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Die Kino-Kritiker: «Magic Mike XXL»

Aufgrund seiner undifferenzierten Erzählweise erwies sich «Magic Mike» vor drei Jahren als qualitativer Totalausfall. Nun kommt mit «Magic Mike XXL» eine Fortsetzung, die uns zeigt, wie der erste Teil hätte sein können, wenn man die Passion des Sequels schon damals an den Tag gelegt hätte.

Filmfacts: «Magic Mike XXL»

  • Kinostart: 23. Juli 2015
  • Genre: Komödie/Drama
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 115 Min.
  • Kamera: Steven Soderbergh
  • Buch: Reid Carolin
  • Regie: Gregory Jacobs
  • Darsteller: Channing Tatum, Joe Manganiello, Matt Bomer, Elizabeth Banks, Jada Pinkett Smith, Daniel Glover, Kevin Nash, Gabriel Iglesias, Vicky Vox
  • OT: Magic Mike XXL (USA 2015)
Machen wir uns nichts vor: Als Steven Soderbergh 2012 die lose an das Leben von Schauspieler und Ex-Model Channing Tatum («Foxcatcher») angelehnte Tragikomödie «Magic Mike» inszenierte, interessierte sich doch niemand so wirklich für den emotionalen Werdegang der titelgebenden Hauptfigur Mike Lane. Obwohl die PR-Maschinerie sich vorab alle Mühe gab, die schlussendlich als Charakterdrama daherkommende Stripper-Farce möglichst feuchtfröhlich zu verkaufen, krankte «Magic Mike» an seinem unausgegorenen Erscheinungsbild. Ein Film, der die Thematik behandelt, dass es gefährlich an einem nagen kann, mit der Zurschaustellung des eigenen Körpers Geld zu verdienen, kann die so wichtigen Nachtclub-Szenen nicht mit einer solchen Inbrunst darbieten, dass die vorab als Fokus auserkorene Botschaft letztlich der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Entweder man steht hinter dem Stripperberuf und labt sich schließlich auch an den (hauptsächlich optischen) Vorzügen jener Männer, die diesen ausüben, oder man schaltet in Gänze auf Drama. Soderbergh wollte beides – und scheiterte kläglich. Die aufgrund des immensen Erfolgs zwar naheliegende, sich inhaltlich aber nicht unbedingt anbietende Fortsetzung namens «Magic Mike XXL» profitiert nun nur noch im Ansatz vom inszenatorischen Fachwissen des Meisterregisseurs; er fungiert hier als Executive Producer und Kameramann. Zu schade, dass das Nackttanzsequel nicht noch seiner Regie-Vita zuzuschreiben ist. Spätestens mit dem furiosen Showdown sowie einer bombastischen Schlusssequenz hätte sich Soderbergh mit einem Knall aus seinem aktiven Filmemacherleben verabschiedet. Stattdessen ist es sein einstiger Stamm-Assistent Gregory Jacobs, der mit «Magic Mike XXL» den Film abliefert, der sein Vorgänger schon hätte sein können, wäre er nicht an seinen eigenen Ansprüchen an etwaigem Tiefgang zugrunde gegangen.

Drei Jahre sind vergangen, seit Mike (Channing Tatum) sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Stripper verabschiedet hat. Nun sind auch die übrigen Kings of Tampa bereit, das Handtuch zu werfen. Aber sie machen das auf ihre Art – es soll ein unheimlich starker Abgang mit einer letzten überwältigenden Performance in Myrtle Beach werden, wobei ihr legendärer Star Magic Mike mit ihnen auftreten soll. Auf der Reise zur letzten Show machen sie Halt in Jacksonville und Savannah, um alte Bekanntschaften aufzuwärmen und neue Freunde zu finden. Dabei studieren Mike und die Jungs neue Choreografien ein, und sie überwinden ihre Vergangenheit auf überraschende Weise.

Es lässt sich nicht leugnen, dass «Magic Mike XXL» eine übersichtlichere Handlung vorzuweisen hat, als es noch der überraschend rentable, erste Teil zu tun vermochte. Doch die Kunst besteht schließlich darin, aus den gegebenen Zutaten ein einheitliches Ganzes zu bilden. Während genau das in «Magic Mike» das Problem war und hier schlussendlich allenfalls Einzelszenen für sich zu überzeugen wussten, im Großen und Ganzen aber eine durch zig Sepiafilter gejagte Möchtegernatmosphäre die anstrengende Pseudophilosophie übertünchte, lässt Jacobs die Titelergänzung „XXL“ Wirklichkeit werden. Dabei kommt man um eine Erkenntnis nicht herum: Nach einem starken Auftakt, in dem ein selbstironischer Channing Tatum den augenzwinkernden Tonfall vorgibt, indem er durch den 90s-Stripperklassiker „Pony“ fast schon dazu genötigt wird, die Hüften zu schwingen, folgt eine gute halbe Stunde, in der sich mal mehr, mal weniger gelungene Momente wie Stückwert aneinander reihen. Da wird ein zwanzigminütiger und obendrein sehr anstrengend gefilmter Strandaufenthalt schon mal zur waschechten Geduldsprobe; dass jene Szenen immer noch echtes Feeling ausstrahlen (und nicht wie in «Magic Mike» nur vorgeben, so etwas wie Authentizität zu besitzen), gehört zwar zu den entscheidenden Vorzügen von «Magic Mike XXL», doch schlussendlich dauert es doch ein wenig zu lange, eh die Handlung in Schwung und zwangsläufig die Hormone in Wallung geraten.

