Schwarz, schwärzer, «The Voices»: Inmitten von bösem Humor und bewegender Tragik liefert Ryan Reynolds die beste Leistung seiner Karriere ab.
Filmfacts «The Voices»
- Kinostart: 30. April 2015
- Genre: Drama/Komödie/Thriller
- FSK: 16
- Laufzeit: 109 Min.
- Regie: Marjane Satrapi
- Drehbuch: Michael R. Perry
- Darsteller: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver
- OT: The Voices (USA/D 2014)
Psychische Erkrankungen dienen Filmemachern nicht selten als Antriebsfeder für die Handlung ihrer Werke, als Aufhänger für die zentralen Konflikte, zur besonderen Charakterzeichnung oder schlicht auch als mehr oder weniger gewichtige Randnotiz mit variierenden Zielen. Die verschiedensten Genres haben bereits unzählige Haupt- und Nebenfiguren mit unterschiedlichsten Psychosen hervorgebracht. Gerade – wenn auch längst nicht ausschließlich – Horrorfilme und Thriller verorten die Ursache für die Taten von Killer-Figuren häufig in einer solchen psychischen Störung.
Im Speziellen wird dabei insbesondere (und verstärkt zum Zwecke eines schockierenden Twists) auf multiple Persönlichkeitsstörungen zurückgegriffen, die gerne auch fälschlicherweise mit Schizophrenie in einen Topf geworfen werden. Unter letzterer leidet nun aber die ebenfalls mit blutigen Gewalttaten konfrontierte Hauptfigur Jerry (Ryan Reynolds) in Marjane Satrapis faszinierendem und bisweilen grotesken Genremix aus tiefschwarzer Komödie, Charakterdrama und Psychothriller, der auf den vielsagenden Titel «The Voices» hört.
Jerry arbeitet in der Badewannenfabrik einer abgelegenen Kleinstadt. Doch seine Kollegen ahnen nicht, dass ihr stets freundlicher Mitarbeiter an Schizophrenie erkrankt ist und gar von einem Gericht Sitzungen bei einer Psychotherapeutin (Jacki Weaver) verordnet bekommen hat. Da die Wirkung der von ihr verschriebenen Medikamente ihm sein Leben jedoch allzu trostlos und einsam erscheinen lässt, beschließt Jerry eigenmächtig, auf deren Einnahme zu verzichten. Die als Folge dessen eintretenden Nebeneffekte machen sich unter anderem darin bemerkbar, dass er die Stimmen seines gutmütigen Hundes Bosco und seiner verschlagenen Katze Mr. Whiskers hört, die ihm mit mehr oder weniger hilfreichen Ratschlägen, vor allem aber mit geselligen Unterhaltungen zur Seite stehen.
Da sich Jerry aber auch nach menschlicher Nähe sehnt, wagt er es eines Tages endlich, Fiona (Gemma Arterton), die attraktive Buchhalterin seiner Firma, auf die er schon länger ein Auge geworfen hat, um ein Date zu bitten. Eher aus Höflichkeit denn aus tatsächlichem Interesse erklärt sich Fiona zu einer Verabredung bereit. Doch ein unglücklicher Zwischenfall lässt nicht nur den Abend in einer Katastrophe enden, sondern Jerrys gesamtes Leben komplett aus den Fugen geraten.
Die iranische Comiczeichnerin, -autorin und Filmemacherin Marjane Satrapi hat bereits in der Vergangenheit ihr Händchen für ebenso außergewöhnliche wie bewegende Stoffe unter Beweis gestellt. Große internationale Aufmerksamkeit erlangte sie im Jahr 2007 mit ihrem Comic «Persepolis», in dem sie ihre eigenen traumatischen Erlebnisse ihrer Jugend im Iran verarbeitete, und dem darauf basierenden gleichnamigen Animationsfilm, den sie selbst gemeinsam mit dem französischen Comic-Künstler und Regisseur Vincent Paronnaud realisierte. Mit Paronnauds Unterstützung drehte sie im Jahr 2011 schließlich auch «Huhn mit Pflaumen», ihren ersten Realfilm. Die amerikanisch-deutsche Koproduktion «The Voices», bei dem sie sich auf ein Drehbuch von «Paranormal Activity 2»-Koautor Michael R. Perry gestützt, auf dem Regiestuhl diesmal aber allein Platz genommen hat, reiht sich nun ebenfalls in Satrapis ungewöhnliche und skurrile Erzählwelt ein.
