlanghangeln müsste.

Was nicht bedeutet, dass sich «Starfighter» vor den politischen Brennpunkten scheut. Der Film lässt sie gerne auftreten. Manche eher als Randnotiz (Notstandsgesetze, Vietnamproteste), andere als durchaus zentrales Handlungselement (die Emanzipation der Frau am Beispiel Betti Schäfer). Gleichzeitig begnügt man sich lieber mit den groben Linien als mit der feinsinnigen, nuancierten Betrachtung gesellschaftlicher Friktionen. Das kann man kritisieren oder als dramaturgische Notwendigkeit entschuldigen.

Störend ist da eher das oft vollkommen unnötige Pathos, mit dem die großen Gefühle ausgepackt werden sollen. Der überkandidelte Untertitel – „Sie wollten den Himmel erobern“ – ist nur ein Beispiel von vielen. Denn auch die Figurenzeichnungen geraten manchmal zu grobschlächtig; für Ambivalenz lässt «Starfighter» wenig Platz. Dafür können Picco von Groote und Steve Windolf in den Hauptrollen durchwegs überzeugen, wenngleich ihnen zu oft vom Drehbuch die großen Gesten vorgeschrieben werden, wenn leise Töne wesentlich ausdrucksstärker wären.

Letzteres ist ein generelles Problem teuer produzierter Event-Movies. Und es schadet dem selbstgesetzten Anspruch: Anstatt für die großen Gefühle zu sorgen, wirkt es platt und aufgesetzt.

Doch glücklicherweise ist das bei «Starfighter» kein ständiges Problem: Die überzeugenden Passagen und glaubwürdigen Figurenzeichnungen überwiegen. Das Ziel, nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich zu beeindrucken, hat man mit diesem Film durchaus erreicht. Wenn RTL seine teuren Eigenproduktionen in Zukunft nach diesem Beispiel gestalten will, macht man einiges richtig. Dann können wir auch «Helden» endlich vergessen. Versprochen.

RTL zeigt «Starfighter» am Donnerstag, den 12. November um 20.15 Uhr.
10.11.2015 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/81900
Julian Miller

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Tags

Helden Pearl Harbor Spiegel-Affäre Starfighter

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