Weniger Kitsch, noch mehr Romantik: Ein weiteres Mal dürfen die Hauptfiguren von Nicholas Sparks in diesem Jahr auf die Leinwand treten. Mit überraschendem Ergebnis. Filmkritikerin Antje Wessels verrät mehr.
Filmfacts: «Kein Ort ohne Dich»
- Kinostart: 30. April 2015
- Genre: Romanze/Tragikomödie
- FSK: 6
- Laufzeit: 139 Min.
- Kamera: David Tattersall
- Musik: Mark Isham
- Buch: Craig Bolotin
- Regie: George Tillman Jr.
- Darsteller: Scott Eastwood, Britt Robertson, Alan Alda, Oona Chaplin, Jack Huston, Melissa Benoist, Lolita Davidovich, Elea Oberon, Kate Forbes, Tiago Riani
- OT: The Longest Ride (USA 2015)
Es ist der Stoff, aus dem die Träume der romantischen Teenie-Mädels gemacht sind. Und mit diesen geht seit mehreren Jahren die Arbeit des Schmonzetten-Autors Nicholas Sparks einher, dessen zahlreichen Werke schon vielfach für die große Leinwand adaptiert wurden. 2015 schaffen es gleich zwei auf seinen Büchern basierende Filme in die internationalen Lichtspielhäuser, die möglicherweise gar um einen weiteren namens «The Choice» ergänzt werden. Nach dem einmal mehr äußerst seichten Liebesdrama «The Best of Me – Mein Weg zu Dir», für das sich Anfang dieses Jahres Michelle Monaghan und James Marsden anschmachten durften, sollen es in «Kein Ort ohne Dich» wieder Newcomer richten. Im Falle der im Original treffender «The Longest Ride» titulierten Romanze trifft dieses Los auf den Clint-Eastwood-Spross Scott sowie die Jennifer Lawrence wie aus dem Gesicht geschnittene Newcomerin Britt Robertson, der dank diverser großer Engagements, darunter auch das Disney-Adventure «A World Beyond» bald sämtliche Türen der Hollywood’schen Traumfabrik offen stehen werden.
Für den toughen Cowboy Luke Collins (Scott Eastwood) gibt es nichts Schöneres, als die gefährliche Arbeit eines Rodeoreiters. Jeden Tag schwingt sich der attraktive Junggeselle auf den Rücken der muskulösen Kraftpakete, um sich für ganze acht Sekunden auf ihnen zu halten. Es wundert wenig, dass er bei diesen Tours de Force schon Knochenbrüche und Schlimmeres hat einstecken müssen. Eines Tages trifft er bei einem Bullriding-Turnier auf die sympathische Studentin Sophia (Britt Robertson), die mehr durch Zufall und Gutzureden ihrer besten Freundin bei dieser Veranstaltung gelandet ist. Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch bevor sie viele romantische Stunden miteinander verbringen können, eröffnet Sophia Luke, dass sie schon in wenigen Wochen nach New York ziehen wird um eine Karriere in der Kunstszene zu beginnen. Die Leben der beiden jungen Erwachsenen scheinen nicht miteinander kombinierbar zu sein. Auf dem Nachhauseweg von einem romantischen Date entdeckt Luke am Straßenrand einen verunglückten Wagen. Die beiden retten dem Fahrer Ira Levinson (Alan Alda) das Leben und Sophia besucht ihn fortan täglich im Krankenhaus, wo sie gemeinsam mit ihm in seiner Vergangenheit schwelgt, die er an der Seite seiner großen Liebe Ruth (Oona Chaplin) verbrachte. Noch ahnt niemand, dass sich die Lebensgeschichten der beiden Paare verhängnisvoll miteinander kreuzen werden…
Fast scheint es also, als hätte man somit schon sämtliche Kitschfilm-Versatzstücke zusammen, um einmal mehr einen solchen nach bewährter Formel zu kreieren. Doch diesmal ist alles ein wenig anders. Wenngleich sich Regisseur George Tillman Jr. («Faster») nie ganz von den typischen Erfolgsmechanismen eines Sparks-Films wegbewegt, verlässt er zugleich das gewohnt tiefschürfende Terrain, um sich schon früh auf einen ungewohnt leichtfüßigen Erzählton zu konzentrieren. So wird aus «Kein Ort ohne Dich» keine sich erneut viel zu ernst nehmende Melodram-Variation, sondern eine klassisch romantische Tragikomödie, die mehr denn je auf Authentizität innerhalb der Geschichte sowie eine stimmige Chemie unter den beiden Protagonisten setzt. Diese erhalten nicht nur viel Raum für Entfaltung und Improvisation, sondern scheinen sich tatsächlich sehr sympathisch.
