John Hurt nimmt es in «The Last Panthers» als alternder Cop gegen eine Räuberbande aus Juwelendieben auf. Hochklassiges Thrillerfernsehen aus Europa oder Krimiware vom Fließband? Kritikerin Antje Wessels verrät es Ihnen.
Cast und Crew
- Serienschöpfer: Jack Thorne
- Regie: Johan Renck
- Drehbuch: Jean-Alain Raban, Jérôme Pierrat, Jack Thorne
- Darsteller: Goran Bogdan, Samantha Morton, Tahar Rahim, John Hurt, Igor Bencina, Yann Ebonge, Kobna Holdbrook-Smith
- Musik: Clark, David Bowie
- Kamera: Laurent Tangy
- Staffeln: 1
- Episoden: 6
- Produktionsland: FR/UK
Stand: November 2015
Ein Juwelenraub in Marseille trägt alle Züge der berüchtigten Gangsterbande "Pink Panthers", die seit Jahren vom Balkan aus auf Diebestour geht: schnell, effektiv, genau geplant. Doch bei dem Überfall wird ein kleines Mädchen erschossen - der Auslöser einer Kettenreaktion quer durch Europa. Der französische Cop Khalil (Tahar Rahim) macht sich in der Hafenstadt auf die Suche nach den Tätern und der Herkunft der Tatwaffe. Unterdessen verfolgt die britische Versicherungsdetektivin Naomi (Samantha Morton) im Auftrag ihres ruchlosen Chefs Tom (John Hurt) die Spur der millionenschweren Edelsteine. Der Fall führt die beiden bald in ihre eigene dunkle Vergangenheit - und in einen Sumpf des Verbrechens in Europa: Hinter der Fassade des vereinten Kontinents regieren Waffenschmuggel, Korruption und skrupellose Banker.
Das Opening zur britisch-französischen Co-Produktion «The Last Panthers» lässt unweigerlich Erinnerungen an das Intro von «True Detective» aufkommen. Zu beklemmenden Tönen David Bowies wird der Zuschauer Zeuge surrealistisch anmutender CGI-Animation aus Menschenköpfen, Kirchensymbolik und Diamanten, dazu klingen Choräle, die dem ganzen kaum einschätzbare Dimensionen verleihen. Was dann folgt, sind jedoch nicht etwa die fiebrigen Sümpfe von Louisiana, sondern die verwinkelten Gassen von Marseille. Hier trifft Armut auf Schwermut, Reichtum auf Überheblichkeit, Gut auf Böse. Schon die erste Szene, ein vorab bis ins Detail geplanter Juwelendieb beweist den hohen Produktionsstandard, den Serienschöpfer Jack Thorne («Shameless») hier an den Tag legt. Nicht nur die technische Ausstattung einschließlich von Kulissenwahl und Besetzungscoups ist – um sich vom Sprachgebrauch her der Serienthematik einmal anzupassen – hochkarätig. Schon die Inszenierung selbst wird zur Kunstform hochstilisiert. Ohne viel Schnickschnack wird das Publikum Zeuge eines Raubes. Es lernt die augenscheinlichen Traditionen der Verbrecherbande „Pink Panthers“ kennen (Pink deshalb, weil sie dem zuständigen Manager bei ihren Raubzügen stets einen Eimer rosa Farbe über den Körper kippen), es folgt ihr bei der Flucht, es erkennt die ausgeklügelten Ideen der drei Bösewichte erkennt darüber hinaus erste Indizien für eine eventuelle Rangordnung. Charakteristische Hintergründe bleiben zunächst außen vor. Das ist in Ordnung, schließlich fokussiert «The Last Panthers» nicht etwa das Innenleben der Antagonisten, sondern verkauft sich als Thrillerplot, der sich bevorzugt mit den Ermittlungsarbeiten der zuständigen Cops beschäftigt.
