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Cordula und Kommunalpolitik

Cordula Stratmann spielt in der neuen Serie «Ellerbeck» eine kleinstädtische Aktivistin, die den dortigen Bürgermeister absetzen will. «House of Cards» im Rathaus? Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Cordula Stratmann als Sabine Ebert
Kai Lentrodt als Klaus Sackstecher
Markus John als Alexander Ten Hensen
Inka Friedrich als Yvonne
Oliver Nägele als Günther
Julia Schmitt als Ute

Hinter der Kamera:
Produktion: B28 Produktion und Prime Productions
Autoren: Markus Barth, Morten Kühne, Oliver Welke Lars Albaum und Dietmar Jacobs
Regie: Erik Haffner und Marcus Weiler
Kamera: Alex J. Moll und Tom Holzhauser
Produzent: Georg Hirschberg
Erst vor wenigen Monaten hat eine zurückhaltend promotete vierteilige Serie mit verhältnismäßig kleinem Budget ein bisschen für Furore sorgen können: «Eichwald MdB» wagte einen beißend satirischen und gleichzeitig urkomischen Blick in das Leben eines Hinterbänklers im Deutschen Bundestag, eine Welt aus komplexen Intrigengewirren und knallharten Machtkämpfen, die mit vorzüglich scharfsinnigem Blick und einem hervorragenden Gespür für Witz und Pointen erzählt wurde.

«Ellerbeck», das wie «Eichwald» sein Debut bei ZDFneo gibt und rund eine Woche später ins Spätabendprogramm des Hauptsenders umziehen wird, setzt einige Ränge tiefer an. Hauptfigur Sabine Ebert will nicht in den Bundestag, sondern „nur“ Bürgermeisterin ihrer titelgebenden norddeutschen Kleinstadt werden. Erstmalige urkundliche Erwähnung des Kuhkaffs: irgendwann Fünfzehnhundert-Blumenkohl, anlässlich der Eröffnung eines Pesthauses. Wenn das mal keine glorreichen Ursprünge sind.

Die aktuellen politischen Pläne wirken im historischen Vergleich deutlich zahmer: Der amtierende Bürgermeister will ein Konsortium einen riesigen Schweinemastbetrieb im Ort hochziehen lassen – und zieht damit den Unmut von Sabine Ebert und ihren Freunden auf sich. Die haben eine Bürgerinitiative gegründet und protestieren bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Pläne aus dem Rathaus und haben es auf den Wahlzettel bei der anstehenden Kommunalwahl geschafft. Doch weil die Spitzenkandidatin der Anti-Schweinemast-Liste unerwartet ausfällt, muss Sabine ran. Raus aus ihrem behüteten Umfeld „Reihenhaus/netter Ehemann/netter Job als Kindergärtnerin“ und rein in den intriganten Rathausbetrieb.

Cordula Stratmann sieht man derzeit ja auch im Ersten, wie sie in der Pampa von NRW nett zu Kühen ist und ihrer spirituellen Ader nachgeht. Und obwohl sich ihre ARD-Serie auf dem Papier konservativer und altmodischer liest, gefällt sie als «Kuhflüsterin» deutlich besser als als engagierte Bürgerin, die unverhofft das Rathaus von «Ellerbeck» erobern will.

Das hat hauptsächlich dramaturgische Ursachen. Denn «Ellerbeck» lebt zu einem beträchtlichen Teil davon, die kleinstädtische norddeutsche Idylle von Reihenhaus und Naturgebundenheit abzufilmen, die man nur in Ansätzen – dann aber gelungen – konterkariert. Etwa in Form von Kindern, die Quintus heißen. Gruftigen Auszubildenden zur Verwaltungsfachangestellten, die in einer Band namens Kadaverkotze spielen. Und der, überregional betrachtet, überschaubar erfolgreichen Lokalprominenz, die in der Ellerbecker Pampa Sätze wie „Hier kocht das Leben“ ernst meint.

Doch die Winderstände, mit denen es Heldin Sabine zu tun bekommt, als sie Bürgermeisterin werden will, sind (zumindest in der ersten Folge) nicht sonderlich schwer zu überwinden. Im Gegenteil: Der Amtsinhaber, den sie aus dem Rathaus jagen will, ist so ein bräsiger und unfähiger Typ, dass man ihm nicht einmal eine Karriere in der CSU zutrauen würde, wenn er seinen Kritikerinnen einen „Östrogeninfarkt“ unterstellt. Die Plots sind entsprechend simpel: Cordula Stratmann gibt als Sabine Ebert witzig vorgetragene Stichworte – und der Rivale erledigt sich schön selbst. Das führt gleichsam zu einer sehr simplen Dialektik, in der den großkotzig dahergesagten und gleichzeitig nicht sonderlich komplexen Ausführungen des herablassenden Bürgermeisters (Schweinemast bringt Arbeitsplätze bringt Wohlstand) von Aktivistin Sabine eine dezidiert noch einfachere, aber ehrlich gemeinte Gegenposition („Ich will nicht in einer Welt leben, in der es nur ums Geld geht“) entgegen gehalten wird. Die dann natürlich schnell Applaus abräumt.

Kann man machen. Hat man aber schon wesentlich intelligenter gemacht. Zum Beispiel beim eingangs erwähnten «Eichwald MdB», das nicht nur durch ein deutlich höheres Erzähltempo auffiel, sondern auch inhaltlich wesentlich schmissiger, cleverer, witziger, ideenreicher war, mit einer sehr feinen Beobachtung und Kommentierung des realen Politbetriebs.

Eine solche Ambition lässt «Ellerbeck» gänzlich missen – und degradiert Cordula Stratmann stellenweise zur Angry White Woman, die mit Kalendersprüchen gegen abgebrühte Amtsinhaber losschlagen muss. Da lieber ab in die Kuh- und Schweineställe des ARD-Vorabends.

ZDFneo zeigt die erste Folge von «Ellerbeck» am Donnerstag, den 16. Juli um 22.15 Uhr. Das ZDF wiederholt sie am Freitag, den 24. Juli um 22.30 Uhr.
15.07.2015 12:06 Uhr Kurz-URL: qmde.de/79484
Julian Miller

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Eichwald Eichwald MdB Ellerbeck Kuhflüsterin

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