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„Willi, zeigst Du mir mal Deine Setzlinge?“

Die Kritiker: Mit «Die Insassen» liefert das ZDF eine mühsame Persiflage auf die Wirtschaftswelt. Spitze Dialoge sucht man dabei vergeblich – trotz guter Voraussetzungen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Wolfgang Stumph («Go Trabi Go») als Wilhelm Löhring, Maximilian Brückner («Und Äktschn!») als Keith Winter, Thomas Kügel («Tatort: Borowski») als Hubert Wienkamp, Jule Ronstedt («Frisch gepresst») als Karin Schlick, Clelia Sarto («Der Landarzt») als Dr. Sabine Johansen, Ludger Pistor («Ein Schnitzel für alle») als Prof. Dr. Fechtner, Walter Kreye («Der Alte») als Heinrich von Lohsewitz, Jan Hendrik Stahlberg als Klaus Steinfeld, Leslie Malton («Der große Bellheim») als Gisela Löhring und viele mehr


Hinter den Kulissen:
Regie: Franziska Meyer Price, Buch: Martin Rauhaus nach dem gleichnamigen Roman von Katharina Münk, Musik: Elke Hosenfeld, Moritz Denis und Tim Stanzel, Kamera: Theo Müller, Schnitt: Piet Schmelz, Produktion: Letterbox Filmproduktion

Wilhelm Löhring ist Choleriker. Er kann es sich erlauben. Als CEO von einem der umsatzstärksten deutschen Konzerne diktiert ihm keiner, was er zu tun hat. Dass seine unfähige Sekretärin seinen Kaffee beim Betreten des Büros noch nicht auf seinen Schreibtisch gestellt hat? Definitiv ein Grund, an die Decke zu gehen. Doch Löhring hat Zeit sich von seiner Sekretärin zu erholen: Er ist unterwegs, als Unternehmensberater eine wichtige psychiatrische Klinik zu retten – eine Klinik in der vor allem ausgebrannte Manager untergebracht sind, um sich dort vom Burnout zu erholen. Kaum angekommen, sieht Löhring auch schnell die Fehler, die vor Ort gemacht werden. Ganz klar: Das Management muss ausgetauscht werden.

Es dauert ein wenig bis Manager Löhring realisiert, dass er eigentlich nicht gekommen ist, um die Klinik zu retten, sondern als Patient eingewiesen wurde. Nicht umsonst nämlich hört der ZDF-Film auf den Titel «Die Insassen». Das aber hindert den Netzwerker nicht daran, alte Kontakte aufleben zu lassen, neue herzustellen und Übernahmepläne für die Klinik zu schmieden. Denn er ist sich sicher: Reiche Manager in teuren Nobel-Anstalten, das ist eines der wenigen Geschäftsmodelle, die noch ordentliches Wachstumspotenzial mit sich bringen. Daran kann man mitverdienen, glaubt er und instrumentalisiert nichtsahnende Patienten und die ebenfalls ahnungslose Klinikleitung dabei für sich.

Absurdes Wirtschaftssprech?


Zu verstehen ist der Film daher als Persiflage auf die Arbeitswelt im höheren Management und die in die Höhe schießende Zahl von Burnout-Erkrankungen. In diesem Rahmen übt sich die Produktion aber vor allem darin, von seinen Protagonisten ein paar unnötige englische Begriffe einwerfen zu lassen, deren Nutzung aber wohl höchstens bei anglophilen Zuschauern größere Freude hervorrufen dürfte. Und wenn dann Arbeitssucht und mangelnde “Work-Life-Balance“ mal wirklich aufs Korn genommen werden, dann ziemlich flach: „Die Safekombination ist immer der Hochzeitstag. Anders könnte sich der Mann den Hochzeitstag ja nicht merken“ heißt es dann, gleich einer Pointe, die selbst Mario Barth kaum hätte besser vortragen können.
Die Grundsituation bietet zwar reichlich Potenzial für jedwede Absurditäten. Die Umsetzung aber spielt an der Stelle leider nicht wirklich mit.

Spät allerdings gewinnt die gewollte Absurdität dann zumindest kurz Überhand und lässt den Zuschauer wirklich einmal lachen: Als einer der (gesunden) Übernahmepartner Löhrings Wind von dessen Krankheit bekommt, sorgt der gewiefte Topmanager mit einem geschickten Manöver flott dafür, dass sein Gegenüber eingewiesen werden muss und lässt damit den eigentlichen Klinikchef zugleich an der von diesem ungewollten Übernahme teilhaben. Klingt kompliziert, ist aber gut umgesetzt. Das Lachen allerdings verursachen auch hier nicht die Dialoge. Die bleiben ähnlich unterhaltsam wie die Wetterkarte der «Tagesschau».

Besserung darf der Zuschauer auch gen Ende nicht erwarten: Eine Lösung der natürlich ebenfalls bestehenden Ehekrise gibt es für den Protagonisten natürlich frei Haus, sodass er sich noch vor dem Abspann ein freundliches Lob seiner Angetrauten für die toll gewachsenen Setzlinge im gemeinsamen Garten einfängt. „Willi, zeigst Du mir mal Deine Setzlinge?“, kreischt sie dann.
Welch Vergnügen.

Auch filmisch eher Magerkost


Es braucht daher wohl kaum gesagt zu werden, dass «Die Insassen» filmisch eher Magerkost sind. Sowohl schauspielerisch als auch filmisch wird aus der eigentlich gar nicht allzu schlechten Grundsituation wenig herausgeholt. Dem Zuschauer tut das nicht weh: Der gezeigte Fernsehfilm ist ohnehin ähnlich flüchtig, wie so manche Managementposition.

Zu konstatieren bleibt somit vor allem, dass die letzte Zuspitzung fehlt: Das Gesamtkonstrukt der Produktion ist zwar durch und durch absurd. In der Umsetzung allerdings fehlt die analytische Schärfe, um sich als beißende Kritik zu verstehen. Zugleich aber mangelt es ebenfalls an spaßigen Dialogen oder witzig-absurden Einzelsituationen, weshalb die Produktion auch als Persiflage nicht wirklich gelingt. Nicht völlig mies, aber auch kein Highlight: Letztlich ist es in der Produktion wie oft auch im Management: Verkrustet in alten Strukturen zu hängen tut keinem gut. Zum Überleben aber reicht es meist.

«Die Insassen» sind am Donnerstag, 17. September um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
16.09.2015 17:08 Uhr Kurz-URL: qmde.de/80789
Frederic Servatius

super
schade


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Tags

Die Insassen Klinik Management Persiflage Psychiatrie Tagesschau Wirtschaft ZDF Öffentlich-Rechtlich

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