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Möwen, Mörder und der Arbeiterstaat – Die dritte Horrorwoche bei ZDFneo

Der Sommer wird gruselig! ZDFneo strahlt vom 27. Juni bis zum 1. August immer samstags zwischen 20.15 Uhr und 5 Uhr Horror-Spielfilme. Die Quotenmeter.de-Kinoexperten Sidney Schering und Antje Wessels begleiten Euch durch diese schaurige Zeit.


1.30 Uhr: «Der zerrissene Vorhang»


Hinter den Kulissen

  • Regie und Produktion: Alfred Hitchcock
  • Drehbuch: Brian Moore
  • Musik: John Addison
  • Kamera: John F. Warren
  • Schnitt: Bud Hoffman
Wir bleiben im Genre des Spionagethrillers, wobei «Der zerrissene Vorhang» immerhin mit einem denkwürdigen, langen Mord vorübergehend durchaus in den ZDFneo-Horror passt: Paul Newman gibt in dieser Produktion von 1966 den amerikanischen Physiker Michael Armstrong, der sich als Überläufer ausgibt und sich gemeinsam mit seiner Verlobten Sarah («Mary Poppins»-Darstellerin Julie Andrews) in die DDR absetzt. In Wahrheit hat er jedoch nur vor, an die Raktenabwehrpläne eines Leipziger Professors zu gelangen. Nicht lange, und die Stasi nimmt das US-amerikanische Paar ins Visier …

Auch «Der zerrissene Vorhang» wird nicht als einer der stärksten Hitchcock-Filme gefeiert, jedoch wird er deutlich mehr geachtet als etwa «Topas». Generell finden die Dialoge in Brian Moores Drehbuch nur wenig Anklang, während sich beim Gedanken an die Dramaturgie die Geister scheiden. Jedoch ist Hitchcocks Größe in diversen packend gefilmten und visuell ausgeklügelten Einzelsequenzen zu spüren, wie etwa die Fabrikführung, in der die Amerikaner das System des Arbeiterstaats erklärt bekommen – und dies vor einem sehr zynischen Hintergrund. Generell macht sich in «Der zerrissene Vorhang» mal wieder Hitchcocks hoher Anspruch an Studiobauten bemerkbar und der deutsche Teil des Ensembles spielt hier sehr sehenswert auf. Wer diese 'Hitch'-Regiearbeit also noch nicht kennt: Erwartungen normalisiert, eingeschaltet, Filmgenuss genossen!

3.35 Uhr: «Cocktail für eine Leiche»


Zu später Stunde wird es wieder psychopathisch bei ZDFneo, und somit fügt sich die Hitchcock-Filmstrecke wieder stärker in das eigentliche Thema des Abends: Die zwei aufstrebenden, viel versprechenden Studenten Brandon und Phillip (John Dall & Farley Granger) haben es sich in den Kopf gesetzt, das perfekte Verbrechen zu begehen und töten einen Kommilitonen. Daraufhin laden sie in aller Überheblichkeit ihren Professor (James Stewart) und die Eltern ihres Opfers zu einer Cocktailparty ein. Diesen überhebliche Drang zum Perfektionismus spiegelt Hitchock auch bewusst in der filmischen Gestaltung dieser Kinoadaption eines Theaterstücks von 1929: Der Meisterregisseur drehte «Rope» (so der Originaltitel) auf eine Weise, so dass er in der fertig geschnittenen Fassung aussieht, als wäre er komplett in nur einer einzelnen Einstellung gefilmt worden. Technisch war dies 1948 natürlich völlig unmöglich – keine brauchbare Kamera hätte genügend Filmmaterial fassen können, um 80 Minuten am Stück einzufangen. Die daher unvermeidlichen Schnitte, die hier nach Abschluss einer Plansequenz erfolgen, kaschieren Hitchcock, die Kameramänner Joseph A. Valentine und William V. Skall sowie Cutter William H. Ziegler mittels eines kleinen Kniffs:

Jede der mühselig geplanten Einstellungen endet damit, dass die Kamera ein still stehendes Objekt fixiert – dieses wird aus exakt demselben Winkel auch zu Beginn der nächsten Einstellung gezeigt, so dass die beiden Kamerafahrten vermeintlich zu einer verschmelzen. Hitchcock selbst zeigte sich rückblickend wenig begeistert von seinem ersten Farbfilm, bezeichnete es als gescheitertes Experiment. Aber genauso, wie viele Regisseure stolz auf Werke fragwürdiger Qualität sind, war Hitchcock in diesem Fall zu selbstkritisch: Dieses mit bahnbrechender Technik bestechende Kammerspiel, das unter der Verwendung von sensationellen Setbauten entstand (alles, was hinter den Fenstern zu sehen ist, ist Modellarbeit!), ist faszinierend, ungewöhnlich und hat dank seiner Machart auch eine ganz eigene Atmosphäre. Einschaltbefehl!
11.07.2015 07:33 Uhr Kurz-URL: qmde.de/79403
Antje Wessels und Sidney Schering

super
schade


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