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NBC: Mit Erfolg ins Abseits?

Jahrzehntelang war NBC besonders in Sachen Comedy das Aushängeschild der US-amerikanischen Fernsehlandschaft. Zwar sind die Quoten derzeit ordentlich, doch die Ausrichtung des Senders scheint nicht ganz klar. Über das wegweisende Jahr 2015 für NBC.

Unter anderem bei NBC in Entwicklung

  • Sequel zur Sitcom «Coach»
  • Sitcom mit «Housewives»-Star Eva Longoria
  • apokalyptisches Drama mit Jenna Fischer und Rob Lowe
  • zweites «Chicago Fire»-Spinoff namens «Chicago Med»
  • Drama «Shades of Blue» mit Jennifer Lopez
  • Drama «Blindspot» von Produzent Greg Berlanti
„Läuft bei euch“, würden so manche Medienschaffende beim Blick auf die nackten Zahlen sagen: Die vergangene TV-Season 2013/14 schloss NBC als Nummer eins unter den Networks ab, zum ersten Mal seit genau zehn Jahren. Die Konkurrenz hat man endlich mal wieder auf die Plätze verwiesen: ABC, das Mitte der 2000er mit Hits wie «Lost», «Grey's Anatomy» und «Desperate Housewives» Fernseh- und Quotengeschichte schrieb. FOX, das lange Zeit die Rankings vor allem durch das unglaublich erfolgreiche «American Idol» anführte. Und CBS, das beim Gesamtpublikum immer stark war und mit seinen Franchises «CSI» und «NCIS» viele Primetime-Abende für sich gewann. Sie alle rangieren seit einiger Zeit hinter NBC; in der vergangenen Season verbesserte das Network seinen Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe um 13 Prozent.

Auch in diesem Jahr wird NBC höchstwahrscheinlich wieder Platz 1 belegen, auch wenn die Zahlen wieder nach unten gegangen sind. Zuletzt scheint man also alles richtig gemacht zu haben: Die Olympischen Spiele 2014 waren ein Erfolg für das Network, und Serien wie «The Blacklist», das «Chicago»-Franchise sowie der Dauerbrenner «The Voice» bringen – oder brachten – viele Zuschauer mit. Läuft bei denen. Dass man die Nummer 1 ist, liegt vor allem am sehr erfolgreichen Live-Football am Sonntagabend. Diesen herausgerechnet, müsste man den ersten Platz an CBS abgeben.

Die scheinbare Erfolgsgeschichte kann aber auch umgekehrt erzählt werden. Von den bisher zwölf Serien-Neustarts seit Herbst hat kein einziger funktioniert, im Gegenteil waren kolossale Flops vor allem im Comedy-Bereich darunter: «A to Z», «Bad Judge» und «Marry Me», um nur drei zu nennen, die in der Quotenskala von NBC ganz unten rangieren. In Sachen Comedy liegt NBC komplett brach. Dies ist verwunderlich und bestürzend zugleich, da das Network in den vergangenen Jahrzehnten immer Vorreiter des Genres war – und es geradezu permanent revolutioniert hat: In den 80er und 90er Jahren avancierte man zum „Must See TV“, mit Serien wie «Cheers», «Seinfeld», «Frasier» (Foto) und «Friends», die nicht nur Zuschauerzahlen einer heute unerreichbaren Größenordnung einfuhren. Sondern die inhaltlich Maßstäbe setzten, die international angesehen waren. In den 2000ern schaffte NBC ähnliches, wenn auch mit weniger Impact: In den Vereinigten Staaten etablierte man das Mockumentary-Genre durch den großen Erfolg mit «The Office» und holte die Single-Camera-Comedy dank solcher Serien wie «30 Rock», «My Name is Earl» und «Community» zurück ins Rampenlicht. Die sophisticated sitcom, die intelligente Comedy – all dies verkörperte NBC in den vergangenen Jahrzehnten. Heute ist davon nichts mehr übrig. Das zentrale Identitätsmerkmal des Senders ist verschwunden.

Und so titelte die renommierte amerikanische Monatszeitschrift „The Atlantic“ vor wenigen Wochen: „Wird «Parks and Recreation» die letzte großartige NBC-Comedy sein?“ Die Serie von Amy Poehler ist in diesem Jahr beendet worden, genauso wie das ebenfalls verdiente «Parenthood». NBC hat derzeit keinen einzigen Comedy-Hit mehr im Programm, einzig halbwegs erfolgreiches Format ist «Undateable», das bei Kritikern schlecht wegkommt. Und von dem kaum noch jemand gehört hat. Womöglich ist es NBCs einziges Comedy-Format, das diesen Sommer überlebt und mit neuen Folgen zurückkehren darf. „Seit über 30 Jahren war NBC die stärkste Marke im Bereich Humor, aber man scheint nicht mehr interessiert an originellem, intelligenten Programm“, schreibt „The Atlantic“. Oder um es im prägnanten Englisch auszudrücken: „NBC is out of the comedy business.“

2012 beginnt dieser Abstieg: Robert Greenblatt, neuer Chef des Senders, verkündet eine Neuausrichtung der Comedy-Strategie. Man wolle sich breiter aufstellen, mehr Mainstream werden, zurück zu den Ursprüngen. Die Nischen-Programme, stellvertretend «Parks and Recreation», sollen keine Zukunft beim Network haben – dies ist der Todesstoß für den jahrzehntelangen eigenen Anspruch an das Genre. Das neue Motto: Tiere und Babies, wortwörtlich – unter anderem mit den Formaten «Guys with Kids» und «Animal Practice».

