Cast und Crew
- Regie: Kaspar Heidelbach
- Darsteller: Axel Prahl, Jan Josef Liefers, Friederike Kempter, ChrisTine Urspruch, Mechthild Großmann, Claus-Dieter Clausnitzer, Christian Kohlund, Sunnyi Melles, Uwe Preuss, François Goeske, Matthias Redlhammer
- Drehbuch: Stefan Cantz, Jan Hinter
- Kamera: Achim Poulheim
- Szenenbild: Veronika Merlin
- Schnitt: Corina Dietz
- Musik: Arno Steffen
In Münster geht es feuchtfröhlich zu: Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) wird endlich zur Kommissarin befördert, weshalb Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) mit ihrer jüngeren Kollegin bei Nacht um die Häuser ziehen. Ordentlich angetrunken machen die Beiden auch bei Boerne Halt, wo Thiel einen Mitternachtssnack zu sich nimmt, der ihn vor einem Kater bewahren soll. Diesen Happen wird Thiel so schnell jedoch nicht vergessen: Er bekommt die Speise wortwörtlich in den falschen Hals und steht kurz bevor, das Zeitliche zu segnen. Boerne rettet den Ermittler mit einem gezielten Luftröhrenschnitt – und lässt ihn seine gute Tat büßen: Bei jeder sich erbietenden Gelegenheit reibt Boerne seinem Kollegen die schicksalsträchtigen Sekunden unter die Nase.
Und das ist nur das geringste Problem, das Thiel mit seinem verschrobenen Zeitgenossen hat: Dieser beichtet nämlich, dass er seinem reichen Onkel Gustav aus Florida (Christian Kohlund) erzählt habe, homosexuell zu sein. Wieso? Nun, Gustav ist nicht mehr der gesündeste und könnte daher bald für ein saftiges Erbe sorgen. Da Gustav selber schwul ist, dachte sich Boerne, er könnte sich mit einem erflunkerten Coming Out einschleimen. Dass er in Ermangelung an Alternativen ausgerechnet Thiel nicht nur als seinen festen Partner, sondern sogleich auch als seinen eingetragenen Lebensgefährten ausgegeben hat, sorgt aufgrund des nahenden Besuchs des wohlhabenden Onkels für allerhand Tumult.
© WDR/Martin Valentin Menke
Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, l) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, r)
Wie es schön öfters beim «Tatort» aus Münster der Fall war, gerät auch in Ausgabe 27 der kriminalistische Aspekt in den Hintergrund. Das Hauptaugenmerk liegt ganz klar auf der fast schon an klassische Screwball-Komödien erinnernden Hassliebe zwischen den Rollen des eingespielten Duos Prahl/Liefers. Einen Mord gibt es trotzdem zu lösen, und dieser weist gewisse Parallelen dazu auf, was das ewig zankende Ermittlerpaar gerade durchmacht: Das Opfer wurde mit aufgeschlitzter Kehle aufgefunden – so wie Thiel von Boerne aufgeschlitzt werden musste, um nicht zu ersticken – und ist zudem homosexuell. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen gibt es noch einen Abstecher in eine edle Weinhandlung sowie allerhand Verwirrung um eine ermordete Taxifahrerin. Und dann spielt sogar Boernes Onkel eine gewichtige Rolle …
Das Team hinter «Tatort: Erkläre Chimäre» hat bereits Erfahrung damit, welchen Tonfall es im quotenstarken Standort Münster zu treffen gibt. Das Autorenteam Stefan Cantz und Jan Hinter erfand vor mehr als zwölf Jahren die Formel für Geschichten mit Boerne und Thiel, Regisseur Kaspar Heidelbach wiederum inszenierte bereits mehrere Fälle, darunter etwa den extrem populären Neunzigminüter '
Summ, Summ, Summ'. Diese Erfahrung macht sich positiv bemerkbar: Wirken die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Protagonisten gelegentlich arg erzwungen, findet diese Folge einen kurzweiligen Ausgangspunkt dafür, wieso das ungleiche Paar wieder einmal mehr Zeit miteinander verbringen muss, als es ihm lieb ist. Und so sehr die Grundidee einer vorgegebenen Lebenspartnerschaft nach 90er-Jahre-Sitcom schreit, in der schrägen Welt, die der «Tatort» aus Münster skizziert, ist der Plot vollkommen plausibel. Und das ist alles was zählt.
Obendrein punktet die WDR-Produktion mit einem Feuerwerk an Dialogspitzen. Dabei sind es nicht nur Prahl und Liefers, die dieses Mal zum Zug kommen, sondern auch ChrisTine Urspruch alias Assistentin Alberich, die unentwegt quarzende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann), die ein undurchsichtiges Spiel spielt, sowie Friederike Kempter, deren Figur Nadeshda Krusenstern im Fahrwasser ihrer Beförderung mehr mitmischt – und daher auch verbal mehr einzustecken hat.
In den letzten Minuten wirken die Kabbeleien zwischen den zentralen Figuren vielleicht etwas konstruiert, erst recht da obendrein die Bedeutung des im Titel erwähnten Begriffs Chimäre erklärt werden will und dann zudem für das genau hinschauende Publikum selbst dies noch humorig gedoppelt wird. Da die Dialoge bis zum Schluss schmissig bleiben, verliert «Tatort: Erkläre Chimäre» dennoch bis zum Schluss nicht an Zugkraft. Und wird deswegen dem treuen Stammpublikum einmal mehr launige Fernsehminuten bescheren.
«Tatort: Erkläre Chimäre» ist am 31. Mai 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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