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«Aquarius»: Summer of Love, Summer of Hate

Hank Moody ist Geschichte: Nach seiner Paraderolle taucht David Duchovny in die 60er Jahre ein, die Jahre der Hippies und Rassenunruhen. Und die Jahre von Massenmörder Charles Manson, dem Duchovny auf der Spur ist.

Cast und Crew

  • Erfinder und Produzent: John McNamara
  • Weitere Produzenten: David Duchovny, Marty Adelstein, Melanie Greene
  • Cast: David Duchovny, Gethin Anthony, Grey Damon, Emma Dumont, Claire Holt u.a.
  • Musik: W.G. Snuffy Walden
  • Regie: Jonas Pate u.a.
Es sind die 60er Jahre, die Jahre der freien Liebe, der gesellschaftlichen Umbrüche, aber auch des Rassismus und von Vietnam. «Aquarius» lässt uns eintauchen in diese 60er Jahre, wenig verklärt und in einer Atmosphäre, als hätten wir unser Instagram-Foto mit einem starken Vintage-Effekt versehen. Die NBC-Miniserie verschlägt uns nach Los Angeles, USA. Weit weg von den Zentren der Hippie-Revolution und Gegenkultur: Weit weg von San Francisco oder Woodstock. Und nahe an Massenmörder Charles Manson.

Die Story basiert auf der Wirklichkeit, Manson war Anführer einer Hippie-Kommune in den 60er Jahren, von Rassismus und Frauenfeindlichkeit geprägt. 1969 ließ er mehrere Menschen ermorden, sitzt seit Jahrzehnten mit lebenslanger Haftstrafe im Gefängnis. In «Aquarius» lernen wir den jungen Charles Manson (Gethin Anthony) kennen, einen noch unschuldigen, erfolglosen Folk-Musiker mit der Vision einer autarken kommunalen Gemeinschaft. Manson sucht auf Hippie-Partys gezielt nach frischem Blut für seine Kommune, nach schönen jungen Frauen. In Episode eins verführt er Emma, das unschuldige Mädchen einer reichen L.A. Family. Wir lernen bald auch Sam Hodiak (David Duchovny) kennen, einen Ermittler alter Schule mit persönlichem Auftrag: Denn Emma ist die Tochter von Sams alter Highschool-Freundin. Unter Tränen fleht sie Sam an, ihre Tochter zu finden. Noch weiß Sam nicht, worauf er sich eingelassen hat.

Es ist schwierig, Duchovny als L.A.-Cop zu akzeptieren. Nach seinen ikonischen Rollen in «Akte X» und zuletzt «Californication» spielt der Charakterdarsteller nun den mehr oder weniger braven Ermittler, der wenig Ecken und Kanten hat, der zum Establishment gehört. Und einen Igel-Haarschnitt besitzt. Es ist leider etwas zu viel Veränderung zum geliebten Hank Moody mit seiner Matte, und mit seinen Marotten. Schade ist, dass der Charakter Sam relativ blass bleibt, konventionell und fast langweilig. „Ich tendiere dazu, falsche Entscheidungen zu treffen, wenn ich trinke“, sind solche Sätze, die Sam in «Aquarius» öfter sagt. Aus Duchovnys Mund wirken sie für den Serienkenner fast irrational. Wer sich als Zuschauer aber auf den Charakter einlässt, bekommt vieles zurück: Unabhängig von seinem Kontext spielt Duchovny seine Rolle authentisch, überzeugend klar, zynisch. Und mit der für ihn so typischen Coolness. Es ist ein schauspielerischer Genuss, einmal wieder bei Duchovny.

Konfliktpotenzial bietet die Arbeit mit Sams Ermittlungspartner Brian, einem Jung-Cop, der eine andere gesellschaftliche Einstellungen mitbringt. Brian hat eine schwarze Ehefrau, und seine Arbeit im Job ist immer ein bisschen auch Kampf gegen den noch weitverbreiteten Rassismus in den USA. Sam ist eher das Gegenteil: Am Status Quo scheint er nicht viel ändern zu wollen. Als in Folge zwei von «Aquarius» ein vermeintlicher Mörder überführt werden soll, nimmt Sam einen unschuldigen Schwarzen fest – nur um den wahren Täter damit zu provozieren und aus der Reserve zu locken. Dass diese Polizeimethode bei Brian keinen Anklang findet, ist selbstredend. Leider aber wird auch hier nur angedeutet: Ein richtig relevantes Thema wird der Rassismus nicht, zumindest nicht in den ersten paar Episoden.

So geht es häufig bei «Aquarius»: Alle Themen der 60er sind präsent, alle aber nur ein bisschen, abgesehen von Charles Manson, dem Hauptantagonisten, und seiner Hippie-Kommune. Alles scheint ein bisschen zu weichgespült, zu harmlos – was angesichts der brisanten Stoffe auch negativ ausgelegt werden kann: US-Kritiker bemängeln die anfänglich harmlose Porträtierung von Charles Manson als einfachem Kommunen-Anführer (in Wahrheit kommt sein krankes Ego später in der Serie zum Vorschein). Auch das Rassismus-Thema wird nur angedeutet. Es bleibt die Vermutung: Abseits des öffentlichen Network-Fernsehens, wo gewisse Regeln eingehalten werden müssen oder wollen, wäre «Aquarius» expliziter, schnörkelloser, relevanter herübergekommen. Chance vertan, schade.

Und doch bleibt die Serie watchable, als Sommer-Event ohnehin. Das Format wird nicht langweilig, immer wieder ergeben sich schon zu Beginn kleinere Storytwists, die bei Laune halten. Neben der eigentlichen Haupterzählung um Charles Manson ermitteln Sam und Brian oft auch in anderer Sache, mit abgeschlossenen Fällen pro Episode. Dies lockert die Handlung zusätzlich auf, streut gesellschaftsrelevante Themen in kleiner Dosierung bei. Schauspielerisch ist die Serie – wenn man sich auf Duchovny als zynischen, down-to-earth-Ermittler einlassen will – auf allerhöchstem Niveau sehenswert. «Aquarius» schafft es letztlich, uns eintauchen zu lassen in die 60er Jahre, es ist ein von Serienerfinder John McNamara («In Plain Sight») spannend gezeichnetes und liebevoll ausgearbeitetes Los Angeles der Hippies und Etablierten, des Nihilismus und der Nächstenliebe. Zu erwähnen ist hier insbesondere die visuelle Gestaltung, die mit Filtern arbeitet, aber vor allem der über alle Maßen wunderbare Soundtrack der 60er-Generation, der in fast jeder Szene erblüht. Und das Gesehene wunderbar nachdenklich, manchmal verstörend konterkariert: Wayne Newtons „Danke Schoen“ spielt, während Charles Manson dabei ist, einen anderen Mann zu vergewaltigen.

NBC hat nach der TV-Premiere alle 13 Episoden von «Aquarius» kostenlos zum Abruf ins Netz gestellt – das Netflix-Modell, wenn man so will. Eine zweite Staffel wird es höchstwahrscheinlich ohnehin nicht geben. Hinterhertrauern muss man «Aquarius» dann nicht, zu wenig Besonderes, zu wenig Mut bietet die Serie. Und zu wenig von dem David Duchovny, den wir lieben. 2016 dann wieder ein anderer Auftritt bitte, Mr. Cool: Als Fox Mulder bei der Rückkehr von «Akte X».
31.05.2015 12:23 Uhr Kurz-URL: qmde.de/78555
Jan Schlüter

super
schade


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Tags

Akte X Aquarius Californication In Plain Sight

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