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Die Kino-Kritiker: «Run All Night»

Liam Neeson und das Schießeisen - zwei, die man nicht voneinander trennen sollte. Gemeinsam ergibt diese Kombination nämlich einmal mehr einen spannungsgeladenen Actionthriller. Auch, wenn dieser das Rad nicht neu erfindet.

Filmfacts: «Run All Night»

  • Kinostart: 16. April 2015
  • Genre: Achtion/Thriller
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 114 Min.
  • Kamera: Martin Ruhe
  • Musik: Junkie XL
  • Buch: Brad Ingelsby
  • Regie: Jaume Collet-Serra
  • Darsteller: Liam Neeson, Ed Harris, Joel Kinnaman, Boyd Holbrook, Bruce McGill, Genesis Rodriguez, Vincent D'Onofrio
  • OT: Run All Night (USA 2015)
Regisseur Jaume Collet-Serra und Actionstar Liam Neeson sind alte Bekannte. Schon zweimal förderte die Kollaboration dieser beiden Filmliebhaber hochklassige Actionthriller zutage, im Stile von Collet-Serra, der seine große Karriere mit dem exzellenten Horrorstück «Orphan – Das Waisenkind» begann, jedoch weniger laut und explosiv sondern vielmehr ruhig und besonnen. Mit dem Flugzeug-Kammerspiel «Non-Stop» gelang dem Filmemacher gar einer der stärksten Vertreter seines Genres, die es in den letzten Jahren auf der großen Leinwand zu sehen gab. Nach ebenjenem Flugzeuginferno und der Verschwörungsstory «Unknown Identity», ebenfalls einem Film, der mehr auf Story denn auf Krawumm setzt, wird es mit «Run All Night» für Collet-Serras Verhältnisse erstmals so richtig laut. Die bleihaltige Familienfehde zwischen Neeson und Kollege Ed Harris («Snowpiercer»), der in dem Actionstreifen seinen Widersacher spielt, ist trotz Zuhilfenahme bekannter Genreversatzstücke ein für Neeson nicht ganz so typischer Vertreter der vielen Actionbeiträge, in denen der Oscar-Nominee («Schindlers Liste») zuletzt mitwirkte. Das ist einerseits lobenswert, andererseits ist Collet-Serras Film nicht außergewöhnlich genug, um als echte Neuentdeckung gefeiert zu werden. Zudem krankt «Run All Night» an einem unausgegorenen Drehbuch und Schwächen in der Optik, die nicht vollends durch die Stärken, die insbesondere auf Seiten der Darsteller liegen, ausgeglichen werden können.

Der Brooklyn-Gangster und erfahrene Profi-Killer Jimmy Conlon (Liam Neeson) war einst unter dem Namen Totengräber bekannt – aber das ist lange her. Inzwischen nützt ihm seine enge Freundschaft mit dem Paten Shawn Maguire (Ed Harris) nicht mehr viel: Jimmy ist 55, die Sünden seiner Vergangenheit holen ihn ein – und zwar in Gestalt jenes verbissenen Detectives (Vincent D’Onofrio), der Jimmy seit 30 Jahren dicht auf den Fersen bleibt. In letzter Zeit sieht Jimmy keinen anderen Ausweg, als seinen Frust im Whiskey zu ertränken. Von seinem Sohn Mike (Joel Kinnaman) hat Jimmy auch schon lange nichts mehr gehört. Doch als Mike auf die Abschussliste gerät, muss sich Jimmy für eine Seite entscheiden: Entweder er bleibt der Gangsterfamilie treu, der er sich angeschlossen hat, oder er steht zu seiner eigentlichen Familie, die er vor Jahren im Stich gelassen hat. Mike ist auf der Flucht, und vielleicht muss Jimmy die Fehler der Vergangenheit wettmachen, indem er seinen Sohn vor dem Schicksal bewahrt, das ihm selbst auf jeden Fall bevorsteht: das Rendezvous

Wenn in der Vergangenheit ein schauspielerischer Imagewandel geglückt ist, dann wohl der von Liam Neeson. Angefangen als Charaktermime in bodenständigen Dramen und Hollywoodproduktionen, schlüpft der Haudegen nun bevorzugt in die Rolle des explosiven Ruheständlers mit Hang zum Schießeisen. Ob die «96 Hours»-Trilogie, «Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones» oder eben «Non-Stop»: Neeson ist längst in die Fußstapfen eines Bruce Willis oder Sylvester Stallone getreten. Auch in «Run All NIght» bleibt wieder so ziemlich alles beim Alten. Durch einen familiären Zwischenfall wird Neesons Jimmy gezwungen, seinen alten Berufsweg weiter zu verfolgen und darf dabei wieder viel ballern, sich Verfolgungsjagden hingeben und an Häuserwänden herunterklettern. Alles Stoff, den man so in der Art schon hundertfach – ob mit oder ohne Neeson – gesehen hat. Doch der Filmkenner Collet-Serra weiß seinem neuen Projekt immerhin punktuell interessante, neue Facetten beizufügen. Doch das große Problem von «Run All Night» ist unübersehbar das Skript. Brad Ingelsby, dessen Drehbuch zum Rachedrama «Auge um Auge» zuletzt nahezu identische Schwierigkeiten in seiner überambitionierten Eintönigkeit aufwies, konstruiert eine Geschichte, die sich aus zwei verschiedenen Aspekten zusammensetzt. Da wären zum einen die energischen Actionszenen, die in Aufmachung, Kreativität und Dynamik besser in einem Echtzeitactioner aufgehoben wären, zum anderen aber auch die überraschend tiefgründigen Familienprobleme innerhalb der Conlon-Familie.

