Im Exklusiv-Interview spricht der Sky-Sportchef über die neue FreeD-Technologie und zieht ein Fazit der Bundesliga-Saison bei seinem Sender. Deutliche Worte findet er auch für einen Post von Til Schweiger.
Free D – der heißeste Trend derzeit in Sachen Sport-Übertragungen?
Definitiv. in Amerika wird Free D schon bei verschiedenen Sportarten genutzt. Diese Innovation hat auch für Fußball- und Sportübertragungen in Deutschland enormes Potenzial. Mit dieser Technologie ist Sky Vorreiter in Europa.
Mit Free D kann man relativ zeitnah zwischen verschiedenen Perspektiven hin- und herschwenken. Das ging bisher ja meist nur virtuell und mit großem Aufwand.
Man braucht in einem Stadion dafür rund 30 fest installierte Kameras, die aufeinander abgestimmt sind. Das Ergebnis ist in meinen Augen schlichtweg sensationell. Jeder, der es bisher gesehen hat, war davon begeistert. Ähnliches haben wir bisher ja schon für Analysen in Vor- und Nachbericht eingesetzt, da haben wir für die Schwenks aber einiges an Bearbeitungszeit gebraucht. Beim DFB-Pokal-Finale wollen wir Free D erstmals im Live-Spiel als eine weitere Alternative zu klassischen Zeitlupen einsetzen. So kann man zum Beispiel zeigen, aus welcher Sicht der Torwart den Schuss gesehen hat, was genau um den Stürmer herum passiert ist.
Wie oft kann man Free D denn theoretisch einsetzen, wenn die Tests erfolgreich sind?
Wir testen das jetzt zwei Mal in Berlin, weil das Stadion mit dieser teuren Technik ausgerüstet werden muss. Da eignen sich DFB-Pokal und Champions-League-Finale optimal. Nur Sky wird diese Bilder während der Live-Übertragung zeigen. Die DFL und Sportcast hatten gestern in Wolfsburg einen Innovationstag, auf dem unter anderem auch Free D von uns vorgestellt wurde. Auch wenn die Technik viel Geld kostet, denke ich, dass wir davon bald mehr sehen.
In Wolfsburg wurde ja auch klar, dass Sky in Sachen Free-D somit eine Europa-Premiere zeigt. Gibt es Überlegungen wie oft man solche Sequenzen im Live-Spiel einbaut? Nicht, dass dem Zuschauer bei zu häufiger Nutzung noch schwindelig wird.
Den Effekt wollen wir in der Tat vermeiden. Es soll nicht heißen, dass Sky das nur macht, weil sie diese Technik jetzt hypen wollen. Es geht darum, schon während der Übertragung Perspektiven bieten zu können, die sonst nicht zur Verfügung stünden, und damit einen echten Mehrwert bei der Live-Übertragung zu liefern. Im Idealfall sagt der Zuschauer später, dass er diese besonderen Bilder nur bei Sky gesehen hat und nicht auf einem anderen Sender. Es hängt letztlich aber vom einzelnen Spiel ab, ob wir Free D drei oder fünf Mal pro Halbzeit einsetzen oder gar nicht.
Free D wurde im Ausland auch bei Tennis-Übertragungen getestet. Will Sky die Technik auch in Wimbledon oder bei Handball-Spielen einsetzen?
Dahin gehen unsere Überlegungen. In Wimbledon sind wir nicht Host-Broadcaster, Handball haben wir aber im Kopf. Nach den zwei Tests werden wir uns zusammensetzen. Am Ende muss die Technik in einer Halle oder einem Stadion einmalig installiert werden und kann genutzt werden. Ich bin aber auch sicher, dass die technischen Möglichkeiten nun nach und nach noch optimiert werden und für Sender demnächst auch etwas kostengünstiger sind.
Wenn wir beim Thema bleiben. Auf Spider-Cams, also Kameras, die sich an Schnüren in der Luft bewegen, verzichten Sie inzwischen fast komplett. Auch die Super-Slomo-Cams, die Sky in der Saison 13/14 sehr oft gerade in der Champions League zum Einsatz brachte, ruhten zuletzt. Sind das schon wieder Trends von gestern?
Das kommt immer darauf an, wer Host-Broadcaster bei den Champions League-Heimspielen ist. So viele haben wir davon in dieser Saison nämlich gar nicht gehabt. Dann stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, für ein wichtiges Spiel eine solche Spider-Cam aufzuhängen. Für mich sind diese Bilder nicht mehr so innovativ – gerade jetzt nicht mehr, wo wir Free D kennengelernt haben. Ultra HD und die Möglichkeit näher heranzuzoomen wird weiter kommen. In dieser Saison haben wir uns eher darauf konzentriert, virtuelle Grafiken wie beispielsweise die NCAM vor Ort einzusetzen, mithilfe derer man Grafiken auf dem Spielfeld zeigen kann, die die Zuschauer im Stadion nicht sehen können. Auch diese Technik haben wir als erster Sender im deutschen Fernsehen eingesetzt. Es freut uns natürlich immer, wenn andere Sender unsere Innovationen als so großartig ansehen, dass sie sie dann ebenfalls einsetzen.
Wenn wir ein Fazit zur Bundesliga-Saison ziehen: Was lief bei Sky 2014/2015 gut?
Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Eine umfassende Analyse werden wir – wie jedes Mal – immer erst nach dem letzten Spieltag erstellen. Die Zuschauerzahlen lagen alle im grünen Bereich, auf vielen Sendeplätzen haben wir zugelegt. Es hatte also keine unmittelbaren Auswirkungen, dass die Bayern so früh Meister geworden sind. Ich hätte mir das ein oder andere Champions League-Spiel mehr mit deutscher Beteiligung gewünscht, aber darauf haben wir ja keinen Einfluss. Wir haben mit unserem Experten Markus Merk bei uns den „Video-Schiedsrichter“ eingeführt – dieses Thema werden wir auf jeden Fall weiter vorantreiben. Lippenlesen war eines der neuen Themen für uns. Wir hatten eine vierteilige «1860»-Doku, der vierte Teil kommt nun am Wochenende. Und in Sachen Analyse vor den Spielen, egal ob beim Topspiel, bei der Konferenz oder der Champions League, haben wir uns aus meiner Sicht extrem verbessert.
Wenn wir über das Negative in dieser Saison sprechen, dann kommen wir eigentlich nicht um die Beschimpfungen von Marcel Reif herum, auch wenn das Thema eigentlich gegessen ist.
Das stimmt. Zu Marcel Reif haben wir klar Stellung bezogen, aber ich habe immer noch die Bilder hasserfüllter Fans in Dresden im Kopf. Wir müssen in diesem Bereich aufpassen, dass hier nichts verrutscht und zwar unabhängig von der Person Marcel Reif. Da kann man genauso auch über Sebastian Hellmann, Tom Bartels, Béla Réthy und andere reden. Am Ende ist es nur Fußball. Wir müssen auch den Verantwortlichen der Vereine und den Spielern klarmachen, dass wir gerade bei diesem Thema alle in einem Boot sitzen.
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Ich habe das auch gelesen und finde so etwas äußerst unpassend, dass ein Mann wie Til Schweiger auf diesen Zug aufspringt. Das ist einfach nur unnötig.
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Sky-Sportchef Burkhard Weber über einen
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang, dass Schauspieler Til Schweiger nach dem Rückspiel des Champions League-Halbfinales vergangene Woche folgendes via Facebook geschrieben hat: „FCB…war’n tolles Spiel. Wenn nur nicht der Marcel Reif mit seinem unerträglichen Gesabbel gewesen wäre“.
Ich habe das auch gelesen und finde so etwas äußerst unpassend, dass ein Mann wie Til Schweiger auf diesen Zug aufspringt. Das ist einfach nur unnötig.
Gehen wir bei der Saison-Analyse noch kurz in die Tiefe. Die im vergangenen Sommer abgeschafften Co-Kommentatoren haben letztlich gefehlt oder nicht?
Die Details werden wir erst noch analysieren. Ich habe bis jetzt von keinem Zuschauer gehört, dass ihm ein Co-Kommentator im Fußball gefehlt hat.
Gibt es Planungen für die neue Saison, den Freitagabend, den Sonntag oder die zweite Liga neu aufzuziehen?
Das haben Sie mich vergangenen August schon gefragt
(lacht). Wir überlegen immer mal, ob wir da Neues einführen können. Einen festen Experten am Freitag vielleicht? Kann man aus den beiden Sonntagsspielen eine große Sendung stricken? Wir haben da aber nichts Konkretes, da alle drei Sendeplätze eigentlich sehr gut laufen. Entsprechend stellt sich die Frage, wieso wir dann etwas ändern sollten, auch wenn es sicherlich immer Verbesserungspotenzial gibt.
Auf den Markt drängen neue Experten. Spieler, die aufhören. Michael Ballack hat kürzlich erwähnt, er könnte sich eine solche Rolle hierzulande vorstellen.
Wir reden da momentan mit einigen Personen. Da ist aber noch nichts entschieden. Ich glaube, dass die Experten von morgen noch einmal eine andere Handschrift mit einbringen sollten, zum Beispiel sich auch unter der Woche noch aktiver bei der Vorbereitung der jeweiligen Sendung einbringen.
Ist Erik Meijer da ein Vorbild? Aus meiner Sicht macht er nicht nur dienstags und mittwochs einen sehr guten Job, sondern auch mal am Samstag, als er kurzfristig eingesprungen ist.
Ich bin da vollkommen bei Ihnen. Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber Erik ist in dieser Hinsicht ein Naturtalent. Das zeigt aber auch, dass ein Experte nicht die vielen großen Titel braucht, um im Fernsehen erstklassige Arbeit zu leisten. Dass Erik Meijer dann auch so kurzfristig einspringen kann, wenn bei Patrick Owomoyelas Frau das Kind kommt, zeigt seine Qualität und verdient großen Respekt.
Von Ihrer Eigenproduktion «EinsEins», wo Sie alle Klubs vor Ort besuchen wollten, gab es am Montagabend nun keine 18 Folgen. Geht es weiter?
Ja, wir machen kommende Saison damit weiter. Dass wir diesmal nicht auf 18 Folgen kamen, hing damit zusammen, dass wir darüber hinaus den «Audi Star Talk» und viele eigenproduzierte Dokumentationen im Programm hatten. Dafür ist der Sendeplatz am Montagabend am besten geeignet, weil wir unsere Formate und Eigenproduktionen nach Möglichkeit im Anschluss an Live-Sport programmieren. Entsprechend gab es etwas weniger Ausgaben von «EinsEins» als zunächst geplant.
Vielen Dank für das Gespräch.
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