Filme, denen ein Nicholas-Sparks-Roman zugrunde liegt, fällt oft schon automatisch viel Hohn und Spott seitens der weniger romantikaffinen Zuschauer zu. Dies liegt insbesondere an der standardisierten Machart, denn neben der meist einheitlich verlaufenden Liebesgeschichte, in denen sich zwei Menschen zunächst unsterblich ineinander verlieben, um anschließend durch das Schicksal voneinander getrennt zu werden, nur um im Finale durch einen meist äußerst konstruierten Twist wieder zueinander zu finden, ist auch die technische Gestaltung sämtlicher Sparks-Werke ähnlich. «Kein Ort ohne Dich» nimmt sich an dieser Stelle nicht vollständig von diesem Schema aus; gleichsam achtet George Tillman Jr. darauf, die größten Stolperfallen des Kitschfilms zu umgehen. Während die Interaktion des Pärchens stets authentisch ist, ist auch der hier angeführte Konflikt erstmals aus dem Leben gegriffen und wird für das Publikum nachvollziehbar aufbereitet. Während sich sowohl Luke, als auch Sophia mitten in einem Lebensumbruch befinden, wirft das Skript mithilfe der Plotentwicklungen einige interessante Gesellschaftsfragen auf und stellt die Frage, wo gesunder Egoismus aufhört und das Verprellen des eigenen Umfelds beginnt. Dank der nahbaren Figuren, an denen das Publikum alsbald ehrliches Interesse entwickelt, sind diese Fragen nicht bloß heiße Luft, sondern haben auch auf den Zuschauer Auswirkungen, wenn er versucht, eine persönliche Haltung zu den Leinwandgeschehnissen aufzubauen.
Neben dieser gesunden Substanz innerhalb der Story kommen jedoch auch zwei weitere Filmelemente nicht zu kurz. Da ist auf der einen Seite die Selbstverständlichkeit der Romantik. Die ihren Fokus auf die Liebesbeziehung zwischen Luke und Sophia legende Geschichte kommt nie in Gänze ohne romantisierende Faktoren aus. Gleichzeitig nimmt «Kein Ort ohne Dich» vielerorts die Sichtweise der Verliebten ein und blickt für den Zuschauer durch eben jene rosarote Brille, durch die auch das Protagonistenpärchen schaut. Auf der anderen Seite geht Tillman Jr. oft den Weg der Selbstironie und nimmt damit direkten Kurs auf das Komikzentrum des Publikums. All das geschieht wohlweißlich; unfreiwillige Komik ob teils blind-naiver Entscheidungen seitens der Hauptfiguren oder der gestelzt-romantischen Dialoge waren zwar bislang immer Bestandteil sämtlicher Sparks-Werke. Im Falle von «Kein Ort ohne Dich» funktionieren die humoristischen Einschübe hingegen genau so, wie sie es sollen. Und dann wäre da natürlich auch noch der obligatorische Twist. Lange Zeit bleibt im Dunkeln, was die zwei Handlungsstränge der miteinander offenbar verbundenen Liebesgeschichten gemeinsam haben. Zur Aufklärung verlässt sich das Skript von «Kein Ort ohne Dich» diesmal auf eine vorsichtige und subtile Auflösung und vermeidet allzu konstruierte Ideen, wodurch sich die Bodenständigkeit dieses Films noch stärker von den durchkalkulierten Geschichten der Vergangenheit abhebt.
Die beiden Newcomer Britt Robertson («Under the Dome») und Scott Eastwood («Herz aus Stahl») harmonieren von Beginn an hervorragend miteinander und fühlen sich im rau-charmanten Westernfilm-Setting sichtlich wohl. Besonders in den Momenten, in welchen Stimmungssequenzen den ungezwungenen Umgang der beiden sowie das vorsichtige Voranschreiten der Liebe zeigen, gehören zu den charismatischen Highlights von «Kein Ort ohne Dich», der dem Publikum immer wieder das Gefühl gibt, hautnah an der Entstehung einer großen Liebe teilzuhaben. Der ab der zweiten Hälfte parallel dazu erzählte Strang über die Lovestory zwischen Ira und seiner Ruth wirkt dagegen weitaus distanzierter und lässt nur wenig Raum für emotionale Facetten. Die Authentizität kann man jedoch auch diesen Ereignissen nicht absprechen. Dafür harmonieren Oona Chaplin («James Bond 007 – Ein Quantum Trost») als junge, freiheitsliebende Frau und Jack Huston («American Hustle») als sie liebender Ehemann einfach zu sehr. So ist «Kein Ort ohne Dich» über weite Teile zwar immer noch ein typischer Vertreter des verfilmten Liebesromans, doch in diesem Falle setzt man nicht mehr nur auf den billigen Emotionskick, sondern beeindruckt stattdessen durch einen ehrlich Umgang mit den Konsequenzen einer Liebesbeziehung. Ganz so, als wäre dieser Film vor der Fertigstellung „entkitscht“ worden.
Fazit: Weniger Kitsch, noch mehr Romantik: Regisseur George Tillman Jr. liefert mit «Kein Ort ohne Dich» die bislang gelungenste Verfilmung eines Nicholas-Sparks-Romans ab. Zwar lässt auch dieses Werk eher die Herzen der Zielgruppe höher schlagen, alle anderen dürften jedoch weitaus weniger zu kritisieren haben, als bisher.
«Kein Ort ohne Dich» ist ab dem 30. April bundesweit in den Kinos zu sehen.