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Ist es denn nie vorbei?

Die Kritiker: In der zweiten «Stralsund»-Episode nach Wotan Wilke Möhring ist die Stimmung noch immer eingetrübt. Das macht sich auch qualitativ bemerkbar.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Katharina Wackernagel («Das Adlon») als Nina Petersen, Alexander Held («Die Päpstin») als Karl Hidde, Michael Rotschopf («Kriminaldauerdienst») als Gregor Meyer, Wanja Mues («GSG 9») als Max Morolf, Bernadette Heerwagen («Gruber geht») als Lisa Becker, Andreas Schröders als Techniker Stein, Harald Schrott («Allein gegen die Angst») als Michael Broder, Jasmin Gerat («Kokowääh») als Martina Görges, Peter Prager («Doctor’s Diary») als Vater Görges, Claudia Rieschel als Petra Becker und andere


Hinter den Kulissen:
Regie: Christine Hartmann, Buch: Martin Eigler und Sven Poser, Musik: Oliver Kranz, Kamera: Andreas Doub, Schnitt: Cosima Schnell, Produktion: Network Movie

Es ist das Schicksal einer Reihe, bei denen der bekannteste Darsteller ausgestiegen ist: Immer und immer wieder wird auf ihn oder sie Bezug genommen. Den anderen Darstellern macht das die Arbeit nicht gerade einfacher. Der Abgang von Wotan Wilke Möhring ist für die «Stralsund»-Krimis insofern besonders schwierig, weil dessen Figur Benjamin Lietz auch nach dem Serienabschied immer wieder eine Rolle spielt. Denn der Kommissar sitzt im Gefängnis und ist somit keinesfalls so weit weg, dass man ihn nicht mindestens ab und an nochmal erwähnen müsste. Vergessen jedenfalls sind Möhring und Lietz in «Es ist nie vorbei», der zweiten Episode nach dem Ausstieg, nicht.

Dem Zuschauer wird es daher überdeutlich gemacht, dass Nina Petersen noch immer unter der Situation leidet und eigentlich nach wie vor nichts im Revier zu suchen hätte. „Bleib zuhause“, möchte man da in den Fernseher schreien. Aber natürlich macht die leidenschaftliche Gerechtigkeitskämpferin genau das nicht. Und wie soll es anders sein: Natürlich hat der neue Fall Bezug auf einen vergangenen, in den Petersen ebenfalls verwickelt war und bei der eine Kollegin getötet wurde. Ganz klar: Petersen bleibt hier nichts erspart, dem Zuschauer leider ebenso wenig.

Verfolgungsjagd, keine Tätersuche


Es geht um den Fall von Lisa Becker, der bereits Jahre zurück liegt. Vier Jahre hätte sie noch gehabt, dann wäre ihre Haftstrafe abgesessen gewesen. Doch ein Video zeigt sie beim Mord an einem Tankstellenbesitzer – am Tag ihres Ausbruchs. Nina Petersen, die Becker auf den Aufnahmen sofort erkennt, ist sich sicher: Dieser Mord war nicht Folge eines Raubzuges, er war genau geplant. Nur die Gründe dafür sind ihr noch nicht klar. Gefängnispsychologin Martina Görges ist bei der Ursachenforschung keine große Hilfe – sie macht nur deutlich, dass die Aktion sehr überraschend kam. Nicht mal ein Treffen mit ihrem ebenfalls Inhaftierten Ex, das Becker jahrelang abgelehnt hatte, machte Görges stutzig. Auch hier ist Petersen mal wieder auf der richtigen Fährte: Irgendwas hat auch die Psychologin mit der Sache zu tun. Der Zuschauer weiß an der Stelle zumindest schon, dass nicht die Tätersuche sondern eine Verfolgungsjagd Kern dieses Falls sein wird. Auch sonst kann er sich vieles aber schon denken.