Selbstredend, dass die Zuschauer auf diesen Schwachsinn nicht reingefallen sind. NBC wurde binnen weniger Jahre vom Vorreiter der intelligenten Comedy zum Anbieter langweiliger Mainstream-Konzepte. Dass dies vor allem beim Stammpublikum der alten, anspruchsvolleren Hits nicht ankam, ist wenig verwunderlich. Dennoch hielt NBC an der Mainstream-Strategie fest, die im plakativsten Versuch «The Michael J. Fox Show» gipfelte. Die TV-Rückkehr des Hollywood-Stars schien 2013 ein garantierter Hit, doch auch hier wanderten die Zuschauer schnell scharenweise ab. Seitdem läuft Comedy bei NBC auf Sparflamme. Auf intellektueller Sparflamme schon seit langem.

Das Network verspielt derzeit die Verdienste, die man sich in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat. Mit «Saturday Night Live» hat man die stärkste Ausbildungsschmiede für neue Hits, doch kaum schaffen es noch Ensemble-Mitglieder mit eigenen Shows in die Primetime. Anders als vor einigen Jahren mit Tina Fey und Amy Poehler. Die neue Comedy-Strategie führte auch dazu, dass NBC viele gute Projekte ablehnte: Darunter «The Mindy Project» von der «The Office»-Darstellerin Mindy Kaling, oder Andy Sambergs «Brooklyn Nine-Nine». Beide landeten bei FOX, beide sind einigermaßen erfolgreich, aber vor allem sind sie bei Kritikern gefeiert. Tina Feys neue Serie «Unbreakable Kimmy Schmidt» wurde erst bei NBC entwickelt, bevor das Network auch hier kurzerhand die Reißleine zog. Das Format landete bei Netflix, wo es Erfolge feiert. Die New York Post titelte zu dieser Geschichte: „«Kimmy Schmidt» zeigt die Irrelevanz von NBC auf.“

Es scheint, als fehle NBC in den jüngeren Jahren das Gespür dafür, die eigenen Erfolge zu konservieren. Man machte in den 80ern und 90ern die klassische Sitcom wieder salonfähig, doch in den 2000ern war CBS das Network, das auf diesem Erfolg aufbaute und das Genre weiter bediente («The Big Bang Theory», «Two and a Half Men»). Dasselbe ist nun mit den Single-Camera-Comedys passiert: Größer Mockumentary-Hit ist «Modern Family» bei ABC, die angesprochenen Kritikerhits wie «Brooklyn Nine-Nine» laufen auf anderen Networks, zumeist bei FOX. Im Drama-Genre hinkt der Sender ebenso hinterher: Auch hier war man vor längerer Zeit der Innovator, dank solcher Klassiker wie «Emergency Room», «L.A. Law», «The West Wing» und dem frühen «Law & Order». Einen relevanten Hit hat NBC lange nicht mehr produziert. Über 25 Formate befinden sich in der Entwicklung, aber irgendwie ist zuletzt der Glauben verloren gegangen, dass sich darunter ein Serienjuwel befinden wird. Es ist an der Zeit, die Zuschauer eines besseren zu belehren, um nicht zu einem zweiten CBS zu verkommen. Größtenteils anspruchs- und risikolos, konventionell, franchise-lastig bis zum Umfallen.

Vielleicht sollten sich die Bosse des Senders an das Jahr 1989 erinnern, das Sitcom-Projekt «Seinfeld» lief damals mit einer wenig erfolgreichen Pilotfolge bei NBC. Die Zukunft war eigentlich besiegelt, NBC lehnte weitere Episoden ab. Rick Ludwin, damals bei NBC verantwortlich für Spezialprogrammierungen, wollte «Seinfeld» aber nicht aufgeben und quetschte ein minimales Budget für vier weitere Folgen heraus. Ein Jahr später wurden diese zum Quotenhit. Die restliche Geschichte ist bekannt: «Seinfeld» wurde zu einem der größten Comedyformate aller Zeiten, zur viele Jahre erfolgreichsten TV-Serie in den USA und revolutionierte das angestaubte Sitcom-Genre.

Heute rangiert «Seinfeld» auf Hitlisten zu den besten Serien aller Zeiten oft auf Platz 1. Und das alles, weil damals ein NBC-Verantwortlicher das richtige Gespür für Risiko und Innovation besaß. Ja, vielleicht sollten sich die heutigen Bosse an dieses Jahr 1989 erinnern.
05.05.2015 12:19 Uhr Kurz-URL: qmde.de/77976
Jan Schlüter

super
schade

93 %
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Tags

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