Die für das angenehm unabhängige Flair zuständigen Stimmungssequenzen werden in der ersten Hälfte mehrmals von fast schon sketchartigen Performances durchbrochen. Ob ein Auftritt in einer Transvestitenbar oder der Versuch von Joe Manganiello («True Blood»), mithilfe einer Soloperformance zu „I Want it That Way“ von den Backstreet Boys eine Tankstellenbedienung zum Lächeln zu bringen: Die Macher von «Magic Mike XXL» fahren von Anfang an einen metafiktionalen Kurs, der von Selbstironie und dem Mut zum Irrsinn geprägt ist. Da liegt die Vermutung nah, für leise Zwischentöne wäre bei dieser brachialen Machart kaum mehr Platz, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Zwar macht «Magic Mike XXL» seinem Namen alle Ehre und die Macher laben sich mitunter ewig an der durchaus von Idiotie geprägten Prämisse, doch das Skript von Reid Caroline («Magic Mike») gelingt diesmal der emotionale Spagat.

Wenn Tatums Mike davon berichtet, weshalb er und seine damalige Freundin nicht geheiratet haben oder die von Jada Pinkett Smith («Gotham») mit einer hervorragenden Selbstsicherheit verkörperte Clubbesitzerin Rome erklärt, wie viel Verantwortung mit dem Beruf des Strippers tatsächlich verbunden ist, sind derartige Momente nicht gewollt prätentiös, sondern gliedern sich stimmig in das Gesamtbild.

Trotz eines anderen Umgangs mit dem Berufsbild des Strippers widersprechen sich beide Filmteile nicht. Die Figuren in «Magic Mike XXL» haben auf eine ebenso unterschiedliche Weise mit ihrem Dasein als Frauenbespaßer abgeschlossen, wie es Mike Lane noch im ersten Teil tat. Dass es sich eine lange Zeit als feste Einheit auftretende Männercombo jedoch nicht nehmen lässt, für den finalen Showdown noch einmal die buchstäbliche Sau rauszulassen, ist die treibende Kraft hinter der «Magic Mike XXL»-Story, die sich als eine Mischung aus Komödie und nachdenklichem Roadmovie verkauft. Nach den eingangs erwähnten Startschwierigkeiten erlebt das Publikum die Planungen für jene Finalshow hautnah mit. Die Dynamik innerhalb des Stammcasts ist dabei ebenso mitreißend wie die Einführung neuer Charaktere. «Community»-Star Donald Glover ist neben Jada Pinkett Smith das wohl wertvollste, neue Ensemblemitglied, denn sowohl Elizabeth Banks («Pitch Perfect») als auch Johnny-Depp-Gattin Amber Heard («3 Days to Kill») agieren zwar solide, bleiben aber – auch figurenbedingt – hinter ihren Möglichkeiten zurück. In einer kleinen Nebenrolle ist darüber hinaus die scheinbar nie alternde Andie McDowell («Cedar Cove») zu sehen.

Nachdem das Publikum die fast schon kapitelartig vorgetragenen Etappen des Roadtrips bestaunen konnte, mündet «Magic Mike XXL» in ein fast halbstündiges Bombastfinale. Mit dem Wissen um die Absurdität, die die Choreographen mit geerdetem Realismus verbinden, zeigen nicht nur die Hauptdarsteller ein letztes Mal, weshalb sie für diese Rollen gecastet wurden. Auch für die Filmreihe selbst ist die im Rahmen einer Stripper Convention stattfindende Fleischbeschau so etwas wie eine Offenbarung. Es ging in «Magic Mike» letztlich nie darum, den Beruf des Strippers in Gänze zu verteufeln. Stattdessen versuchte man, aufzuzeigen, dass jede belächelte Passion von zwei Seiten betrachtet werden muss. «Magic Mike XXL» hat zwar auf den ersten Blick die simplere Geschichte, setzt sich im Detail aber viel genauer mit den Charakteren und deren Beweggründen auseinander, wer wie und warum über das Stripperdasein denkt. So und nicht anders hat es eine Branche verdient, in der es sicher viele Menschen gibt, die an ihrer Berufsentscheidung zugrunde gehen, gleichzeitig aber auch Leute zuhause sind, die sich am Ende des Tages nichts Besseres vorstellen können, als fürs nackt Tanzen Geld zu bekommen.

Fazit: «Magic Mike XXL» ist der Film, der Teil eins schon hätte sein können, wenn man sich nicht darauf eingeschossen hätte, das unentschlossene Charakterdrama in den Vordergrund zu rücken. Die Fortsetzung des Überraschungserfolgs findet trotz einer übersichtlicheren Geschichte wesentlich differenziertere Worte zu dem Thema, wie es ist, mit dem eigenen Körper Geld zu verdienen. Mit einem ekstatischen Finale und den wohl besten tanzenden Schauspielern Hollywoods beweist «Magic Mike XXL» einmal mehr: 2015 ist das Jahr der Sequels!

«Magic Mike XXL» ist ab dem 23. Juli bundesweit in den Kinos zu sehen.
23.07.2015 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/79601
Antje Wessels

super
schade

62 %
38 %

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Tags

3 Days to Kill About Last Night Cedar Cove Cedar Cowe Community Foxcatcher Gotham Magic Mike Magic Mike XXL Pitch Perfect True Blood

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