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Doku-Produzent Juan Frutos: 'Der deutsche Markt ist eine geschlossene Lobby'

Juan Frutos expandierte mit seinem Unternehmen Colours Communication Group von Spanien nach Deutschland. Mit ihm sprachen wir über die verschiedenen Märkte und internationale Auswertungen von Produktionen.

Juan, Sie sind Chef einer spanischen Produktionsfirma für Dokumentationen. Wie kommt man auf die Idee nach Deutschland überzusiedeln?

Über das Unternehmen

Die Colours Communication Group wurde im Jahr 2007 in Spanien gegründet und produziert unter anderem für das spanische öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Firma dreht weltweit Dokumentationen, vor wiegend Naturdokumentationen.
Ich freue mich sagen zu dürfen, dass Deutschland inzwischen mein zweites Zuhause ist. Meine Frau kommt aus Deutschland und meine Tochter ist Deutsch-Spanierin. Ich verstehe mich bestens mit euren Landleuten, "obwohl" ich aus einem kleinen Dorf in Südspanien komme, Monesterio in der Nähe von Sevilla.

Ich wollte schon immer raus in die weite Welt. Wenn du aus einem spanischen Dorf kommst, hast du kaum Job-Chancen. In Deutschland ist das anders, große Unternehmen sind in Dörfern angesiedelt. Bei uns in Spanien ist das sehr selten, fast alles passiert in Madrid oder Barcelona.

Was für Dokumentationen drehen Sie derzeit?
Wir, Colours Communication Group, drehen derzeit an drei internationalen Produktionen für den spanischen Sender La 2 sowie für das ZDF. Für «Villages of Europe III», «Rural Destinations in the World» und «Roman Roads in Europe III» drehen wir in Deutschland, Israel, Island, Portugal, Costa Rica, USA, Österreich, Italien und Marokko.

Wir arbeiten mit dem Sender TVE seit fast zehn Jahren zusammen, uns hat es viel Mühe, Kraft und Zeit gekostet, in der ersten Liga spielen zu dürfen. Es gibt viele talentierte Leute da draußen, die täglich Projekte vorstellen, aber diese nicht umsetzten dürfen. Ich habe damals der TVE-Programmchefin vorgeschlagen, dass wir selbst nach Sponsoren suchen. Sobald die Quoten über Senderschnitt liegen, bekommen wir eine zweite Staffel. Die Programmchefin war einverstanden und wir begannen zu produzieren. «Villages of Europe» erreichte bis zu 7,3 Prozent, obwohl der durchschnittliche Senderschnitt bei zwei Prozent lag. Viele Folgen verbuchten über vier Prozent Marktanteil. Zurzeit drehen wir die dritte Staffel dieser Doku-Reihe, gleichzeitig drehen wir «Roman Roads in Europe».

Wir produzierten auch eine wöchentliche Doku-Sendung für den Regionalsender Canal Extremadura, die mit 15 Prozent Marktanteil das meistgesehene Programm des Senders ist.



Wie schwer ist die Lage, den einen oder anderen Auftrag einer großen Dokumentation zu bekommen?

Über Juan Frutos

Der Produzent und Regisseur leitet das Unternehmen Colours Communication Group seit dem Jahr 2007. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter wohnt er in Deutschland und zeitweise auch in Spanien.
Wir müssen erst einmal eine gute Idee haben - oder Ideen haben, die TV-Sender interessant finden. Ich versuche seit Jahren eine Sendung mit dem deutschen Fernsehen umzusetzen, bei der MIPTV in Cannes habe ich eine Kollegin vom ZDF kennen gelernt. Sie konnte nicht glauben, dass wir unsere 4k-Dokumentationen mit einem so geringen Budget produzieren.

Sie fand unsere Arbeit sehr gut und hat uns nach Mainz eingeladen, um weitere Details zu besprechen. Es war das erste Mal, dass wir unsere Produktionen einem deutschen Fernsehsender zeigen durften.

Wir produzieren historische Dokumentationreihen («The Cemetery», «The Emperor´s Way»), Reisedokumentationen mit historichen Hintergrund («Villages of Europe», «Roman Roads in Europe»), Dokushows mit Elementen von Advenure-Show oder Natursendungen («Trails in the World», «Rural Destinations in the World, Senderos»), reine Dokus («En la Raya», «Nada Corriente») oder Factual («The sons from Sahara», Sefarad).

In den Vereinigten Staaten sind seit Jahren „Arbeits"-Dokus ein Trend. So schaut man Ice Road Truckern, Holzfällern oder Antiquitätensammlern über die Schulter. Wäre das auch etwas für Sie?
Ich finde erstaunlich, dass die Leute für solche Formate offen sind. Ich habe jetzt Kollegen in Spanien, die so eine Sendung produzieren («Schaafschrer») und ich bin gespannt, ob das in Spanien funktioniert. Wir überlegen uns bei Erfolg, auch in diesem Genre einzusteigen.

Was sind denn die beliebtesten Doku-Arten weltweit? Gibt es regionale Unterschiede?
Die Zuschauer lieben Geschichte!
Juan Frutos
In Spanien haben wir eine Studie gemacht mit einem "Markt Research Institut" und das Ergebnis war erstaunlich: die Zuschauer lieben Geschichte. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Spanien gibt es viele Serien mit historischem Hintergrund, selbst die Telenovelas spielen nicht in der aktuellen Zeit. Die Amerikaner lieben beispielsweise Factual-Formate wie «Ice Road Truckers». Deutschland ist aufgrund seiner vielen Sender sehr vielfältig.