Im Mittelpunkt steht aber ohnehin vor allem Nina Petersen. Ohne Möhring scheint die nicht mehr viel zu haben und überarbeitet sich deshalb, schläft im Büro und erwartet ähnliches auch von ihren Kollegen. Das wäre weiter nicht schlimm, hätte sich das Autoren-Duo nicht eine betont coole Art für Petersen überlegt. „Denken Sie an ihre Bewährungsstrafe, Bruder“, raunt sie dem Ex von Lisa Becker trocken (aber leider hölzern gespielt) zu, nur um gleich danach hinterherzuziehen: „Immer noch das gleiche Arschloch“. Mit so viel Coolness kann eventuell Sami Slimani umgehen – der durchschnittliche ZDF-Zuschauer goutiert es wohl kaum.

Etwas lächerlich wirkt ferner auch Max Morolf, der sich beim Chef wie ein kleines Kind aufregt, dass die anderen ihn ärgern. Das ist sicherlich ein Stück weit gewollt. Auf der anderen Seite sollte aber auch ernstzunehmende Kritik von dieser Figur anklingen – das aber scheitert ob der Tonalität merklich. „Ich sag es Dir als Freund“, erklärt er dem Chef oberlehrerhaft: „Du wirkst führungsschwach.“ Na immerhin wirkt der Chef dann nicht lächerlich, ganz im Gegensatz zu Morolf selbst. Ein wenig seltsam gezeichnet wirkt diesmal auch Karl Hidde, der sich verzweifelt über die jugendliche Schreibweise von SMS der Kollegen lustig macht. Angenehme Ambivalenz zeigt sich aber zumindest, wenn er sich später über seinen Nebenmann aufregt: „Wenn Morolf sich richtig verhalten hätte, dann wäre ein Kollege heute noch am Leben.“ Namentlich scheint Hidde diesen Kollegen aber nicht gekannt zu haben.

Erwartbares Drama gen Ende


Wenn nun die Verhältnisse von Lisa Becker, der Therapeutin, dessen Vater und Beckers ehemaligen Nachbarn aufgedeckt werden, ist das zumindest spannend, obwohl die Konstellation nicht völlig unvorhersehbar ausfällt. Als Becker beim Besuch ihrer kranken Mutter von den Polizisten überrascht in den Wald läuft (der eher großer Garten als undurchschaubarer Dschungel ist) und entkommt, dann zerstört das solche positiven Momente jedoch gleich wieder. Zudem ist wohl auch schon alles klar, wenn Lisa Becker plötzlich bei einem unbekannten Koch im Restaurant steht, ihm vorwirft auf kleine Mädchen zu stehen und wenige Minuten später die Kugel setzt. Und weil das passiert, kann man sich auch gleich überlegen was die Folge eines Ausrasters vom Vater der Therapeutin ist. Falls sie es bis jetzt noch nicht wissen: Diese Überraschung sei ihnen gegönnt.

Dem erwartbaren Drama gen Ende fiebert der Zuschauer damit nicht entgegen. Das irritierendste in diesen Momenten ist aber ohnehin viel mehr der angeschossene Ex von Lisa Becker. „Ich verblute“ formuliert der, ungefähr mit dem Nachdruck eines Fünftklässlers, der gerade von den Großen sein Pausenbrot weggenommen bekommen hat. Ähnlich grau wie das Schauspiel an vielen Stellen ist auch die Optik: Wie ein Schleier liegen die dunklen Farben über dem Bild. Das passt zwar zur Stimmung, bietet aber keinerlei Abwechslung.

Am Ende jedenfalls steht wieder eine emotional fertige Nina Petersen, deren Konflikte auch langfristig nicht auf Lösung angelegt zu sein scheinen. Weil ihr (wie auch dem Kollegen Morolf) die Ambivalenz in der Figurenbeschreibung fehlt, bekommt der Zuschauer vor allem eine Einheitssuppe zu sehen. Vielleicht also braucht «Stralsund» kreativere Geschichten für die Folgen. Ganz sicher aber bedarf es einer Weiterentwicklung der Kernfiguren. Die nämlichen geben höchstens vor sich zu entwickeln, tun aber in Wahrheit nicht wirklich viel. Ist es denn nie vorbei?

«Stralsund – Es ist nie vorbei» ist am Samstag, 31.Oktober 2015 um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
30.10.2015 10:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/81662
Frederic Servatius

super
schade


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Ausbruch Es ist nie vorbei Gefängnis Katharina Wackernagel Krimi Reihe Stralsund Stralsund – Es ist nie vorbei ZDF öffentlich-rechtlich

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