Der WWE-Kommentator sprach mit uns über die Faszination Wrestling, seine ersten Erfahrungen mit der WWE , über deutsche Fans und die Schattenseiten des Business.
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Zur Person: Sebastian Hackl
Sebastian Hackl wurde am 4. Oktober 1980 im bayrischen Passau geboren und kommentiert aktuell für ProSieben Maxx bei «Smackdown» und für Maxdome im Rahmen von Großveranstaltungen die Wrestling-Übertragungen. Hackl ist selbst ehemaliger Wrestler und stand zwischen 2009 und 2012 bei New European Championship Wrestling (NEW) unter Vertrag. Zudem wrestlete er für GWP und wXw, meist unter dem Ringnamen Sebastian Sage, ehe er am 15. April 2013 seine aktive Karriere beendete. Schon seit 2010 kommentiert Hackl Wrestling-Sendungen. Früher bereits für Eurosport und Sky. Aktuell steht er bei der WWE unter Vertrag, außerdem betreibt er den Podcast
The HackMan Experience.
Wie andere Sportkommentatoren auch, verbringen Sie nicht Ihre ganze Arbeitszeit nur mit dem Kommentieren. Sicher gehören auch Dinge wie Recherche zu Ihrem Arbeitsalltag dazu. Können Sie uns einen Überblick über Ihre Tätigkeiten in Bezug auf das Dasein als Wrestling-Kommentator geben?
Ich habe schon für unzählige Sender Wrestling kommentiert. Ich kommentiere zwei Tage in der Woche die Shows, dazu kommen DVD-Produktionen. Wir haben natürlich auch eine große Redaktion hier in München, im WWE-Office. Da tauschen wir uns wöchentlich mehrmals aus über die aktuellen Vorkommnisse. Wir wollen natürlich auch über Facebook, Twitter und unsere Webseite die Fans mit frischen Informationen versorgen und überlegen uns dabei, wie wir den Fan am besten informieren und unsere Community am besten ansprechen können. Wenn man im Internet unterwegs ist, dann merkt man, dass Wrestling-Fans die loyalste und treueste Community sind, die es gibt. Sie haben es wirklich verdient, dass man sich täglich Gedanken darüber macht, um sich vor jeder Sendung, vor jeder DVD und vor jedem Pay-Per-View als Kommentator auf dem bestmöglichen Niveau zu befinden, um ihnen so die bestmögliche Zeit zu geben.
Diese Begeisterung der Fans haben Sie sicherlich schon auf vielen Veranstaltungen miterlebt. Sie waren sowohl bei Wrestling-Veranstaltungen in den USA als auch bei solchen in Deutschland vor Ort. Worin unterscheiden sich die Fans hierzulande von denen in Amerika?
Ich war schon bei Wrestling-Shows in aller Welt, in den USA hat die WWE eine ungeheuer treue Fangemeinde und sie sind jeden Tag mit einer Live-Show oder einer TV-Show vertreten. Auch in Deutschland sind die Fans ungeheuer treu. Das sieht man besonders, wenn die WWE zwei Mal im Jahr nach Deutschland kommt. Die Fans hier sind ausgehungert und gierig darauf, man sieht schon vor den Hallen die bunten Plakate, die erfreuten Gesichter. Die Superstars sagen jedes Mal zu uns Kommentatoren: „Wow, was ist denn hier los? Wie die Leute hier ausflippen, ist ja wie im Fußballstadion“. Das ist ein Punkt der das europäische Publikum vom US-Publikum unterscheidet. Wir sind ein Kontinent auf dem man viel Fußball spielt. Dort herrscht diese Stadionatmosphäre, dort gibt es Sprechgesänge. Das ist nicht negativ gegenüber dem US-Publikum gemeint: Aber im Unterschied zu Amerika wird in Liverpool, London oder Deutschland während einem Match die Laola losgetreten. Ich hab es zum Beispiel in der O2-World gesehen, wo bei 13000 Zuschauern plötzlich die Laola durch die Halle ging und die Superstars kurz innehielten. Das sind die gar nicht gewohnt in Amerika, weil die europäischen Fans so fanatisch und begeisterungsfähig sind. Das freut auch die Superstars, das sagen sie uns jedes Mal. Für sie hat das eine ganz eigene Dynamik und eine ganz besondere Atmosphäre, wenn sie in Europa ihre Matches abliefern.
Wrestling-Fans unterteilen die Geschichte von World Wrestling Entertainment gern in verschiedene Äras. Zum Beispiel in die sehr harte Attitude Era Ende der 90er, als sich die WWE gegen den großen Widersacher, die WCW, im Quotenkampf behaupten musste oder in den 00er Jahren die PG-Era, in der es kinderfreundlicher zuging. Wie würden Sie die aktuellen Entwicklungen in der WWE beschreiben und worin heben sie sich von den anderen Äras ab oder ähneln Ihnen?
