Mit «stern Crime» startete am Donnerstag ein weiteres Format, das sich mit unterschiedlichen Facetten der Kriminologie auseinandersetzt. Große Highlights blieben aus, inhaltlich überzeugte man.
Krimiserien sind schon seit jeher verlässliche Quoten-Garanten im deutschen Fernsehen, doch dass auch dokumentarische Formate wie «Autopsie» oder «Medical Detectives» mit zum Teil herausragenden Einschaltquoten begeistern, lässt sich durchaus als Phänomen der vergangenen Monate herausstellen. Insbesondere letzteres Format feiert in diesen Zeiten 19 Jahre nach seiner Erstausstrahlung ein bemerkenswertes Comeback und gelangt bei VOX häufig sogar auf zweistellige Marktanteile. Insofern überrascht es nicht, dass auch der große Bruder RTL das Crime-Genre für sich entdeckt und mit
«stern Crime» am späteren Donnerstagabend einen Piloten auf Zuschauerjagd schickte, der im Erfolgsfall gewiss noch reichlich Stoff für die Zukunft bereithält. Das ganz große Innovations-Feuerwerk ließ sich bei der Testfolge nicht ausmachen, man überzeugte stattdessen eher durch routiniertes und zielgerichtetes Vorgehen.
Wodurch sich das Format von den ebenfalls bei der RTL-Gruppe ausgestrahlten etablierten Kriminal-Dokus unterscheidet, ist wohl am ehesten mit dem Wort "Themenvielfalt" zu benennen. Statt des recht statischen Aufbaus, mehrere spektakuläre Kriminalfälle aneinanderzureihen, versucht man sich daran, übergeordnete Themenschwerpunkte zu finden - und überdies nicht starr an der Aufklärung eines bestimmten Falles zu kleben. Dies zeigt sich besonders gut in der Mitte der Folge, wo man dem Zuschauer Einblicke in die Arbeit einer Phantombild-Zeichnerin vermittelt. Statt die Geschichte eines Mordes zu erzählen, wie man es gemeinhin gewöhnt ist, liegt der Fokus eher auf diesem ungewöhnlichen und seltenen Job, was zum einen nicht uninteressant ist und der Sendung zum anderen ihre Vorhersehbarkeit nimmt.
Die beiden anderen größeren Themenkomplexe richten sich dann schon stärker auf konkrete Mordfälle, wobei jeweils auch politische und moralische Fragen mitschwingen. So bleibt es letztlich ein Stück weit auch dem Zuschauer überlassen, ob er es für legitim hält, bei einer Kindesentführung hinter dem Rücken der Behörden als Lösegeld-Übergeber und Vermittler zwischen Täter und Opfer zu fungieren, weil man nicht an die Kompetenz der Polizei glaubt. Oder wie verwerflich die Ausrichtung des deutschen Rechtssystems ist, bei einem Mordfall eher an der Festnahme und Verurteilung des Täters interessiert zu sein als an der detaillierten Aufklärung zugunsten der Angehörigen des Opfers.
All diese Themen kommen in den knapp 60 Minuten Sendezeit zur Sprache und werden mal mit mehr, mal mit weniger Tiefgang aufbereitet. Zur Auflockerung fügt man dazwischen noch eine kleine "Crime Facts"-Rubrik ein, deren Informationen zumeist im Bereich "nett zu wissen" angesiedelt sind. Was dem Erfolg beim Massenpublikum wohl eher ab- denn zuträglich sein dürfte, ist die schlichte und sehr auf die reine Informationsvermittlung beschränkte Aufbereitung. Man mag es gewiss als löblich empfinden, wenn ein Format wie hier auf rekonstruierte Videos, reißerische Tötungsszenen sowie eine aufdringliche visuelle und akustische Untermalung quasi komplett verzichtet, es macht den Konsum jedoch auch ein wenig schwerfälliger und spannungsärmer.
Ob es für «stern Crime» also zu einem Quotenerfolg reichen wird, darf durchaus in Frage gestellt werden. Inhaltlich ist den Machern jedoch kaum etwas vorzuwerfen, man bekommt als Zuschauer tatsächlich ziemlich genau das geliefert, was man sich im Vorfeld wohl von einer solchen Crime-Doku erwartet hatte - hinsichtlich der thematischen Vielfalt wohl sogar noch etwas mehr. Dass man das gleichnamige Printmagazin innerhalb der Beiträge sowohl durch den Sprecher erwähnt als auch von der Kamera direkt einfangen lässt, mag manch einem wohl ein wenig sauer aufstoßen, wirklich störend ist dies jedoch nicht. Und somit gibt es letztlich kaum einen Einwand gegen eine Fortsetzung dieses Projekts, das nicht mit dem noch abzuwartenden Quotenerfolg zusammenhängt. Dass jemand eine Online-Petition starten wird, um RTL im Falle eines Misserfolgs zu weiteren Folgen zu drängen, ist jedoch auch kaum anzunehmen - dafür ist das alles auch einfach nicht spektakulär genug.