Leider schaffen es die Macher nicht, beide Elemente kohärent zu einem Ganzen zusammenzufügen. Es entsteht ein zwiespältiges Bild zweier Erzählebenen, die einander zwar nicht stören und bisweilen sogar voneinander profitieren, die jedoch nie ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Das fängt schon bei der optischen Aufmachung an. Kameramann Martin Ruhe («The American») scheint sich partout nicht auf einen einheitlichen Stil festlegen zu wollen, sodass seine Arbeit von Szene zu Szene erheblich schwankt. Die temporeichen Actionszenen kranken an viel zu hektischen, verwackelten Bildern, für die stellvertretend eine Verfolgungsjagd steht, in welcher die Kamera zwischen Jäger und Gejagtem hektisch hin und her springt und so nie ein Eindruck über den Fortlauf des Geschehens gewährleistet ist. Auch in ruhigeren Momenten mutet die Wahl des Gezeigtem nicht immer ganz strukturiert an – in einem Gespräch innerhalb eines Autos wechseln Ruhes Bilder wahllos von Außenansicht zum Inneren des Wagens, von einem Darsteller zum Anderen, doch in den Stimmungssequenzen, besonders aber in den Schauplatzwechseln, liegen die großen Stärken der eigentlich so eingängigen Kameraarbeit. Wann immer die Handlung ruhiger wird und besonders im Hinblick auf den spektakulären Schlussakt weiß Martin Ruhe «Run All Night» sehr ästhetisch in Szene zu setzten.

So unentschlossen sich das visuelle Erscheinungsbild präsentiert, so zwiespältig kommt auch das Skript daher. Die Story selbst profitiert vorzugsweise von der Männer-Dynamik zwischen Neeson und Harris, der Plot um den Rachegedanken Maguires ist dagegen zu dünn, um in Sachen Innovation zu überzeugen. Wann immer sich «Run All Night» den aufregenden Verfolgungsjagden widmet, rechtfertigt der Actionfilm den Kinobesuch, kann aber mit einer schwächeren Optik aufwarten. Versucht sich Collet-Serra auf Plotebene weiterzuentwickeln, sieht sein Film ordentlich aus, kommt aber ohne jedwede Überraschung daher. Selbst abgegriffene Szenenaufbauten wie die typische „in letzter Sekunde durch einen Schuss des Freundes gerettet weden“-Szenerie werden als echte Neuerfindungen verkauft, sodass es teilweise schon viel Gutwillen braucht, um nicht angestrengt aufzuseufzen. Trotzdem können sich die Handlungsebenen gegenseitig ergänzen und auf der Zielgeraden trumpft «Run All Night» schließlich mit einer Handvoll Wendungen und Twists auf, die aus der Produktion ein ziemlich unvorhersehbares und somit spannendes Unterfangen machen. Als besonders beeindruckend erweist sich schließlich der finale Schusswechsel, in welchem sich alle Stärken von «Run All Night» endlich in einer Szene zusammenfinden.

Auf Darstellerebene gibt es hingegen keinerlei Gründe, nicht einmal gehörig mit der Zunge zu schnalzen. Denn abgesehen von Liam Neeson, der seinen Job erwartungsgemäß solide erledigt und in den ruhigen Momenten einmal mehr beweist, dass er nach wie vor zu den besten Schauspielern seiner Generation gehört, kann «Run All Night» darüber hinaus mit Ed Harris aufwarten. In seiner Rolle des visionären Fernsehproduzenten der «Truman-Show» bekannt geworden, scheint er sich nun ebenfalls im harten Männergenre beweisen zu wollen und in der Rolle eines Unterweltpaten funktioniert Harris einfach verdammt gut. Wer hingegen unterfordert scheint, ist Joel Kinnaman («RoboCop»), dessen Figur aufgrund der eher lose gehaltenen Charakterisierung kaum dazu kommt, die Handlung voranzutreiben. Kinnaman funktioniert als liebender Ehemann und Vater, auch den Zwist mit seinem eigenen Daddy nimmt man ihm jederzeit ab. Doch für das Setzen eigener Akzente bleibt seine Figur über die gesamte Handlung schlicht zu unausgereift.

Fazit: «Run All Night» weiß dem Thrillergenre kaum Neues zuzufügen, profitiert jedoch von einem sehenswerten Männerduo und ist so stilsicher inszeniert, dass Freunde des gepflegten Krawummfilms hier ganz sicher auf ihre Kosten kommen.

«Run All Night» ist ab dem 16. April bundesweit in den Kinos zu sehen.
16.04.2015 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/77606
Antje Wessels

super
schade


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