ABC Family versuchte mit «Twisted» den Erfolg von «Pretty Little Liars» zu kopieren. Nun zeigt RTL II das kurzlebige Format. Wie gut ist das Teenie-Mysterydrama?
Hinter den Kulissen
- Kamera: Adam Milch
- Drehbuch: Avan Jogia, Maddie Hasson, Kylie Bunbury, Ashton Moio, Kimberly Quinn, Denise Richards, Sam Robards
- Musik: Gabriel Mann
- Ausführende Produzenten: John Ziffren, David Babcock, Adam Milch, Gavin Polone, Charles Pratt, Jr., Nathan Folks
- Schnitt: Zeborah Tidwell, Courtney Carrillo, Chad Mochrie
- Kamera: Teodoro Maniaci, Ted Hayash, Mark Doering-Powell
Ein elfjähriger Junge nähert sich mit leisen Schritten zwei befreundeten, gleichaltrigen Mädchen. Sie schaukeln, sind in ein Gespräch vertieft, bemerken gar nicht, wer sich von hinten an sie heranschleicht. In den Händen des Jungen: Ein Springseil, ganz verdächtig zu einer Schlinge geformt. Wird er eines der beiden Mädchen attackieren? Nein. Mit todtraurigen Augen, aber ruhigem Gestus und vorsichtiger Stimme sagt er, dass er es tun musste und nicht will, das die zwei Freundinnen ihm böse sind … Was er getan hat? Er erdrosselte seine Tante. Daraus macht er kein Geheimnis. Umso verschwiegener wird er, wenn es um sein Motiv geht – daher wandert Danny (Avan Jogia) in den Jugendknast.
Die ABC-Family-Produktion «Twisted» spielt, von dem obig beschriebenen Prolog abgesehen, nach der Entlassung des gleichermaßen charismatischen wie geheimnisvollen Danny aus der Haft. Auf Wunsch seiner liebevollen Mutter Karen (Denise Richards) kehrt er in seine Heimatstadt zurück und geht nun mit seinen alten Schulkameraden auf die High School. Dort wird er mit Argwohn und Misstrauen beäugt – abgesehen von Regina (Karynn Moore), die sich zu ihm hingezogen fühlt, und von seinen zwei früheren Freundinnen Lacey (Kylie Bunbury) und Jo (Maddie Hasson), die sich voneinander wegentwickelt haben und voller widersprüchlicher Gefühle ob Dannys Rückker sind. Als kurz nach einer Party eine Schülerin tot aufgefunden wird, verschlimmert sich die Lage für Danny: Besorgte Eltern und zahlreiche Schüler sehen ihn ganz klar als einzigen Tatverdächtigen …
In den USA ging «Twisted» als Sommerserie direkt im Anschluss an den Quotenbringer «Pretty Little Liars» an den Start – und es ist der von Adam Milch erdachten Serie durchaus anzumerken, dass sie für solch einen Slot hingebogen wurde. Obwohl es um einen ungeklärten Mord geht – oder eher um zwei ungeklärte Morde – und eine der drei zentralen Figuren vorbestraft ist, gibt es in den ersten Episoden nur eine einzelne Szene mit Suspense-Faktor: Der Prolog ist dank seiner Unklarheit schürenden Bildsprache noch ansatzweise schaurig, ab dann stebt «Twisted» eine alltägliche Atmosphäre an. Mord? Das ist einfach nur eine weitere Sorge im Leben eines gestressten, missverstandenen Jugendlichen!
Die Wankelmütigkeit, mit der die Figuren rund um Danny über den vermeintlichen „Soziopathen“ denken, nimmt schon früh Biss aus der so viel Potential aufweisenden Story. Sobald nach nicht einmal der Hälfte der Laufzeit die nachdenkliche, zweiflerische Jo, die ganz unten auf der sozialen Leiter steht und sich kaum darum schert, Danny ihr Vertrauen schenkt, ist klar: Das Autorenteam ist nicht sonderlich daran interessiert, die komplexe psychologische Belastung, mit einem Mörder befreundet sein, für ein jugendliches Publikum runterzubrechen. Stattdessen nutzen sie Dannys Vorgeschichte nur als Aufhänger, um ein Teenie-Drama zu erzählen, dem ein Mysteryelement übergestülpt werden kann. Und genau diesen Weg verfolgt «Twisted» auch in den nachfolgenden Episoden.
So handzahm die in den USA nach 19 Episoden beendete Serie auch sein mag, womit sie ihre eigene Ausgangslage verrät: Darstellerisch kann sich «Twisted» für eine ABC-Family-Serie sehen lassen. Obwohl das Skript und auch die keinerlei Risiken eingehende Regieführung nur wenig Dramatik zulassen, spielen die wichtigen Ensemblemitglieder sehr gut und vielseitig auf. Avan Jogia besticht in der Rolle des düsteren Charmebolzens, Kylie Bunbury gelingt es, der typischen High-School-Zickenrolle etwas Kantiges abzuringen und Jo Masterson ist nicht nur die gute Seele dieser Serie, sondern bringt auch tolles komödiantisches Timing mit.
Die Darstellerriege ist es letztlich, die «Twisted» gerade so noch in den akzeptablen Bereich hievt – Genrefans, die trotz des Wissens, dass die Serie keine zweite Staffel erhalten hat, voller Neugier sind, dürfen einen Blick wagen. Wer schon mit «Pretty Little Liars» und vergleichbaren Serien nichts anfangen kann, wird auch an «Twisted» keine Freude haben.
«Twisted» ist ab dem 3. Juni 2015 immer mittwochs um 21.55 Uhr zu sehen.