Was mit was für Problemen kämpfen Sie auf dem spanischen und deutschen Markt. Was unterscheidet die beiden Märkte?
Der deutsche Markt ist stark umkämpft und daher schwer zu erobern. Wir stellen fest, dass es fast eine geschlossene Lobby ist - vor allem als spanische Produktionsfirma ist das besonders kompliziert. Wir können aus unserem Katalog Ware verkaufen, aber eine eigene Produktion zu bekommen, ist schwierig.

In meiner Heimatregion sind mehr als 70 Produktionsfirmen angemeldet, im gesamten Spanien sind es rund 3.000 Stück. In Spanien ist es also nicht leichter, eine gute Produktion unterzubringen. Aber unsere Formate kann man in Portugal, Chile oder der Schweiz sehen. Was mich besonders freut ist, dass wir die deutschen Rechte an «El Hormiguero» haben, einer international erfolgreichen Comedy-Wissenschaftsshow. Endemol Shine hat beispielsweise die Rechte in England.

Inwieweit ist das Auslandsgeschäft (USA, Südamerika, Asien) für Sie wichtig?
Das Geschäft in den USA und in Lateinamerika ist für uns sehr wichtig, weshalb ich mindestens zwei Mal im Jahr nach Miami reise, wo wir ebenfalls ein Büro haben. Wir arbeiten vor Ort mit den dort ansässigen Firmen Cisneros, Programas de TV Inc. oder SOMOSTV zusammen. Wir haben bereits einige Projekte wie «Legendary Hotels» verkauft, inzwischen sind auch CNN en español und Discovery Latam interessiert.

Viele deutsche Produzenten würden ebenfalls gerne auf dem US-Markt mitmischen.
Lustigerweise habe ich in Miami ein Angebot bekommen, um als Produzent in den USA zu arbeiten. Das ist auch schon in Spanien passiert, aber ich finde das teilweise beleidigend. Ich will meine Firma präsentieren und suche nicht nach einem neuen Unternehmen. Vielleicht hätte ich ja zugestimmt, wenn wir die Bedingungen konkretisiert hätten (lacht). Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, mein Team zu verlassen.



Sie produzieren bereits Filme in 4K. Wie teuer war denn die technische Ausrüstung?
4K-Produktion ist die Zukunft. Für mich war es wichtig, nicht "nur" in HD zu produzieren, sondern auch in dem kommenden Standard. Wir haben uns entschieden, dass wir dieses Jahr mindestens eine Produktion in 4K abwickeln - nämlich «Rural Destinations in the World». Im kommenden Jahr werden wir auch «The Emperor's Way» in 4K produzieren. Wir haben für die Umstellung rund 100.000 Euro ausgeben und haben die Möglichkeit, bis zu 6k zu arbeiten.

Können Sie uns sagen, wie sich die Kosten aufteilen? Bei manchen Formaten arbeiten Redaktionen mit etwas besseren Sony-Cams, die aber nur 4.000 Euro kosten.
Wir drehen bei bestimmten Produktionen mit der Red Epic Dragon (eine Kamera, Anm. d. Red), die mittlerweile für 50.000 Dollar zu kaufen ist. Man muss aber auch eine komplette Investition in die Postproduktion machen. Jede Station MACPRO (Apple Schnittplatz, Anm. d. Red.) kostet gegen 10.000 Euro und dann kommt noch die 4K für die Drohne, anderes Equipment wie Slider für Timelaps oder eine Krankamera.

Wie lang dauert ein die Produktion eines Dokumentarfilms und welche Schwierigkeiten gilt es zu meistern?
Gute Dokumentationen kosten Geld!
Juan Frutos
Das kommt auf die Länge der Staffel an. Für eine kleine internationale Produktion wie «Villages of Europe» mit vier Folgen á 30 Minuten benötigen wir vier Wochen Drehzeit und sitzen noch zwölf Wochen am Schnitt. Aber an Serien wie «Rural Destination in the World» arbeiten wir länger. Wir haben insgesamt 13 Folgen, die 30 Minuten gehen. Die Drehzeit betrug 15 Wochen, die Postproduktion beläuft sich auf 40 Wochen.

Wir müssen immer abwägen, wie wir arbeiten können. Wir wollen die bestmöglichste Qualität mit unserem Team umsetzten. Mit Auslandsverkäufen können wir zusätzliche Einnahmen generieren, denn gute Dokumentationen kosten Geld.

Was macht Sie mit Ihrem Team so besonders?
Ein spanischer Journalist, der uns in der Anfangszeit besuchte und die Dokumentationen analysierte, attestierte uns großes Talent. Wir sind Experten, Dokumentationen mit begrenztem Budget zu drehen. Mein Team ist sehr vielfältig und engagiert, außerdem arbeiten wir sehr effizient.

Herzlichen Dank für das Gespräch!
08.10.2015 15:47 Uhr Kurz-URL: qmde.de/81252
Fabian Riedner

super
schade

97 %
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Tags

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