Ihr Film ist als Konglomerat verschiedener Genres, Stimmungen und Tonlagen zuallererst ein Film der Kontraste. Ein fast schon betont unschuldiger Einstieg mit eigenwilliger, leichtfüßiger Musik und in rosa Overalls gekleideten Fabrikmitarbeitern stimmt bereits zu Beginn auf den oftmals vorherrschenden humorvollen Aspekt des Films ein, der allein schon durch die absurde Sprechende-Haustier-Prämisse als Verkörperung der beiden Extreme von Jerrys Gewissen gegeben ist und mit fortlaufender Handlung zunehmend düsterer wird.
Doch abseits der tiefschwarzen Komik setzen auch die von brutalen Gewaltakten begleiteten Thrillerelemente und vor allem einige tragische Charaktermomente hervorragende Akzente. Denn trotz aller mitunter kruden Abstrusitäten gehen Satrapi und Perry, der sich für die Ausarbeitung seines Skripts mit Verhaltenswissenschaftlern des FBI getroffen hat, erstaunlich ernst und authentisch mit dem zentralen Thema der Schizophrenie um. Gerade die Gegenüberstellung von Jerrys Sicht der Dinge unter und ohne Medikamenteneinfluss bietet mit dem Wechsel zwischen im wahrsten Sinne des Wortes überzeichneten Bildern und einem trost- sowie farblosen Umfeld einen eindringlichen Ausflug in die verzerrte Wahrnehmungswelt einiger schizophrener Menschen.
All die Ambivalenz spiegelt sich auch eindrucksvoll in der hin und her gerissenen Hauptfigur wieder. Eingeführt als überaus liebenswürdiger, wenn auch etwas verschrobener Naivling wird sein grundsätzlich freundliches Wesen mehr und mehr von seinen krankheitsbedingten Rückfällen und den meist in direktem Zusammenhang mit diesen stehenden fragwürdigen Taten überschattet. Ryan Reynolds legt sich bei der Vermittlung von Jerrys ständigem und immer tiefere Spuren hinterlassenden Kampf mit sich selbst mächtig ins Zeug und glänzt dabei mit einer noch beeindruckenderen Leistung als bei seinem bisherigen Karrierehighlight mit der One-Man-Show im beklemmenden Thriller «Buried». Der nicht zuletzt aufgrund einiger unglücklicher Rollenentscheidungen häufig unterschätzte Kanadier verkörpert jede der widerstreitenden Facetten seiner Figur (und damit – im Original – auch die Stimmen seiner beiden gegensätzlichen Haustiere) mit sichtbarem Herzblut und kann deren fesselnde Komplexität somit virtuos abrunden.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass Satrapi bei ihrer durchaus gewagten Herangehensweise die schwierige Gratwanderung zwischen den unvereinbar scheinenden tonalen Ausrichtungen nicht immer glückt. Während sie diese schon zwischenzeitlich in sehr vereinzelten Momenten nicht so ganz unter einen Hut zu bekommen scheint, entgleitet ihr das Vorhaben in der in den Abspann übergehenden letzten Szene dann leider tatsächlich einmal, wenn jener Abschluss die unmittelbar zuvor bewegend aufgebaute Stimmung unnötig und ungelenk zunichtemacht.
Fazit: «The Voices» ist ein ausgefallener Genre- und Stimmungsspagat, der eine ganz eigene ungewöhnliche Identität vorweisen kann. Auch wenn Regisseurin Marjane Satrapi bei ihrem Balanceakt zwischen schwarzer Komödie, Thriller und Charakterstudie ab und an ein wenig ins Straucheln gerät, geht das skurrile Konzept die meiste Zeit bestens auf. Die Iranerin verliert bei aller Absurdität nie die Schwere des Schizophrenie-Themas aus den Augen und kann sich in der bemerkenswerten Auseinandersetzung mit diesem voll und ganz auf ihren großartigen Hauptdarsteller Ryan Reynolds verlassen.
«The Voices» ist ab dem 30. April in den deutschen Kinos zu sehen.
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In der Rolle welches Superhelden ist Ryan Reynolds 2016 zu sehen?
Teilnahmeschluss ist am 17. Mai 2015 um 23:59 Uhr. Viel Glück!
Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen findet ihr unter http://tinyurl.com/QuotenmeterGewinn.