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Wir bieten Sport auf höchstem Niveau, aber mindestens 50 Prozent des Ganzen ist Entertainment-Faktor. Unsere Superstars treten in Filmen auf, spielen in TV-Serien mit. Die Storys nehmen einen großen Teil in der WWE ein, wir sind eine Action-Seifenoper.
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Sebastian Hackl über Wrestling als Sports Entertainment
Ich denke, dass der Begriff Sports Entertainment unsere Ära, in der wir uns befinden, sehr gut beschreibt. Wir bieten Sport auf höchstem Niveau, aber mindestens 50 Prozent des Ganzen ist Entertainment-Faktor. Unsere Superstars treten in Filmen auf, spielen in TV-Serien mit. Die Storys nehmen einen großen Teil in der WWE ein, wir sind eine Action-Seifenoper. Das heißt: Vom Kind über Mama, Papa, Opa und Oma kann jeder die Sendung schauen. Es ist nicht so, dass wir ein Nischenpublikum ansprechen, das auf harte Action steht. Wir sind ein Unterhaltungsprodukt. Mit dem kann sich jeder, von klein bis groß, identifizieren. Wir bieten guten Sport, eine tolle Geschichte. Bei uns gibt es keine Sommer- oder Winterpause, wir senden das ganze Jahr und versuchen jeden zu unterhalten. Bei uns wird niemand ausgeschlossen und das ist glaube ich der große Unterschied zu anderen Äras. Früher war es eben so, dass man durch eine bestimmte Ausrichtung ein Zielpublikum angesprochen hat. Heute sind wir einfach Entertainment pur und jeder kann die Sendung sehen.
Sie sagten Action-Seifenopern. Ich habe einmal die These aufgestellt, die WWE ist für männliche Zuschauer das, was für Frauen Daily Soaps sind. Dieser Aussage stimmen Sie also zu?
Bedingt. Wir haben zum Beispiel eine Reality-Serie, die auf E! Entertainment sehr erfolgreich gelaufen ist. Sie heißt «Total Divas». Da geht es nicht um die Action im Ring, sondern um die Hintergrund-Storys, wie die WWE-Diven, zum Beispiel die Bella-Twins, Paige oder Naomi, ihr Leben leben, wie ihre Beziehungen laufen, wie sie sich vorbereiten. Darüber welche Hobbies sie haben oder ob es auch mal Missverständnisse zwischen ihnen gibt. Ganz alltägliche Dinge also. Diese Serie, die in vielen Staffeln sehr erfolgreich läuft, steht stellvertretend dafür, wie vielseitig die Ära ist, in der wir uns momentan bewegen. Man spricht auch von der Reality-Ära. Da wird eben auch beleuchtet, wie ein Alltags-Leben eines WWE-Superstars aussieht. Das war früher überhaupt kein Thema, hinter die Kulissen blickte man gar nicht. Das ist das Besondere. Wenn man sich WWE-Superstars auf Facebook, anschaut, zum Beispiel John Cena, dann sieht man, dass er mehr Follower als ein Lebron James oder ein Kobe Bryant hat. Diese Leute verstehen es, den Zuschauer auch abseits des Rings zu begeistern. Das sind Entertainer und keine Sportler die von Anpfiff bis Abpfiff ihre Leistung bringen, kurz in die Fankurve klatschen und dann sieht man sie eine Woche wieder nicht. Das macht unser Produkt so speziell, dieser Blick hinter die Kulissen, die Fanfreundlichkeit und die Interaktion in den Sozialen Medien.
Genau. Das war früher ja noch ganz anders. Da war man darauf bedacht, diese Storylines, die während den Shows vorangetrieben wurden, auch abseits der Shows aufrechtzuerhalten, um die Illusion zu erhalten.
Ja. Es ist ja so, dass wir in jeder Sendung mehrfach sagen: Was im Ring gezeigt wird, sollt ihr bitte nicht nachmachen! Das sind Profis, die beherrschen ihr Handwerk, sind voll austrainiert und machen 365 Tage im Jahr nichts anderes. Aber wir machen Sports Entertainment. Wir hegen nicht den Anspruch ein Wettkampf-Sport zu sein. Niemand soll verletzt werden oder K.O. gehen. Der Kern unseres Produkts ist, dass wir die Leute unterhalten wollen und den Leuten eine gute Zeit ermöglichen. Natürlich ist es oft Drama und man fiebert mit seinem Lieblings-Superstar mit, aber das Schlagwort Sports Entertainment steht bei uns im Vordergrund.
Lesen Sie auf der nächsten Seite alles über Sebastian Hackls erste Erfahrungen mit Wrestling, seine Meinungen über die Schattenseiten des Geschäfts und die Professionalisierung des Sports.
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