Auf den Tiefpunkt der Krimireihe «Mord in bester Gesellschaft» erlebt Fritz Wepper dieses Mal einen spannenden Höhepunkt.
Hinter den Kulissen
- Regie: Lars Montag
- Darsteller: Fritz Wepper, Sophie Wepper, Wayne Carpendale, Felix Vörtler, Norman Hacker, Fred Stillkrauth, Katja Bürkle, Johanna Bittenbinder
- Drehbuch: Dirk Kämper, Lars Montag
- Kamera: Wolf Siegelmann
- Szenenbild: Michaela Weniger
- Schnitt: Marc Schubert
- Musik: Stephan Massimo
Die 2007 etablierte Krimireihe «Mord in bester Gesellschaft» war lange Zeit das kreative Kind des Fernsehautoren Rolf-René Schneider. 2013 verließ der Drehbuchschreiber, der unter anderem auch lange an «Klinik unter Palmen» mitwirkte, das Format jedoch. Seither befinden sich die Geschicke der von Fritz Wepper verkörperten Figur des Dr. Wendelin Winter in wechselnden Händen. Der elfte Teil der Reihe stammte vom durch den Münster-«Tatort» bekannten Duo Stefan Cantz und Jan Hinter, der zwölfte Part wiederum entsprang den «SOKO Wismar»-Autoren Rainer Berg und Jens Jendrich. Diese muteten dem Münchener Psychiater und Hobbyermittler einen Tiefpunkt seiner televisionären Karriere zu – «Mord in bester Gesellschaft: Die Täuschung» verkaufte im Januar 2015 seine Darsteller weit unter Wert und konfrontierte das Fernsehpublikum mit müder Westentaschenpsychologie sowie absurden Auffassungen dessen, wie die Blogging-Welt aussieht (
mehr dazu).
Auch die 13. Ausgabe von «Mord in bester Gesellschaft» stammt aus der Feder zweier Autoren: Dirk Kämper (u.a. sieben «Großstadtrevier»-Folgen) und Lars Montag (u.a. vier «Heiter bis tödlich: Zwischen den Zeilen»-Folgen). Diese experimentieren in ihrem Neunzigminüter munter mit dem, was diese ARD-Reihe üblicherweise ausmacht, und verabschieden sich partiell von der hier sonst vorherrschenen, gemächlichen Erzählweise und drosseln zudem den Humoranteil.
Losgetreten wird dieser atypische «Mord in bester Gesellschaft»-Fall unter anderem durch einen Artikel, den Alexandra Winter (Sophie Wepper) über Gerd Granitzka (Felix Vörtler) schreiben soll, der vor Jahren des sechsfachen Mords beschuldigt und letztlich verurteilt wurde. Alexandras Patenonkel Konstantin Karoschek (Fred Stillkrauth) unterstützt sie bei der Recherche und nimmt Kontakt zu Granitzka auf, auch Vater Wendelin beteiligt sich. Alsbald stößt der Psychiater auf allerhand Ungereimtheiten in Sachen Granitzka … Derweil ermittelt Kommissar Becker (Wayne Carpendale) im Fall eines Jungen, der vor acht Jahren getötet wurde. Kripochef Bellmann (Norman Hacker) ist im Gegensatz überzeugt, dass auch dieser Mord durch Granitzka begangen wurde. Tatsächlich gesteht dieser – und bekommt es in der Geschlossenen bald mit Wendelin Winter zu tun. Dieser wird nämlich als unzurechnungsfähig diagnostiziert und eingewiesen …
Unter der Regie des Ko-Autoren Lars Montag entwickelt «Mord in bester Gesellschaft» für die Dauer dieser Ausgabe eine völlig den Grundgesetzen dieser Reihe entgegengesetzte Bildsprache. Kameramann Wolf Siegelmann fängt das doppelbödige Spiel in dunklen Bildern ein, die das Gezeigte in mehrere Ebenen abstufen und durch markante Bildakzente an Atmosphäre gewinnen. Zwischenzeitlich sind die Farbfilter zu offensiv eingesetzt, insgesamt aber verleiht dieser kinotaugliche Look der von Lug und Trug erzählenden Story eine ästhetische Reife, die Wendelin Winters bequemen Fernsehfällen bislang fehlte. Und diese Optik ist keine Verpackung, die über einen schalen Inhalt hinwegtäuschen soll. Wepper darf sein darstellerisches Talent endlich wieder zur Geltung bringen und ein breites Gefülsspektrum abdecken und Felix Vörtler entwickelt sich nach und nach zum 'Most Valued Player', also zum wertvollsten Spieler in diesem Krimi. Einschüchternd, rätselhaft, doch zugleich mit einer durch Exzentrik verdeckten Ängstlichkeit stellt er ein Rätsel auf zwei Beinen dar, dass zum Schluss hin plausibel, wenngleich etwas weltfern geknackt wird. Von den regulären Nebendarstellern derweil wird weiterhin recht wenig abverlangt – wobei die humorvollen Passagen mit Wayne Carpendale nicht nur zünden, sondern sich auch dramaturgisch gut in das Gesamtkonstrukt einfügen, womit sich das noch vergleichsweise neue Mitglied dieser Reihe für eine tragendere Rolle in späteren Folgen empfiehlt.
Obwohl die Randfiguren weiterhin für eine kleine Prise Spaß sorgen, ist akustisch in dieser Ausgabe wahrlich kein Alltag angesagt – die Instrumentalmusik wummert leise und bedrohlich vor sich hin, als befänden wir uns in einem ARD-Thriller abseits der üblichen Degeto-Kost. Und auch der Schnitt spricht solch eine Sprache: Flackernde Szenenübergänge und eine hektisch-hohe Frequenz, wann immer Fritz Weppers Figur in Bedrängnis kommt oder die Ermittler über die einst begangenen Morde reden, lassen eine zum Thema passende, unkomfortable Stimmung aufkommen. Selbst wenn dieses Gimmick leicht überreizt wird, ist es dennoch sehr willkommen, da es Abwechslung in die eingefahrene Welt der Werktags-Primetimekrimis im Ersten bringt.
«Mord in bester Gesellschaft – Das Scheusal» ist am 11. Juni 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.