Das Skript hat eine Besonderheit. Ähnlich wie es schon die Serie «Hannibal» in ihren drei Staffeln hervorragend zur Schau stellte, trumpft auch «The Last Panthers» damit auf, die Geschehnisse aus der Sicht beider Seiten zu erzählen. Mal heften sich die Macher an die Fersen der Räuber, dann wiederum geht es ausschließlich um die Ermittlungsarbeit des Dreiergespanns aus Khalil, Naomi und Tom. Tahar Rahim («Heute bin ich Samba»), Samantha Morton («Cosmopolis») und John Hurt («Dame, König, As, Spion») funktionieren hervorragend in ihren Rollen des motivierten Cops, der nüchternen Analysten sowie des alternden Ruhepols. Doch anstatt aus dieser von Gegensätzen geprägten Dreierkonstellation einen in Krimiserien so üblichen Partner-wider-Willen-Plot zu kreieren, verlässt sich das Skript darauf, die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der Ermittler gegenseitig abzuwägen und hieraus Kapital zu schlagen. Dies sorgt bisweilen für einen äußerst neutralen Tonfall, kehrt jedoch den großen Pluspunkt von «The Last Panthers» hervor: Das im Original dreisprachige Format verlässt sich auf eine sehr realistische Darstellung der Umstände. Selbst der eingangs erwähnte Schusswechsel ist mitnichten wie eine herkömmliche Hollywood-Verfolgungsjagd inszeniert. Sowohl die Polizeiarbeit, als auch die zwischenzeitig eingestreuten Szenen, in welchen der Zuschauer das Voranschreiten der sukzessive von innen heraus stattfindenden Zerstörung der „Pink Panthers“ zeigt lediglich auf, wie nur die kleinste Änderung im vorab genau kalkulierten Ablauf für Missmut in einer Gruppe sorgen kann.
«The Last Panthers» gehört in der neuen TV-Saison vermutlich zu den anspruchsvollsten, leider aber auch zu den unscheinbarsten neuen Formaten, mit denen der Pay-TV-Sender Sky auftrumpfen kann. Die in der ersten Season insgesamt sechs Episoden umfassende Serie wurde in Gänze von Johan Renck inszeniert. Der Regisseur, der auch schon Folgen für «Breaking Bad», «Bates Motel» oder «Bloodline» vom Regiestuhl aus beaufsichtigte, fährt jedwede Form der Extravaganz auf ein Minimum zurück und verfilmt die Bücher von Jean-Alain Raban, Jérôme Pierrat und Jack Thorne schnörkellos und ohne viel Effekthascherei. Das wird Liebhabern von bodenständigen Crime-Formaten der Marke «The Wire» definitiv gefallen, sagt sich jedoch auch in Gänze von jenen Sehgewohnheiten los, die rund um den Globus von sämtlichen «CSI»-Formaten geformt wurden. «The Last Panthers» macht sich viel lieber die Macht des Dialogs zunutze und setzt nur auf vereinzelte Szenen, die in ihrer visuellen Wucht Wiedererkennungswert besitzen. Wenn etwa gezeigt wird, wie einer der Räuber seine Beute nicht am sondern direkt im Körper versteckt, dann sind dies Momente, die neben einer ungeheuren Perfidität gar einen gewissen Aufklärungscharakter besitzen. «The Last Panthers» ist gewiss keine Lehrstunde im Juwelenklau, wohl aber ein Blick in eine Welt, der sich diverse internationale Crime-Autoren bislang nicht bedienen wollten. Nun traut sich Jack Thorne und belohnt sein Publikum mit einem unkonventionellen Seherlebnis, das bisweilen leider etwas zu unspektakulär geraten ist, jedoch gerade dadurch viele Fans gewinnen könnte.
Fazit: Das «The Wire» des Juwelenraubs: «The Last Panthers» ist auf Dialoge und Ermittlungsarbeit reduziertes Thrillerfernsehen von höchstem Produktionsstandard, das dem Durchschnittskrimigucker zu dröge sein könnte, jedoch gerade unter Freunden von hochklassigen Serien aus Europa seine Fans finden wird.
Sky Atlantic HD zeigt «The Last Panthers» ab Donnerstag, dem 12. November um 21:00.